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Die Welt zu Gast bei Spannern

Für die einen ist es die angemessenste Art der Durchsuchung nach pyrotechnischen Gegenständen, für die anderen ist es einfach nur (sexuelle ?) Nötigung und ein tiefer Einschnitt in die Persönlichkeits- und Grundrechte einer Minderjährigen:

Der Eingang der Kabinen war jeweils zum Gang gelegen und nicht mit Vorhängen versehen. [..] Am Ende der Durchsuchung wurde die Klägerin angewiesen, den BH für eine Abtastkontrolle nach oben umzuklappen. Der Slip musste bis zu den Knien heruntergezogen werden und die Klägerin musste eine vollständige Körperdrehung durchführen.

Eine Sechszehnjährige besucht ein Fußballspiel und wird am Eingang von der Polizei kontrolliert. Gerade weil sie unauffällig war, wurde sie ins Raster genommen. Einen konkreten Anfangsverdacht hatte die Polizei nicht (mal von einem Fanschal abgesehen). Ihr anschließende Klage wurde abgewiesen. Die Begründungen im Urteil sind abenteuerlich:

  • Begründung der Klage: »Die Kabinen [..] seien in Richtung des Zeltinneren nicht durch Vorhänge o.ä. verdeckt gewesen, so daß ein Einsehen ohne weiteres möglich gewesen sei.«. Aus der Urteilsbegründung: »und hätten einen Eingangsbereich von ca. 50-60cm gehabt. In diesem Eingang habe während der gesamten Durchsuchung eine Beamtin gestanden«
  • Begründung der Klage: »Der Boden [..] sei nur mit einer Plastiktüte ausgelegt gewesen, so daß die praktisch mit den Füßen auf dem kalten Boden der darunter befindlichen Straße gestanden habe.«. Aus der Urteilsbegründung: »[..] Das Zelt [sei] durch eine Warmluftzufuhr bereits zwei Stunden zwei Stunden vor Beginn der Maßnahmen beheizt worden. Es habe im Inneren des Zeltes eine durchschnittlcieh Temperatur von 24°C geherrscht.«. Lieber Richter: warme Luft steigt nach oben!
  • Begründung der Klage: »Ebenso wenig sei eine konkrete Begründung für die Durchsuchung erbracht worden.«. Hier stand Aussage gegen Aussage. Warum gibt es für die Aufklärung kein Faltblatt oder ähnliches?
  • Argumentation der Beklagten: »Im Übrigen habe der durchaus friedliche Verlauf des Fußballspiels die Geeignetheit und Angemessenheit der Maßnahme bestätigt«. Mensch, dafür konnten sich die Beamten auf die Schulter klopfen!
  • Aus der Urteilsbegründung: »Das vollständige Entkleiden sei auch verhältnismäßig gewesen«
  • Aus der Urteilsbegründung: »Der Großteil der betroffenen Personen habe Verständnis gezeigt.«. Etwas über sich ergehen lassen — und dafür Verständnis haben sind zwei verschiedene Dinge. Ersteres kann man mit Strichlisten oder Untersuchungsprotokollen nachweisen.
  • Aus dem Urteil: »Die Zulassung zur Berufung kommt mangels Vorliegen der Voraussetzungen [..] nicht in Betracht.« — Hat der Richter Angst, daß seine menschenverachtende Entscheidung auf höherer Ebene widerrufen wird?

Und zwischen den Zeilen gibt man der Klägerin sogar noch Mitschuld: die hätte auf das Spiel ganz einfach verzichten können! Wunderbar, liebes Verwaltungsgericht. Vergessen wird dabei, daß man solche kleinen Sprengkörper auch außerhalb des Stadions zünden kann!

Für die Allgemeinheit wirft das Urteil dramatische Folgen: ein Anfangsverdacht sei demnach nicht mehr nötig, um Untersuchungen — bis hin zur Entkleidung — durchzuführen (vgl. LawBlog)

Anmerkung 1: auf der Seite des Verwaltungsgerichtes des Saarlandes muß sich ein Hinweis auf das Urteil gefunden haben, der aber wieder entfernt worde. Google zeigt entsprechende Texfragmente noch an, auf der Seite selber steht nichts weiter dazu.

Anmerkung 2: Der LawBlog hat ein Interview mit dem Opfer veröffentlicht. Über eine Verfassungsbeschwerde wird nachgedacht. Viel Erfolg!

Anmerkung 3: Die Seite des OVGs des Saarlandes ist im Moment nicht verfügbar. Ob das vielleicht ein DoS ist — gemäß Art. 20 Abs. 4 GG?

Anmerkung 4: Diskussion auch Dynamo-Forum

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