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800.000 Euro für die Umbenennung in Studierendenwerk

Zur Zeit läuft in Berlin eine parlamentarischen Debatte für eine Reform des Studentenwerkes. Prominentestes Beispiel der Änderung: die Umbenennung von Studentenwert in Studierendenwerk.

Das Medienecho schlägt hoch. Die Satirezeitung nennt es Gender-Wahn, die Morgenpost ist da etwas moderater. Das Problem ist aber nicht die Umbenennung als solches, sondern dass der neue Begriff schlicht falsch ist.

Die Begriffe Studenten (beliebigen Geschlechtes) und Studierende (beliebigen Geschlechtes) sind nicht deckungsgleich:

  • Student ist eine Status-Eigenschaft einer Person, die an die Immatrikulation an eine Hochschule oder Universität gebunden ist (vgl. Hochschulgesetz)
  • Der Begriff Studierender ist von der Tätigkeit „studieren” abgeleitet, also Personen, die dieser Tätigkeit nachgehen

Es gibt Studenten, die keine Studierenden sind. Vor allem gibt es Studierende, die keine Studenten sind. Ich spare mir Beispiele.

Für die Ausnutzung dieser begrifflichen Feinheiten hätte ich eine Gesetzesänderung begrüßt: zur Stärkung des Zieles des lebenslangen Lernens. Damit zum Beispiel Berufstätige zu Studierenden gemacht werden können, die sich in einigen bestimmten Themengebieten vertiefen möchten, ohne dass sie sich einschreiben müssen (oder gar erst die notwendige Hochschulreife vorweisen müssen). Oder dass Sozialleistungsberechtigte ebenso in den Genuss der Leistungen des Studentenwerkes kommen können. Denn werden diese zu Studenten, stehen diese nach den Regeln der Sozialgesetzgebung nicht mehr dem Arbeitsmarkt zur Verfügung.

Doch diese Möglichkeiten werden im Aufgabenbereich des künftigen Werkes sehr schwammig formuliert:

Aufgabe des Studierendenwerks Berlin ist die soziale, gesundheitliche, wirtschaftliche und kulturelle Betreuung der Studierenden der Hochschulen des Landes Berlin [..]

Man mag streiten, ob eine Person, die regelmäßig Vorlesungen oder die Universitätsbibliothek aufsucht, künftig in den Aufgabenbereich des Studierendenwerkes zählt. Und ob das Studentenwerk künftig nicht mehr für diejenigen zuständig sein wird, die zwar eingeschrieben sind, aber nicht studieren. Zudem ist es sehr schwer nachzuweisen, dass jemand Studierender ist. Es ist auch unmöglich, es zu widerlegen.

Jedoch findet auch eine Aufgabenerweiterung statt (in §2 Abs. 2 der neuen Fassung):

(2) Das Studierendenwerk kann seine Einrichtungen und Dienstleistungen auch anderen Angehörigen der betreuten Hochschulen, Angehörigen anderer Bildungseinrichtungen, den Beschäftigten des Studierendenwerks sowie Dritten zur Verfügung stellen, soweit dadurch die Erfüllung der Aufgaben gemäß Absatz 1 nicht beeinträchtigt wird.

Neu sind die „Dritten”. Aber eben nur, wenn sie der Erfüllung der Aufgaben nicht entgegen stehen. Den Erläuterungen zum Gesetz können also die Mensen das Essen Dritten anbieten, wenn deren Preis über den Kosten des Wareneinsatzes liegen.

- Student(in) Kein(e) Student(in)
Studierende Zielgruppe nach §2 Abs. 1 Dritte nach §2 Abs. 2
Kein(e) Studierende Nicht mehr Zielgruppe, daher Andere Angehörige der betreuten Hochschule nach §2 Abs. 2 Dritte nach §2 Abs. 2

Aber all diese Überlegungen finde ich im Gesetzentwurf nicht wieder. Bei den Dritten geht es eher um Studenten anderer Bundesländer oder den kirchlichen Hochschulen. Überhaupt geht es nur um eine Umlabelung. Weil manche Personen bei einer Gruppe von Studenten die Studentinnen gedanklich ausschließen, so dass sie explizit zusätzlich erwähnt werden müssen. In diesem Fall ist das Studierendenwerk der falsche Begriff, sondern ein „Studentisches Mitgliederwerk” wäre treffender, denn „mit der Immatrikulation wird der Student oder die Studentin Mitglied der Hochschule”, so unverändert §14 Abs. 1 Berliner Hochschulgesetz. Darüber hinaus wird diese nun gewählte Formulierung nicht das Ende der Fahnenstange sein: an der Uni Bremen fand ich schon den Term StudierendInnen.

Dass es im Übrigen nicht um Gleichstellung geht, ist auch aus den Vorbemerkungen zum Gesetz zu entnehmen:

Der Gesetzentwurf hat keine Auswirkungen auf die Gleichstellung.

Lasse ich die Formulierungsfrage mal außer Acht: Mit jeder Regierungsbildung werden viele Behörden neustrukturiert, was ebenso unzähliges Geld kostet. In soweit ist das Kostenargument auch nicht so vordergründig zu bewerten. Aber ich kann mich auch gut an meine Zeit als Student und Vertreter im Studentenrat der HTW-Dresden erinnern. Die sächsische Landesregierung kürzte nur zu gerne die Zuschüsse an die Studentenwerke, wodurch die Preise in den Mensen permanent stiegen. Und das obwohl die Mitarbeiter in den Mensen und Cafeterias zeitgleich in eine Beschäftigungsfirma ausgegliedert wurden, über die massiv die Löhne gedrückt wurden. Vom Sanierungsbedarf der Wohnheime ganz zu schweigen. Wenn nun jemand die Umetikettierung vorgeschlagen hätte… Aber das war in den frühen 2000er in Dresden Jahren gewesen!

Fazit: Das Studentenwerk wird Studentenwerk bleiben, es wird nur einen irreführenden Namen erhalten.

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