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Vorzeigefrauen und Rote Rosen mit Parteiwerbung … Weltfrauentag

Ein Gastartikel von Monika Belz, der Text steht unter einer CC-Lizenz (by-nc-nd), Quelle: Loreenas Worte (Link mittlerweile aktualisiert)

Heute ist es wieder mal so weit, der Alibi-Tag steht an, der Weltfrauentag. Die Medien, Organisationen und Parteien überschlagen sich in Statements. Für mich ist das grotesk.

Frühmorgens nichts Böses ahnend, werde ich von meiner allmorgendlichen Lieblingssendung Morgenmagazin auf 3 Vorzeigefrauen, Zahnärztin, Politikwissenschaftlerin und Studentin Kultur und Technik hingewiesen und ihre Meinung zu Quoten. Der erste Gedanke, wie repräsentativ soll denn diese Auswahl sein? … das Ergebnis ziemlich voraussehbar. Gut, ich habe was gegen Quoten, also bin ich eh voreingenommen, trotzdem haben mir nicht studierte und nicht studierende Frauen gefehlt, hat etwas von bereits etabliertem Elitedenken.

Allerdings passt es zur Quotendiskussion, es wird darüber diskutiert in den Führungsetagen der Unternehmen mehr Frauen einzusetzen, da dies noch nicht für die politischen Flügel und die diversen sich damit befassenden Organisationen und Personen zufriedenstellend umgesetzt ist, will man den Zwang, weil Freiwilligkeit nicht die gewünschten Ergebnisse gebracht hat.

Und ich wage, mich zu fragen, was eine Quote in den Führungsetagen für einen Sinn hat, ob das jetzt die Frauenpolitik ist, über die so viel geredet wird. Wenn man die Quote umsetzt, hat man sein Gewissen beruhigt, mehr Frauen in Führungsetagen = bessere Arbeitsbedingungen und Aufstiegschancen für Frauen in den Unternehmen? Nein, Frauen sind keine besseren Menschen, sie sind einfach auch nur Menschen. Was ist der Sinn? Wir schaffen mehr Vorzeigefrauen, an denen sich andere orientieren sollen, die haben es geschafft, du kannst es auch. Ich glaub nicht, dass das funktioniert, wenn man so vorgeht. Das Problem liegt nicht in den Führungsetagen begraben, die Probleme sind grundlegender in unserer Gesellschaft verankert und hat immer weniger mit dem Frau/Mann Bild zu tun. … aber man hat was getan, kann Ergebnisse vorweisen, auch wenn sie künstlich geschaffen sind.

Was hindert Frau das zu tun, was sie will? Die Lebensbedingungen. Beispiel Dienstleistungsbranche, hier arbeitet ein Großteil der Frauen, ja das sind die, die auch noch 19.30 Uhr geduldig die Haare schneiden und tagtäglich die mit unter nicht nur kritischen, sondern unfreundlichen Kunden beraten, abkassieren etc. Das sind die, die den Kundenwünschen nach immer weitreichenden Öffnungszeiten nachkommen, es wird erwartet flexibel zu sein, aber die Möglichkeiten für eine flexible Lebensgestaltung fehlen. Wer denkt eigentlich an diese Frauen?

Wer denkt an die Frauen, die mit der Kindererziehung vom Partner allein gelassen werden (betrifft allerdings auch immer mehr Männer), die gezwungen sind, unter ihrer Qualifikation einen Job anzunehmen, um mit den Betreuungszeiten der Kindergärten etc. klar zu kommen, wenn sie denn überhaupt einen (Job und Kindergartenplatz) bekommen. Die nach ihrem Job nach Hause, zum Einkaufen, zum Kindergarten, zur Schule (frühmorgens andersrum) hetzen, um ja nicht irgendwo zu spät zu kommen.

Die Verdienste in der Dienstleistungsbranche sind unterstes Niveau, das betrifft Frau und Mann, die Kunden, also wir, wollen aber immer günstigere Angebote, sparen, knausern – selbst wenn man das nicht unbedingt muss. Wer in der Dienstleistungsbranche arbeitet, der muss das zum größten Teil. Wer durchbricht diesen Teufelskreis, wer setzt sich dafür ein, dass Dienstleistungen in unserer beruflichen Gesellschaft anerkannt werden, damit auch hier Verdienste möglich sind, die eine leben lassen? Wer schärft unsere Kundenbewusstsein, nicht nach der günstigsten Ware zu suchen, sondern nach einer qualitativ guten, im Bewusstsein, dass diese auch ihren Preis hat. Vielleicht sind wir auch wegen dieser Lohn- und Preispolitik auch weit davon entfernt, einfachere Lösungen zu sehen, mir fällt da das bedingungslose Grundeinkommen ein.

Alibipolitik überall, es werden Kinderbetreuungsmöglichkeiten versprochen, sogar gesetzlich verankert, die nicht umsetzbar sind und daher auch nicht umgesetzt werden. Aber man hat was getan… Der Weg zu mehr Selbstverwirklichung der Eltern sind bessere Bildungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten, auch wenn man eine Familie hat. Wie wäre es mit flexibler Kinderbetreuung, im ersten Anlauf zeitunabhängig auf die Tages- und Nachtzeiten bezogen und im zweiten Schritt vielleicht auch in Grenzen (Bezugspersonen) örtlich unabhängig. Wir sind zu starr in Beantragung, Gewährung, Zuweisung, um tatsächlich auf die in der Berufswelt geforderte Flexibilität eingehen zu können.

Was spricht eigentlich in nicht produktiven Bereichen in Wirtschaft und Verwaltung dagegen, Arbeitsplätze unabhängig von Zeit und Raum einzurichten, wir haben die Technik dafür, wir nutzen sie noch viel zu wenig. Wir können über das Netz kommunizieren, wir können Dokumente und Unterlagen in Information umwandeln und sie über das Netz transportieren. Flexible Arbeitsplätze, Modelle dafür gibt es bereits, die nur in geringem Maße die Anwesenheit am Arbeitsplatz ausmachen, die für mehr Flexibilität im Zeitmanagement sorgen – zu einfach?

Zurück zu den Quoten, was bringen sie, sagen wir Stellen sind mit Frauen besetzt gem. der Quotenregelung, weitere Stellen, Plätze in Aufsichtsräten etc. stehen zur Besetzung frei, wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, das bei erfüllter Quote Frauen diese Plätze erhalten, die über die entsprechende Qualifikation verfügen? Als man mir ein Quotenplatz angeboten hat, lange ist es her, bin ich gegangen, ich will und wollte nie eine Quotenfrau sein, ich will das man mich für das anstellt und akzeptiert, was ich bin, was ich kann.

Es liegt an uns, den Frauen. Jede Generation hat für sich erreicht, was die vorhergehende quasi für unmöglich hielt, beginnend bei der weiterführenden Bildung, über Unternehmensgründung, über die Überwindung des quasi gesetzlich festgelegten Lebensmodells Ehe hin zu Unabhängigkeit, Beteiligung an Demokratie und Selbstbestimmung. Wir haben uns bereits selbstverwirklicht gegenüber vorhergehenden Generationen. Ich habe keine Angst, dass diese Errungenschaften durch die folgenden Generationen nicht erweitert werden, ich möchte nur die Ergebnisse nicht schon vorwegnehmen und somit den stattfindenden Prozess in der Gesellschaft unterbrechen.

Wichtig für jeden Menschen, wie er sich auch immer zuordnet ist, niemand nimmt dich an die Hand und führt dich in deinem Leben durch die Welt, du musst das selbst machen und wollen.

An der S-Bahn- und U-Bahn-Haltestelle wurden heute Rosen verteilt, mit Parteiwerbung – grotesk. Ich könnte jetzt einen Vortrag über die Arbeitsbedingungen in der Floristenbranche in den Herkunftsländern der Rosen halten, ich könnte einen Vortrag halten, wie sinnvoll es ist, Werbung zu verteilen, die zum großen Teil auf der Straße und in Papierkörben landet und somit eher eine Belastung für die Müllbeseitigung ist. Viel mehr ärgert mich diese Symbolpolitik, heute ist Weltfrauentag, heute müssen wir mal zeigen, das wir Frauen achten und beachten, was wir alles für sie tun – und morgen geht der Trott weiter – wäre es nicht so traurig, könnte ich lachen. Sry wenn ich da nicht mitmache….

… mich hätte gefreut, wenn die Finanzmittel für diese Werbeaktion gewinnbringend eingesetzt werden, die Möglichkeiten sind viele, Verbände, Anlaufstellen, Frauenhäuser, Beratungsstellen, queere Jugendeinrichtungen … ein Auftrag für eine Werbeagentur weniger, ein Großauftrag für einen Floristengroßhändler weniger – aber Investition in die Zukunft.

Weltfrauentag – bedeutet für mich weniger das Betrachten der innenpolitischen Struktur hinsichtlich Gleichstellung – beim Weltfrauentag gehen mir die Frauen durch den Sinn, die sich nicht an Demokratie beteiligen können, die immer noch keine Bildungschancen haben, die immer noch in Abhängigkeit von Mann und Großfamilie leben, die keine Chance auf Selbstverwirklichung haben.

Mir gehen die Frauen durch den Sinn, die für mehr Demokratie und Menschenrechte kämpfen… mir geht so vieles durch den Sinn, aber Quoten und Gleichstellung sind nicht unter den ersten 20 Gedanken.

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