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Demografiekonzept Treptow-Köpenick

Im September 2015 wurde uns Bezirksverordneten nach gut zweieinhalb Jahren Entwicklungszeit das Demografiekonzept übergeben. Also ein Handlungskonzept, mit dem sich der Bezirk dem demografischen Wandel stellen möchte.

Lese ich das Konzept, so habe ich den Eindruck, dass wir zumindest damit keinesfalls den demografischen Wandel stemmen werden. Möglicherweise erweckt so ein Konzept zu hohe Erwartungen bei mir.

Das Konzept liestet eine Reihe von Zielen und Maßnahmen auf, die aber fast alle nichts mit dem demgrafischen Wandel zu tun haben. Es sind Dinge, mit denen wir den Bezirk lebenswerter machen können oder wie Menschen besser und gesund altern können. Aber hey, so etwas sollten wir nun nicht deshalb anstoßen, weil zu erwarten ist, dass die Gesellschaft altert. Es sind Dinge, die sollten wir tun, weil die Maßnahmen richtig sind. Dieses Konzept ist ein Wunschkonzert, kein Demografiekonzept.

Ein wichtiges Thema des demografischen Wandels ist die Ärzteversorgung. Also dass auch künftig ausreichend Ärzte für die einzelnen Fachdisziplinen zur Verfügung stehen. Hier scheinen wir laut dem Demografiekonzept im Bezirk Schlusslicht beim Versorgungungsgrad zu sein, ohne den derzeitigen Versorgungsgrad selber zu benennen. Vom künftigen Bedarf, also auf Grundlage der sich veränderten Demografie, ganz zu schweigen. Die Lösung dieses zahlenmäßig nicht beziffernden Problemes läuft dann unter dem Thema „Fachkräfte sichern – Potentiale erschließen”, um den (generellen) Fachkräftemangel vorzubeugen.

Ich möchte dazu noch ein paar vertiefende Gedanken niederschreiben – über Demografie, meinen Erwartungen, den vorliegenden Prognosen sowie einzelnen Handlungsfeldern.

Demografie und Wandel

Kommunen wachsen. Kommunen schrumpfen. Vor allem aber verändern sie sich. Im Rahmen der Demografie zählen vor allem Faktoren wie die Lebenserwartung, die Alterspyramide, Geburten- und Todesraten, Zuzug und Wegzug. Und darüber hinaus auch eine Aufschlüsselung, bpsw. nach Geschlecht, Religionszugehörigkeit, Migrationsstatus, Einkommensstituationen, Bildungsstand und viele mehr.

Und ausgehend von aktuellen Zahlen werden Prognosen erstellt. Durch Annahmen oder erwartbare Ereignisse in der nahen Zukunft. Und diesen gilt es sich zu stellen, in dem bspw. auf den geänderten Bedarf reagiert wird. Mehr Leute brauchen bspw. auch mehr Wohnungen. Und mit bestimmten Maßnahmen kann auch auf die Demografie Einfluss genommen werden.

Ein generellen Trend dieser Tage ist in Folge der steigenden Lebenserwartung, dass immer mehr ältere Menschen auch in diesem Bezirk leben werden. Und diese Menschen benötigen dann bspw. mehr Ärzte und altersgerechte Wohnungen.

Demografieprognosen sind ein Blick in die Glaskugel. Während das Älterwerden, die Mortalität und die Neugeborenen noch verhältnismäßig gut ermittelbar sind, können Zu- und Wegzüge kaum vorhergesehen werden.

Meine Erwartung an solch ein Konzept

Zunächst erwarte ich aktuelle Zahlen. Und Annahmen für künftige Entwicklung, aus denen dann Prognosen entstehen. Und optimalerweise nicht nur eine Annahme mit einer Prognose, sondern auch mehrere.

Dann erwarte ich auf Basis dieser Prognosen geänderte Bedarfe in den Ortsteilen. Also Bedarf an Ärzten, Schulplätzen, Kita-Plätzen, Spielplätzen, Wohnungen, Straßen, Arbeitsplätze, Behördenmitarbeiter, Sozialeinrichtungen, Öffentlicher Nahverkehr.

Grob: Alles, was du dir so denken kannst, was aber im Falle des Falles nicht auf Knopfdruck lösbar ist…

Die Wohnunsbaupotentialanalyse ist in dem Zusammenhang ein sehr hilfreiches Instrument, denn diese zeigt, wo überhaupt Wohnungen entstehen können und sich neue Mitmenschen ansiedeln können. Auf deren Basis können die Demografieveränderungen auch auf Ortsteile besser aufgeschlüsselt werden.

Und aufgund dieser Bedarfe ergeben sich dann Anforderungen, bspw. auf die Investitionsplanung, die Personalplanung, die Stadtplanung.

Prognosen

Zunächst wird die Bevölkerungsprognose für Berlin 2011-2030 des Landes referenziert. Diese sieht ein Wachstum von 20.600 Einwohnern zwischen 2011 und 2030 vor.

Nun wird die erwartete Altersstruktur für Berlin auf dem Bezirk übernommen und dabei festgestellt, dass der künftige Berliner Durchschnitt schon der heutigen Situation im Bezirk entspricht.

Die Alterstruktur im Bezirk Treptow-Köpenick entspricht hingegen bereits weitgehend der Prognose für die Gesamtstadt. Bei den Über-60-Jährigen ist bereits der für Berlin erwartete hohe Anteil erreicht und z. T. sogar übertroffen. Damit ist Treptow-Köpenick der einzige Bezirk, bei dem diese Altersgruppe insgesamt etwa den gleichen Anteil an der Bevölkerung beibehält, der sich jedoch auf vergleichsweise sehr hohem Niveau bewegt.

Bei diesem Absatz beginnt mein Gehirn zu streiken. Woher kommt die Annahme, dass der Berliner Durchschnitt sich auch künftig im Bezirk wiederspiegelt, während er es bisher nicht tat? Es wird auf das natürliche Bevölkerungssaldo (also die Differenz aus Neugeborenen und Verstorbenen) sowie das Wanderungssaldo hingewiesen, doch reichen allein diese beiden Indizien zu der Annahme, dass sich sich die Altersverteilung im Bezirk künftig nicht ändern wird?

Wenn dem so ist, dann können wir das ganze ruhig angehen… mir fehlt dazu aber die passenden Annahmen.

(Es folgen drei Tabellen, über die ich minutenlang saß und bei denen mir nicht klar wird, was sie sagen sollen. Mir erscheint es, als hat man die Dimension verwechselt. Was fange ich mit der Aussage an, dass von 100 Personen in der Alterskategorie über 80 Jahre 27 Personen im Prognoseraum 5 leben – heute, 2020 und 2030? Spannender und hilfreicher hätte ich die altersmäßige Aufteilung der Bevölkerung in einem Planungsraum erwartet)

Es folgen noch verschiedene Statistiken zur Verteilung der Bevölkerung, auf deren Wiedergabe ich hier im Einzelnen verzichten möchte. Ich möchte nur kurz auf die Zahlen zu den Menschen mit (anerkannten) Behinderungen. Hier gab es in den verganenen Jahren einen deutlichen Anstieg und die Vermutung einer Dunkelziffer. Aber es gibt keine Prognose für die Zukunft.

Handlungsfelder

Es gibt nun fünf sogenannte Handlungsfelder mit durchschnittlich zwei bis drei Untergebieten. Zu jedem dieser Untergebiete gibt es nun Ziele. Und zu jedem Ziel gibt es Strategien und Maßnahmen. Alles schön hierarchisch gegliedert.

Um es vorweg zu nehmen: Kaum ein Ziel hat etwas mit Demografie zu tun. Es sind entweder Dinge, die bereits getan werden oder die wir schon längst hätten tun sollen. Es sind Maßnahmen, die zwar für bestimmte Bevölkerungsschichten gut und wichtig sind. Aber diese haben mit dem demoafischen Wandel nichts zu tun, außer dass dann ggf. mehr oder weniger Leute sie künftig in Anspruch nehmen werden.

Drei exemplarische Beispiele:

  • Damit die Menschen „gesund alt werden in Treptow-Köpenick (Ziel #1), soll ein Wegweiser für Bewegungsangebote 50+ geschaffen werden.
  • Damit „Wohnen bezahlbar und attraktiv für junge Familien und jungen Erwachsenen” wird (Ziel #10), sollen verstärkt Bürgerinformationen bei Neubauprojekten durchgeführt werden und Kooperationen mit Wohnungsbaugesellschaften bzw. -genossenschaften eingegangen werden.
  • Damit „Jugendlichen und Familien Teilhabe ermöglicht und berufliche Perspektiven
    eröffnet” wird (Ziel #16), sollen Beratungsangebote ausgebaut und stärker vernetzt werden.

Wie schon erwähnt: das kann man ja alles auch ohne Bevölkerungsveränderung tun.

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