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Wahl der Rechtsaußen-Stadträte in Berlin

Das Wahlergebnis in Berlin führte nun dazu, dass in sieben Bezirken Rechtsaußen Stadtratsposten zustehen. Die entsprechende Fraktion hat in der Bezirksveordnetenversammlung (BVV) ein Vorschlagrecht, die gesamte BVV wählt dann in geheimer Wahl für oder gegen den Kandidaten.

Für die gewählten Mitglieder der demokratischen Parteien ist es nun schwierig damit umzugehen: ermöglichen oder nicht ermöglichen?

Natürlich können die anderen Parteien es derzeit verhindern, dass Rechtsaußen die Stadtratsposten bekommt.

Nur was bedeutet es praktisch? Das Bezirksamt besteht dann nur aus vier Personen. Sprich: vier Leute machten die Arbeit von fünf. Das kann gut gehen. Treptow-Köpenick bestand in der letzten Wahlperiode auch lange Zeit aus nur vier, weil einer krankheitsbedingt ausgefallen war. Nur wenn danach ein weiterer erkrankt oder im Urlaub ist, wird es mit der Ämterführung allmählich dünn. Hinzukommt, dass durch das Vorschlagsrecht auch regelmäßig neue oder wiederkehrende Wahlvorschläge in die BVV eingebracht werden können – und jede BVV-Sitzung (sofern Rechtsaußen das möchte) mit Wahlhandlungen verbracht werden. Mal vom Einnehmen einer Märtyrer-Rolle ganz zu schweigen, zumal die stetig wiederkehrenden Wahlhandlungen auch öffentliches Interesse erzeugen werden.

Von daher sollte stets die Frage sich gestellt werden, ob die Totalablehnung die richtige Form ist. Doch wie geht es sonst?

Um das Vorschlagsrecht kommt man schwerlich herum. In Pankow will der Vorsteher sich an die Bezirksaufsicht wenden:

Der BVV-Vorsitzende will sich nun mit der Bezirksaufsicht beraten. Möglich, dass die AfD dann ihr Recht verliert, einen neuen Stadtratskandidaten zu nominieren.

Es gibt keine gesetzliche Grundlage zum Verwirken. Selbst wenn es sie gäbe, wäre es fatal. Es war expliziter Wunsch des Gesetzgebers, dass es kein politisches Bezirksamt (also wo eine Regierungskoalition ähnlich wie auf Landesebene alle Posten besetzt) gibt. Würde es die Option des Verwirkens geben, wäre es reine Formsache, alle Wahlvorschläge der anderen Parteien so lange abzulehnen, bis die Koalition, auf Bezirksebene Zählgemeinschaft genannt, alle Vorschlagsrechte wahrnimmt.

Die einzige tatsächliche Form des Verwirkens ergibt sich bei Änderung des Stärkeverhältnisses der Fraktionen, in dessen Folge Rechtsaußen dann kein Stadtrat mehr zustehen würde. Dies gelingt aber nur da, wo Rechtsaußen maximal 8 Verordnete hat, z.B. in Pankow. Wenn also durch Übertritte in der BVV Pankow diese aus 11 Linke, 9 SPDler, 9 Grüne, 9 CDUler und sagen wir 9 FDPler besteht, hat Rechtsaußen mit 8 Sitzen kein Vorschlagsrecht mehr. Auch dann nicht, wenn nach erfolgter Wahl alle Übertritte durch erneute Übertritte revidiert werden.

Unter Wahrung des Wahlergebnisses und der Vorschlagsrechte bliebe nur die Betrachtung des kleineren Übels. Einerseits beim Kandidat selbst, schließlich – und das ist ja auch das gute Recht der BVV – muss nicht jede vorgeschlagene Person angenommen werden, die eine Fraktion kürt. Als auch bei den Ämtern, die dann diesem Stadtrat übergeben werden. Das Umwelt-/Grünflächenamt ist hier ein prädestinierter Kandidat. Einerseits weil hier verhältnismäßig Kontakt zu den Menschen besteht, andererseits die Gefahren auch eher gering sind.

Zur Handhabung der verschiedenen Bezirke:

Treptow-Köpenick: In Treptow-Köpenick war bis drei Tage vor der Wahl der Bewerber den anderen Fraktionen unbekannt. Den Grünen stellte er sich gar nicht vor. Warum er in der ersten Sitzung gewählt wurde, ließ sich nur damit erklären, dass die anderen Fraktionen auch die weiteren Posten wählen wollten. Das Bezirksamt kann erst mit drei Personen konstituieren, dummerweise stand Rechtsaußen der dritte Platz zu und hätte die weiteren Wahlen blockieren können.

Schockierend ist, dass selbst im ersten Wahlgang der Kandidat mehr Stimmen erhielt, als Rechtsaußen anwesend war. Im dritten Wahlgang wurde er gewählt, weil 24 Verordnete ihren Stimmzettel vernichteten.

Reinickendorf: Noch schlimmer war es in Reinickendorf, wo Rechtsaußen im ersten Wahlgang mit 27 Stimmen gewählt wurde (während Rechtsaußen nur 8 hatte).

Marzahn-Hellersdorf: Hier wurde Rechtsaußen im dritten Wahlgang gewählt, aber erst da erhielt er mehr Stimmen als Rechtsaußen-Anwesende.

Pankow: Die vorgeschlagene Person war am 11. November auf einer Demo gegen „illegale Masseneinwanderung” zugegen und dadurch aufgefallen, dass sie dem in Clown verkleidenten Moderator der heute show die Perücke vom Kopf riss (bei 3:30):

SPD und Grüne lieferten gute Gründe, die in der Person liegen:

Er hat uns nicht glaubwürdig klarmachen können, dass er das verantwortungsvolle Amt ausfüllen kann

… und wählten die Person in vier Wahlgängen nicht. Daraus entstand das oben genannte Zitat der Rechtsprüfung und ein Ausspruch eines Rechtsaußen-Pressesprechers:

Wir halten an Seifert fest – und wenn wir 20 Mal mit ihm antreten müssen.

Lichtenberg: In Lichtenberg kann man nur hoffen, dass die vorgeschlagene Person nicht gewählt wird, da sie bereits öffentlich durch rassistische Thesen in Erscheinung getreten ist und zudem Ermittlungen gegen Volksverhetzung laufen.

Update Lichtenberg: Da die Bürgermeisterkandidatin zweimal durchgefallen ist, kam es gar nicht mehr so weit.

Tempelhof-Schöneberg: Mit nur sechs Sitzen bleibt der BVV Tempelhof-Schöneberg schlimmeres erspart, auch nach einem abgewiesenen Antrag auf einstweilige Anordnung beim Verfassungsgerichtshof. Sie bemängelten, dass das Wahlverfahren D’Hondt zum Einsatz kam – und nicht Hare-Niemeyer. Nach diesem Verfahren stünde ihr ein Vorschlagsrecht zu (Wer sich mit Wahlrecht auskennt: aufgrund diverser Paradoxien sollte Hare-Niemeyer nicht mehr verwendet werden, lieber Sainte-Laguë).

Offen ist die Lage wohl noch in Spandau und Neukölln.

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