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Hamburg

Warum Hamburg nicht diesen Radentscheid braucht

Im ersten Teil schrieb ich, warum Hamburg einen Radentscheid (und vor allem ein Mobilitätsgesetz) braucht, in diesem Teil beschreibe ich, warum es nicht diesen benötigt.

Nach gut eineinhalb Jahren Arbeit habe ich mich aus dem Team zurückgezogen. Als einstiger Gründer spricht so eine Entscheidung durchaus Bände. Ich war auch nicht der Erste, der sich zurückgezogen hat. Auch andere in der Hamburger Fahrradszene aktive zogen sich zurück. Während ich letztes Jahr auf Weltreise war, nutzte ich die Gelegenheit, von außen auf das Team zu blicken.

Warum Hamburg einen Radentscheid braucht

(Radentscheid = Volksentscheid zur Verbesserung des Radverkehrs)

Dies ist der erste Teil. Der zweite Artikel trägt den Titel: Warum Hamburg nicht diesen Radentscheid braucht. Und im Dritten erläutere ich die Ziele.

Vielleicht hat es der eine oder andere schon mitbekommen: meine Wege führten mich Ende 2016 nach Hamburg. Daher endete auch meine aktive Mitarbeit beim Volksentscheid Fahrrad in Berlin. Allerdings war in meinem Koffer die Idee, so einen auch in Hamburg anzustoßen. Aus Gründen! Mit dem Beitrag möchte ich einiges zur Motivation sagen, zu meiner bisherigen Einschätzung und was ich aus Berlin mitgenommen habe.

Mit dem Rad zur Arbeit

Als es nach Hamburg ging, stand auch die Wahl des passenden Verkehrsmittels zur Debatte. Diese war in Berlin sehr einfach, da ich mit dem Fahrrad binnen 5 Minuten in der Firma war. In Hamburg beträgt die Strecke derzeit ca. 20 Kilometer.

Dass der öffentliche Nahverkehr in Hamburg schon extrem grenzwertig ist, ist kein Geheimnis. Wenn es über die Elben geht, dann erst Recht, da vor allem beim Bau der S3 viele Unterwegshalte geschlossen worden sind. Das hieße dann ab Rathaus Harburg oder Harburg mit dem Bus weiter.

Multimodal mit Stadträdern kann man in Harburg dann auch vergessen, da die Stationsdichte einfach unzureichend ist.

Multimodal mit eigenen Rad kann man auch vergessen, da es Sperrstunden im Berufsverkehr (von der Überlast mal ganz zu schweigen) gibt.

Mit dem Artikel möchte ich die Strecke mit dem Fahrrad aufzeigen. Ja, es geht. Es dauert auch gut eine Stunde. Es gibt schöne Bereiche, vor allem zwischen S Veddel und Alter Harburger Brücke. Aber es gibt auch lästige Bereiche.

Im groben habe ich den Weg auf dieser Skizze aufgezeigt:

U-Bahnhof Ritterstraße. Nur halb barrierefrei.

Der U-Bahnhof Ritterstraße wird im Juli barrierefrei ausgebaut – so kündigt es die Hamburger Hochbahn an – und klopft sich damit auf die Schulter, wie toll sie diese Stadt doch für Menschen ausbauen, die auf Fahrstühle angewiesen sind. Sie nennt es das große Lift-Programm und „leisten einen wichtigen Beitrag zur gesellschaftlichen Teilhabe von mobilitätseingeschränkten Mitbürgern und Gästen”. Gefördert wird es von der Stadt Hamburg. Zwei Wochen wird der U-Bahnhof voll gesperrt. Kein vernünftiger Pendelverkehr, nur Schienenersatzverkehr. Danach wird der Bahnhof eine Rolltreppe weniger und zwei Aufzüge mehr haben.

Ein (Verkehrs-)Schild sagt mehr als Tausend Worte

Dieses Schild sagt sehr viel über Hamburg aus. Und wie dilettantisch hier Verkehrspolitik gemacht wurde. Und leider immer noch gemacht wird:

Dieses Schild befindet sich an der Wandsbeker Allee – direkt an der Brücke über die Wandse. Entlang der Wandse führt ein Gehweg. Vermutlich ist es ein gemeinsamer Geh&Radweg, die Beschilderung ist rar. Vom Zentrum kommend ist dieses Schild das erste Indiz, dass der Weg wohl auch für Radverkehr vorgesehen ist. In den weiteren Abschnitten in Richtung Rahlstedt ist das eindeutiger auch für Radfahrer gekennzeichnet.

Ich kann mir sehr gut vorstellen, wie die Planung damals in den 70er Jahren von statten ging, als der Ring 2) geplant wurde.

Bist du des Wahnsinns? Du kannst doch hier nicht die Fahrbahn anheben und den Weg unten drunter durch planen. Die Kosten!!! Die Straße ist so schon teuer genug. Die Leute sollten gefälligst Auto fahren.

Das dürfte wohl auch die Erklärung sein, warum es auch keine Ampel an dieser Stelle gibt.

Immerhin wurde für Fußgänger ein enger Tunnel errichtet, der ungemütlicher kaum sein kann – und Radfahrer ebenso ausschließt wie beispielsweise Kinderwägen.

Ich habe ne bessere Idee: Zwei Schilder.

Eine ebenerdige Querung der vier Fahrspuren ist kaum zu empfehlen. Aufgrund leichter Kurvenlage ist die Straße schwer einsehbar, zudem dürfte auf diesem Abschnitt das geltende Tempolimit nur selten eingehalten werden.

Aber – wie das Schild zeigt – gibt es eine Ampel. In nur 150 Metern Entfernung. Also 300 Meter Umweg für diesen Irrsinn. Je Richtung! Das bemerkenswerte ist hier:

  • Die jeweiligen Abschnitte bis zur Ampel gelten als Zweirichtungsradwege, sind aber kaum breiter als übliche Radwege.
  • Würde man das Zeichen korrekt befolgen, soll man sogar drei Straßen queren – anstelle von nur einer (denkt da niemand nach)?
  • Die Ampelanlage selbst ist ohne Radfahrer-Signal – und funktioniert als Bettelampel. Ausrollend auf die Phase warten ist nicht: du musst den Taster rechtzeitig drücken.

Aber es ist ja nur eine Kreuzung. Eine Kreuzung, wo man mit wenig Aufwand vor einigen Jahrzehnten etwas vernünftiges hätte bauen können. Und deren Fehlplanung auch nicht so ohne weiteres sich ausmerzen lässt. Aber es ist typisch. Für ganz Hamburg.

Lösungen am Elbstrand

Ich versuche mal, die Debatte rund um den Elbstrand zu versachlichen. Dazu zoome ich mal aus der Problematik rund um den Elbstrand raus – und betrachte die Gesamtstrecke zwischen St. Pauli Fischmarkt und Teufelsbrück. Zwischen beiden Punkten liegt eine Differenz von 5,8 Kilometern.

Warum wähle ich willkürlich diese beiden Punkte aus? Nun ich betrachte weniger den innerstädtischen Radverkehr, sondern viel mehr den Ausflugsverkehr. Sprich: Leute, die im Zentrum von Hamburg starten und dann bis Wedel oder Glücksstadt – oder noch viel weiter radeln. An beiden Punkten treffen sich die elbnahen Wege mit den möglichen Alternativstrecken Elbchausee / Palmaille.

Dazwischen gibt es zwar Möglichkeiten, die Strecken zu wechseln. Aber sie zeichnen sich durch steileres Gefälle, Serpentinen und mitunter Treppen aus.

Gegenwärtig verläuft der offizielle Elbradweg entlang der Elbe. Im Bereich der Övelgönne führt er direkt drauf, ist dort aber reiner Fußweg. Es ist schwer vermittelbar, dass ein Fernwadweg über einen Fußweg geführt wird. Das führt immer wieder zu unschönen Konflikten. Dabei handelt es sich nur um einen Abschnitt von ca. 1,1 Kilometer.

Nun ist also die naheliegste Idee, diesen Abschnitt direkt über den Strand zu überbrücken. Das ganze ist natürlich nicht einfach. Die baulichen Herausforderungen listen die Gegner eines Strandwegs gerne sehr detailliert auf. Worüber sie weniger gerne reden: die Alternativen. Fragt man genauer hin, werden zwei Straßennamen genannt:

  • Elbchaussee
  • Barnadottestraße

Und die schauen wir uns nun genauer an.

Elbchaussee

Die Variante Elchaussee umfasst konkret folgende Straßenzüge: St. Pauli Fischmarkt, Breitestraße, Palmaille, Klopstockstraße, Elbchaussee.

An beiden Enden gibt es einen moderaten, ordentlichen Anstieg. Aber dennoch ein Anstieg, der radelbar ist. Die Streckenführung ist geradlinig und stetig. Gegenwärtig gibt es auf kaum einen Segment davon Radinfrastruktur, obwohl sie zumindest auf Teilen auch Bestandteil der (innerstädtischen) Velo-Route 12 ist.

Fahren wir gedanklich die Strecke einmal von Osten nach Westen ab:

  • Im Bereich von St. Pauli Fischmarkt gibt es bauliche Radwege. Diese wären nur zu erneuern.
  • Die Radwege vom Fischmarkt lösen sich auf. Hier muss (unabhängig von der Elbstrand-Frage) allein schon wegen der Velo-Route 12 eine Lösung her. Die Straße weist hier vier Fahrspuren auf, am Fahrbahnrand wechseln sich Bäume mit parkenden Autos. Die Gehwege sind schmal. Unter der Prämisse, dass Bäume erhalten bleiben sollen, kann hier nur eine Fahrspur je Richtung umgewandelt werden.
  • Im Bereich der Palmaille ist das ganze einfacher. Hier gibt es in Fahrtrichtung Ost zwei Streifen, auf denen einer Stehzeuge ruhen. Dies ließe sich direkt umwandeln. In Fahrtrichtung West gibt es zwei Fahrspuren, zum Teil parkende Autos. Auch hier wäre das lösbar.
  • Klopstockstraße (bis Kaistraße): Keine Radinfrastruktur. Aufgrund der Parkplätze am Bezirksamt sind hier vielfältige Lösungen möglich.
  • Klopstockstraße (bis Klopstockplatz): Keine Radinfrastruktur, Straßenquerschnitt würde ausreichend breite Streifen ermöglichen.
  • Elbchaussee (bis Rothestraße): Keine Radinfrastruktur, teilweise parken Autos am Rand. Dooring-Zone
  • Elbchaussee (bis Hohenzollernring): Hier ist die Straße weitestgehend so breit, als dass zwei Fahrzeuge nebeneinander je Richtung fahren können. Die Fußwege sind sehr schmal.
  • Elbchaussee (bis Schule): Keine Radinfrastruktur, hier stehen Fahrzeuge am Rand. Viel zu schmale Fußwege. Unter Aufgabe aller Parkplätze wäre hier sogar ein guter Radweg möglich.
  • Elbchaussee (bis Himmelsleiter): Ab der Schule wird der Querschnitt enger, es fehlt der nördliche Fußweg, stellenweise parken Fahrzeuge. Auf der Südseite wäre ein guter Radweg unter Aufgabe aller Stellplätze, Fällung einzelner Bäume und Versetzung der Laternen möglich
  • Elbchaussee (bis Liebermannstraße): Hier gibt es eine Sperrfläche in Fahrbahnmitte, die an den Rand geholt werden könnte.
  • Elbchaussee (bis Halbmondsweg): Breite Fahrstreifen, größtenteils parkende Fahrzeuge am Fahrbahnrand. Hier wären gute Lösungen möglich
  • Elbchaussee (bis Teufelsbrück): Winzig schmaler Fußweg auf der Nordseite, schmaler Fußweg auf der Fußseite. Teilweise parkende Autos. Teilweise Bäume. Hier ist keine wirkliche Lösung denkbar.

Barnadottestraße

Aufgrund der schwierigen Lösung in der Elbchaussee wird nun die nächste Straße in Augenschein genommen: die Bernadottestraße.

Betrachten wir den gesamten Verlauf: Vom Fischmarkt bis zum Altonaer Rathaus auf der selben Strecke. Vor oder hinter dem Rathaus geht es weiter über Ottenser Marktplatz, Holländische Reihe und Bernadottestraße – bis Parkstraße oder Halbmondsweg.

Der Vorteil dieser Ausweichstrecke ist, dass diese Straße eine geringere Bedeutung hat – und hier durchaus die Umwandlung in eine Fahrradstraße möglich wäre.

Gegenwärtig gibt es sogar auf Teilen der Verbindung Radinfrastruktur. Auf der Südseite verläuft ein Handtuchstreifen, auf der Nordseite hat der Fußweg leichte Indizien eines Radweges. Der letzte Abschnitt ab Halbmondsweg besteht aus Kopfsteinpflaster.

Da diese Straße noch vor Teufelsbrück endet, müsste dann der letzte Abschnitt wieder über Elbchaussee verlaufen. Und genau der Abschnitt, der viel zu schmal ist.

Fazit

Aus Mangel an Alternativen bliebe nur eine Führung am Elbstrand.

Den Elbradweg komplettieren, Folge 537: Elbstrand Hamburg

Ich bin ja ein Freund von Realsatire und bin auch über so manchen Behördenirrsinn verwundert. Was extra3 aber in der letzten Sendung zum Radweg auf dem Elbstrand zeigte, ist völlig daneben. Aber schaut selbst:

Das was hier gezeigt wird, ist kein Irrsinn, sondern ein ganz normaler Vorgang. Es wird etwas geplant. Es gibt Protest. Es gibt Argumente für und gegen das Vorhaben. Und das ist abzuwägen.

Wer dies in dieser Phase bereits als Irrsinn bezeichnet – liebe extra3-Redaktion – verkennt die Bedeutung von politischer Auseinandersetzung insbesondere in der Lokalpolitik.

Der Elbradweg ist einer der bedeutenden Radwanderwege in Deutschland. Richtig. Anders als der Bericht suggeriert, hat er nicht nur am Hamburger Elbstrad Defizite. Aber gefühlt befinden sich die meisten Defizite in Hamburg. Nun soll tatsächlich eins dieser Lücken geschlossen werden. Wir müssten uns eigentlich freuen.

Ok, da wo der Weg langführen kann, gibt es Konflikte mit dem Elbstrand. Ein Nutzungskonflikt. Da gibt es Leute, die den Sand in der Elbe in Ruhe genießen wollen. Es gibt Unsicherheiten zu Veränderungen. Das verstehe ich.

Aber gibt es tatsächlich Alternativen? Die benachbarte Övelgönne ist nicht für Radfahrer zugelassen. Sie ist auch zu eng. Nun blicken alle auf die Elbchaussee. Ja, dort besteht auch Bedarf, etwas für den Radverkehr zu tun. Nur: Zwischen der Elbe und der Elbchausee besteht ein ordentlicher Höhenunterschied. Zudem wäre ein Radstreifen in der Elbchaussee eher für versierte Alltagsradler geeignet, während der Elbradweg für Radtouristen, also auch Familien, die mit Hund und Kegel unterwegs sind.

Eine Lösung, die alle zufriedenstellen kann, wird es vermutlich nicht geben. Die Mobilisierung für einen noch sehr groben Plan ist gewaltig.

Die Argumente der Bürgerinitiative sind natürlich auch zu hinterfragen. Sie betont die Bedeutung von Nacherholungsgebieten (Warum sollen Radfahrer diese nicht erreichen und durchradeln dürfen?), sie bemängeln den Preis (Das sind Peanuts im Vergleich zu dem, was für Stadtautobahnen verpulvert wird) und schätzen den Radweg als gefährlich ein (aber so ein Handtuchstreifen auf der Elbchaussee ist nicht gefährlich?). Manche Argumente sind in Anbetracht des zeitlichen Verlaufes auch fehlplatziert: sie bemängeln die fehlende technische Machbarkeitstudie (Wie auch? Das Verfahren steht am Anfang) oder kritisieren, dass ausgerechnet nun diese Lücke geschlossen werden soll.

Im Kern geht es jedoch um die Frage, ob ein Radweg hier in diesem Abschnitt realisiert werden kann und soll. Die Herzen der Radfahrer werden schlagen, die der heutigen Strandbesucher nicht. Das ist eine politische Debatte, aber es ist alles andere als realer Irrsinn.

Hasselbrook - Kein Fahrstuhl für die Regionalbahn

Am Hamburger S-Bahnhof Hasselbrook werden Aufzüge installiert:

Das ist schön. Am zweiten Bahnsteig für die Regionalbahn dagegen nicht. Beide Bahnsteige hätte man wunderbar mit einer Baumaßnahme verbinden können.

Erster Gedanke: Wie bescheuert ist diese Deutsche Bahn?

Zweiter Gedanke: Wird der Bahnhof im Zuge der Inbetriebnahme der S4 eingestellt?

Also frage ich bei der Deutschen Bahn einmal nach:

Auf eine zusätzliche Sanierung des Regionalbahnsteiges in Hasselbrook wurde verzichtet. Als Hauptgrund ist der geplante Ausbau der S4 zu nennen.

Da werden über 600 Mio Euro für eine längst überfällige weitere S-Bahn-Linie investiert. Und dann dürfen mobilitätseingeschränkte Menschen an dieser Station nicht zwischen den Verkehrsmitteln wechseln!

Das ist ein Schildbürgerstreich erster Güte!