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Milieuschutz - Wirksam oder unwirksam?

Am 10.12.2016 führte die Berliner Mietergemeinschaft eine Podiumsdiskussion zum Thema Milieuschutz im Haus der IG Metall durch. Ich wurde eingeladen, um über die Erfahrungen von Alt-Treptow zu reden. Meine Worte will ich hier nicht wiederholen – die sind auch in meiner Chronologie enthalten, ansonsten gibt es auch ein Videomitschnitt. Mein persönliches Highlight war, dass u.a. nach meiner Schilderung des Verhaltens der SPD es selbst dem Vertreter der SPD sich für das Verhalten seiner Parteigenossinnen und Genossen entschuldigt.

(Anmerkung: Drei Monate ist reichlich spät – aber ich habe es nicht eher geschafft, den Artikel abzuschließen. Trotzdem ist das Thema zeitlos.)

Die Debatten dazu waren durchaus kontrovers – und möchte hier mal noch einige Gedanken machen.

  • Milieuschutz ist – und das wurde auch deutlich gemacht – ein baurechtliches Instrument. Es verhindert keine teuren Mieten. Es verhindert nur, dass aus Wohnungen höherwertige Wohnungen werden, für die in der Regel auch eine höhere Miete zu entrichten ist. Neben der Verhinderung von bestimmte Formen der Sanierung sowie des Abrisses, entsteht auch für die Kommune ein Vorkaufsrecht. Milieuschutz hat weder etwas mit Mietrecht, noch mit Sozialrecht zu tun. Das war den Initiatoren des Einwohnerantrages in Alt-Treptow bewusst.
  • Milieuschutz ist eines der wenigen Instrumente, die in Berlin auf Bezirksebene angewandt werden können. Damit die Bezirke dies aber tun können, brauchen sie auch auskömmliche Finanzmittel. Dank SPD wurde daraus in Alt-Treptow ein volles Legislaturprojekt.
  • Bei der Abwägung, welche Instrumente angewendet werden, sollte nie die Frage sein, ob andere Instrumente erfolgversprechender sind oder sein könnte. Insbesondere dann nicht, wenn die anderen Instrumente auf Landes- oder Bundesebene liegen und auf die kein unmittelbarer Einfluss besteht. Natürlich müssten zu allererst einige Paragrafen im BGB verändert werden – aber das wird bei der derzeitigen Bundesregierung nicht passieren. Leider. Sollen wir das Recht deshalb außen vor lassen?
  • Milieuschutz soll ein bestimmtes Gebiet schützen. Ein Milieuschutz für eine gesamte Stadt (was einige Teilnehmer forderten) ist sehr schwer städtebaulich begründbar. Und diese Begründung ist ja nicht nur politischer Wunsch, sondern muss auch gerichtlichen Auseinandersetzungen stand halten. Die Wirkung erzielt er in Gebieten, in denen der Wohnraum so ist, dass er saniert oder abgerissen werden kann.
  • Nichts gegen Demos, Aufrufe und Appelle gegen Mieterhöhung: die Staatsform wird nicht am Mietrecht festgelegt.

Einige weitere Gedanken:

  • Ich bin liberal eingestellt und würde am liebsten einen unregulierten Mietmarkt haben. Also einen Mietmarkt, bei dem Mieter und Vermieter auf Augenhöhe reden und verhandeln können – und das für alle Einkommensklassen und Wohnungstypen. Wenn dies erfüllt ist, sind Vermieter gezwungen, auch wirtschaftlich und im Sinne der Mieter zu handeln – und genau dann würden auch die BGB-Paragrafen zur Modernisierung so funktionieren, wie sie gedacht sind. Sprich: Bei einer überdimensionierten Sanierung würde dem Eigentümer Leerstand drohen und folglich auf Kosten sitzen bleiben. Aktuell bewirkt sie ja, dass er aktuelle Mieter aus der Wohnung gedrängt wird, um sie dann teurer wieder zu vermieten.
  • Mir ist klar, dass dies ein nahezu unerfüllbares Optimum ist. Trotzdem halte ich Impulse in diese Richtung für sinnvoll. Das wichtigste: wir brauchen einen ausgeglichenen Mietenmarkt. Also ein Markt, auf dem sich Angebot und Nachfrage ausgleichen. Sprich: die Anzahl der Wohnungen (abzüglich einer Fluktuationsreserve) entspricht dem Bedarf an Wohnungen.
  • Solange Zuzug oder Wegzug in einzelnen Gebieten dominiert, ist dieser Markt nicht im Gleichgewicht. Staatliche Impulse zur Gegensteuerung der Wanderungsbewegungen sind für den Mietenmarkt hilfreich, jedoch in einem freiheitlichen Land mit Wohnsitzwahl nicht handhabbar. Es wäre ein Armutszeugnus, würde die Stadt einen Aufruf starten wie: “Bitte zieht nicht hier her!”.
  • Wo zu wenig Wohnraum existiert, hilft nur Neubau. Neubau da, wo Wohnraum auch nachgefragt und benötigt wird. Nicht da, wo zufällig noch ein freier Acker gefunden wird (Natürlich wirft dies viele Fragen auf wie soziale Infrastruktur, Nahverkehr, Freiflächen, Anwohnerwünsche zur Umfeldgestaltung, … – Neubau muss dafür auch Antworten liefern.)
  • Instrumente wie Milieuschutz oder Mietpreisbindung sind notwendige Instrumente für Gebiete, in denen der Mietmarkt angespannt ist. Das trifft leider auf immer mehr Gebiete zu. Und das wird in Berlin noch zu wenig angewandt.

Mein Fazit ist daher: Da ist noch viel mehr Potential nach oben.

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