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Ein Abgang mit Ansage - Abschaffung der BVV?

Vor drei Wochen hat Katja Dathe sehr medienwirksam ihr Mandat in der Bezirksverordnetenversammlung Mitte niedergelegt. In einem dafür eingerichteten Weblog schildert sie ihre Beweggründe.

Ähnlich meines 'Schicksals' wurde sie auch einst überzeugt, als Nachrückerin auf die Liste zu kandidieren — mit dem Ergebnis, dass am Ende der Liste ein Platz unbesetzt blieb. In der Hinsicht ist ihr Rückzug — gegenüber dem Nullfall — kein Verlust. Sie hat niemanden daran gehindert.

Ich kann viele Punkte ihrer Erklärung nachvollziehen. Nur ein Punkt stößt mich auf: die Abschaffung des sogenannten »Bürokratiemonsters« namens Bezirksverordnetenversammlung?

Die Piraten in Mitte konnten sich mit der Gründung eines Ausschusses für »Transparenz und Bürgerbeteiligung« durchsetzen, in dem Katja sogar zur Vorsitzenden gewählt geworden ist. Zusammen mit dem Hauptausschuß sind das die besten Voraussetzungen, eines der wichtigsten Wahlkampfthemen anzupacken: Transparenz und Bürgerbeteiligung! Wie bringe ich das, was in der bezirklichen Verwaltung passiert an die Bürger — und wie kann ich sie teilhaben lassen?

Die Abschaffung der BVV zu fordern, halte ich für falsch. Wir brauchen die förderative Gewaltenteilung. Wir brauchen dringend eine Reform des Bezirksverwaltungsgesetzes. Wir brauchen autonome Bezirke. Bezirke, die sich selbst gestalten. Bezirke mit eigener Haushaltshoheit. Bezirke, die in etwa den selben Status wie kreisfreie Städte haben. Von mir aus auch Bezirke, die ihre Gewerbesteuerhebesätze selbst festlegen können. Und dazu braucht es ein Gremium, was Anträge stellt — und nicht nur Wischi-Waschi-Ersuchen-und-Empfehlungen. Und wir brauchen ein Land, Berlin, was die Spielregeln vorgibt.

Die Bezirke dürfen zwar ihren Haushalt beschließen, letztendlich beschließt es das Abgeordnetenhaus noch einmal. Und die streichen, ich hab es nun einmal miterlebt, sämtliche vor Ort erkannten Haushaltsrisiken aus dem Plan. Da stellt man sich durchaus die Frage, warum man dann auf unterster Ebene noch Hirnschmalz einfließen lassen soll. Für die meisten Posten im Haushalt braucht es noch nicht einmal einen Haushalt, da sie zum einen vorgegeben, zum anderen auch nachträglich korrigiert werden (»Basiskorrektur«). So zum Beispiel bei Sozialleistungen: Mehr Empfänger, mehr Ausgaben, mehr Einnahmen. Andererseits haben die Bezirke keinerlei Anreize, aus eigener Kraft Verbesserungen für die Bürger zu erzielen. Würden wir es durch lokale Maßnahmen schaffen, mehr Leute in Brot und Butter zu versetzen, so haben wir weniger Empfänger, weniger Ausgaben, weniger Einnahmen. Und von den zusätzlichen Gewerbesteuereinnahmen sieht ein Bezirk gleich gar nichts. Aber es ist Aufgabe der Bezirke, Wirtschaftsförderung zu betreiben. Damit im nächsten Schritt all das, was wirtschaftsfördernd und in gewisser Weise prestigeträchtig sein könnte (in Treptow-Köpenick ist es vor allem das WISTA-Gelände in Adlershof) zur Chefsache erklärt wird und fachlich aus den Aufgaben der Bezirke ausgegliedert wird.

Der Bezirk Mitte hat es da besonders schlimm getroffen. Zum einen gibt es da noch nicht einmal einen Haushalt, im Wege einer Ersatzvornahme wird ein Nothaushalt gleich vom Senat festgesetzt. Zum anderen gibt es zu viele prestigewürdige Orte, auf die Wowereit nur zu gerne die Finger hält.

An dieser Stelle frage ich mich durchaus, was ein Liquid-Democracy-System, wie es Katja vorschlägt, bringen soll. Die Piraten sammeln in zwei Bezirken überhaupt erst einmal Erfahrungen mit der bezirklichen / kommunalen Ebene. Wenn man selbst die Probleme auf Landesebene betrachtet, bspw. Massendelegationsketten, Klarnamendebatte, Anzahl der Teilnehmenden, so stehen die Hausaufgaben bei uns selber an. Und dann soll dieses System nicht nur der Meinungsbildung dienen, sondern für die Bezirksverwaltung verbindliche Entscheidungen herbeiführen, die sogar über die Wischi-Waschi-Ersuchen-und-Empfehlungen von heute hinausgehen?

Das halte ich nicht für richtig!

Das erwähnte Friesland nutzt das übertragene »LiquidFriesland« nur zur Entscheidungshilfe für die dortigen Mandatsträger (siehe Projektbeschreibung). Wenn die Erfahrungen da positiv sind und es einigermaßen in den Haushalt (und damit meine ich auch das Personal) gegossen werden kann, so sollten wir das in Berlin raubmordkopieren.

Bisherige Kommentare (1)

Kommentar von Nini

Mir ist ehrlich gesagt nicht ganz klar, warum die Bezirke unbedingt mehr Autonomie brauchen. Berlin wie Hamburg sind Stadtstaaten und klein genug, dass die linke Hand wissen muss, was die rechte tut. Es ist doch eine Stadt! Beide Hände (die Bezirke) müssen übergeordnet gesteuert werden, nämlich durch den Senat / die Fachbehörden. Das kann der nur, wenn er die entsprechenden Befugnisse hat ... die Ansiedlung von Großunternehmen gehört meines Erachtens dazu.

Man kann im kleinen Rahmen sicher mehr Haushaltsautonomie geben, aber die großen Sachen sollten weiterhin durch den Senat bewegt werden.

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