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Homepage von René Pönitz

Nichtwählen

Am Sonntag, den 15.05., wählten die Menschen in Nordrhein-Westfalen einen neuen Landtag. Aber es wählten nicht alle mit: lediglich 55,54% der wahlberechtigten Menschen haben tatsächlich ihre Stimmen abgeben. Das ist der Tiefstwert in der Geschichte des Landes.

Sofort gibt es fragwürdige Meldungen: die niedrige Wahlbeteiligung hätte der SPD geschadet. Marius Sixtus rechnet aus, wie mit einer höheren Wahlbeteiligung weniger Parteien im Parlament vertreten wären:

55 Prozent Wahlbeteiligung in #NRW. Shame in you! Mit fünf Prozent mehr hätte man die beiden FD-Parteien aus dem Landtag werfen und Rot-Grün klarmachen können.

Und laut einer Bertelsmann-Studie soll ein Großteil der Aufassung sein, die Parteien und Politiker würden doch machen, was sie wollen. Immerhin unterscheidet der Artikel vier Arten von Nichtwählern:

  • aus Krankheits- oder anderen Hinderungsgründen

  • aus bildungsfernen und einkommensschwachen Schichten, die sich bisweilen auch gar kein politisches Urteilsvermögen zutrauen.
  • die je nach Wahl entscheiden, ob sie ihnen wichtig genug ist, um teilzunehmen.
  • politisch interessiert, wählt aber aus Protest nicht.

Wir haben keine Wahlpflicht, aber aus meiner Sicht gibt es kein wirkliches Nichtwählen. Jede Person, die bei einer Wahl keinen gültigen Stimmzettel ausfüllt, delegiert automatisch das eigene Stimmgewicht an die jeweilige Mehrheit. Das ist in einer Demokratie ein legitimes Mittel – und wer genau das tun wollte, hat zumindest diese Option richtig eingesetzt. Das wären vor allem die oben zitierten Gruppen No. 2 und 3. Mir wäre dieses blinde Vertrauen jedoch zu gefährlich, insbesondere wenn demokratiefeindlich gestimmte Parteien zu starken Zulauf erfahren könnten.

Kommen wir aber zur vierten Gruppe: wer aus Protest, Frust oder Politikverdrossenheit der Wahl fern bleibt, schneidet sich im Grunde ins eigene Fleisch und liefert selbst den Nährboden für künftige Unzufriedenheit. Denn damit werden die offensichtlich starken Parteien weiter bestätigt. Und wenn in den letzten Wahlen die Stimmen für CDU/CSU, SPD und FDP jeweils eine Mehrheit erfährt – warum soll sich dann in diesem Land etwas zum Positiven verändern? (Und nein, braune Parteien verändern auch nichts zum Positiven)

Wenn diese Politikverdrossenen eine Hoffnungswahl machen – und ein Kreuz bei einer beliebigen (nichtbraunen) sonstigen Partei macht, ist es sehr wahrscheinlich, dass diese Stimme durch die Demokratieverstümmelung. (So nannten die Grünen einst die Sperrklausel) zwar nicht zu Mandaten führt. Aber es hat mehrere positive Nebeneffekte:

  • die Balken für die Sonstigen Parteien wächst. Das allein ist eine Botschaft. Die Regierungsbildende Koalition vertritt keine Mehrheit.
  • die etablierten Parteien haben Angst – nämlich, dass eine dieser Parteien den Einzug schaffen könnte. Was waren damals alle aus dem Häuschen, als die Piratenpartei ins Berliner Abgeordnetenhaus einzog? So ein Quatsch wie die Chatkontrolle wäre im Jahre 2012 undenkbar gewesen.
  • bei der Parteienfinanzierung auch die kleineren Parteien etwas bekommen (ab 1% auf Landesebene, 0,5% Bundesebene)
  • und wenn die Sonstigen so stark ansteigen, ist es auch ein gutes Argument, dass diese Sperrklausel zu Fall gebracht wird.

In soweit kann ich nur ermutigen, zur Wahl zu gehen.