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BAföG-Reform

Wenn ich mich an meine Studienzeit zurück erinnere, so wurde es ziemlich Dunkel am Himmel der Wissenschaft. Zum einen gab es in Sachsen Spardiktate seitens der Landespolitik zum Abbau von Lehr- und Forschungspersonal an den Hochschulen. In anderen Bundesländern wurden Studiengebühren in unterschiedlichsten Ausprägungen eingeführt. In den Reihen der CDU wurden immer wieder Stimmen laut, das BAföG gänzlich abzuschaffen – Studenten können auch vollverzinsliche Darlehen der KfW-Förderbank in Anspruch nehmen. Und über die ganze Reformierung zu Magister und Bakkalaurus möchte hier nicht weiter eingehen.

Das BAföG war jedenfalls eine gute Hilfe. Es hatte seine Macken. Und manche waren für manchen Studenten schmerzvoll. Das BAföG sollte Studenten ermöglichen, zügig zu studieren – eben weil man nicht nebenbei jobben muss, um über die Runden zu kommen.

Die Berliner Piraten diskutieren, wie man das BAföG reformieren könnte. Als Werkzeug soll, je nach Ausgang der Abstimmung, die Piratenfraktion im Abgeordnetenhaus einen Antrag für eine Bundesratsinitiative stellen. Und mir gehen manche Forderungen zu weit. Aber der Reihe nach.

Die folgenden Punkte sollen meiner Meinung nach angepasst werden:

  • Elternunabhängiges BAföG für alle (Bisher bekam nach §11 nur derjenige elternunabhängiges BAföG, der entweder zu Beginn des Ausbildungsabschnittes über 30 Jahre alt ist oder zuvor mehrere Jahre von seinen Einkünften leben konnte. Damit waren oft viele schwerwiegende Fälle vernunden. Nichtkooperierende Eltern, manchmal waren es selbständige Eltern. Und schwer nachvollziehbar ist nicht unbedingt, warum ein 32-Jähriger beispielsweise noch bei seinen Eltern anklopfen muss.
  • Ausgleich zwischen den Einkunftsarten (Insbesondere mit elternabhängigen BAföG war es ein Problem, wenn Eltern in einer Einkunftsart Gewinn, in einer anderen Verlust machten. Läuft das Gewerbe mau, während die Mieteinnahmen sprudeln, geht der Student mitunter leer aus, obwohl die Eltern nix haben. Betrifft §21.)
  • Kein Höchstalter (Das Höchstalter ist nach §10 auf 30 bzw. 35 Jahren gesetzt. Aber nur, wenn nicht unmittelbar davor die Zugangsvoraussetzung erworben wurde. Wer mit 18 Abitur machte, geht dann irgendwann leer aus. Wer es mit 50 Jahren nachholt, durfte schon damals studieren. Grundsätzlich sollte es auch möglich sein, im höheren Alter noch ein Studium aufzunehmen).
  • Auch ein weiteres Erststudium (Gefördert wird nach §7 nur das erste Studium. Im Rahmen der letzten Reformen wurde eine Ausnahme für den Magisterstudiengang als Aufbau eines Bakkalaureusstudiengang eingebaut. Nun ist nicht wirklich sichergestellt, dass Absolventen mit ihrem erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten das Renteneintrittsalter erreichen werden.
  • Vorläufiges BAföG bei Verzögerungen im Amt (Wenn das Amt nicht aus der Knete kommt und den Bescheid binnen 6 Wochen genehmigt bzw. binnen 10 Wochen zahlt, so gibt es nach §51 derzeit vorläufiges BAföG für vier Monate in Höhe von 360 Euro – allerdings nur beim Erstantrag. Für den Folgeantrag müssen nach §50 die Unterlagen zwei Monate vor Ablauf des Bewilligungszeitraumes gezahlt werden. Diese Regelung kann zu Härtefällen führen, derzeit hat Berlin ein akutes Problem. Dies wäre fixbar, wenn der Bedarfssatz vorläufig bis zur Antragsbescheidung gezahlt wird, wenn nicht binnen sechs Wochen eine Zahlung erfolt – für Erst- und Folgebescheide.)
  • Option des Teilzeitstudiums (Ob man will oder nicht: das Teilzeitstudium wird stärker in Mode kommen, in anderen Ländern absolut nicht unüblich. Das BAföG ist aber nur auf den Stand, dass das Studium im Vordergrund stehen muss. Das schließt Teilzeitstudenten völlig aus)
  • Anpassung der Bedarfssätze (Hier vor allen die Unterkunftskosten, die regional sehr unterschiedlich ausfallen können)
  • Reformierung des Leistungsnachweises (Gemäß §9 schenkt der Staat den Studenten Vertrauen, dass er das Studium auch zielstrebig verfolgt. Lediglich ein Leistungsnachweis wird zum 5. Fachsemester gemäß §48 gefordert. Dieser hat es mitunter in sich, ist auf Magister und Bakkalaurus noch nicht eingestellt)
  • Erweiterung der Förderungshöchstdauer (In der Regel ist ein Studium in der sogenannten Regelstudienzeit kaum zu schaffen, teilweise ist es aus organisatorischen Gründen nicht möglich, z.B. wenn Lehrveranstaltungen zur selben Zeit stattfinden.)

Die Geister scheiden sich insbesondere bei den unteren beiden Aspekten. So gehen die Forderungen zu weit, den Leistungsnachweis gänzlich abzuschaffen und die Förderdauer beliebig lang auszudehnen. Damit habe ich ein Problem.

Der Leistungsnachweis verursacht massive Probleme, kein Zweifel. Ich sehe das größte Problem im Moment darin, dass man sich das im BAföG einfach machen wollte und die Verantwortung der Leistungsnachweise an die Hochschulen übertragen hat. Die Hochschulen haben ihre Spielregeln, wann sie den Leistungsnachweis erteilen und wann nicht. An meiner Hochschule durfte eine Prüfung offen sein, um ihn zu erhalten. Andere mussten alles haben. Hier sollte es meiner Meinung nach angemessene Toleranzen geben – etwas Studienverzug ist immer möglich. Im Zweifel gewährt man den Gremiensemesterbonus an alle. Ein anderer Ansatz wäre eine Quote an Prüfungen, an denen teilgenommen werden musste – dann regelt es die Zwangsexmatrikulation.

Mit der gänzlichen Abschaffung würde es überhaupt keinen Nachweis geben, dass der Geförderte noch studiert. Und dann soll in dem Zusammenhang die Förderdauer beliebig verlängert werden. Bei einem Bedarfssatz oberhalb der Grundsicherung.

Natürlich gibt es tausend Gründe, warum sich ein Studium verzögert. Und es gibt mit Sicherheit auch Gründe, die im Hochschulbetrieb liegen. Es mag persönliche Härtefälle geben, Pflegefälle, Schwangerschaften oder auch ehrenamtliches Engagement. Die meisten dieser Punkte sind bereits berücksichtigt. Beim ehrenamtlichen Engagement leider nur, wenn dies innerhalb des Hochschulbetriebs stattfindet.

Wir haben massive Probleme im Sozialsystem in Deutschland, kein Zweifel. Aber BAföG kann nicht die Lösung für all diese Probleme sein. So in der Form schafft es Anreize, sich mit einer formellen Immatrikulation die Sorgen rund um die Grundsicherung zu entgehen und vergleichsweise komfortables BAföG in Anspruch zu nehmen. Und das sind dann nicht mehr Aufgaben, für die das Bildungsetat des Landes aufkommen sollte.

Natürlich sollte BAföG perspektivisch durch das Bedingungslose Grundeinkommen (BGE) ersetzt werden. Aber bitte nicht das BGE durch die Hintertür im BAföG implementieren. Denn das wäre ein Anreiz, dass sich Leute an Hochschulen einschreiben und Studienplätze belegen, obwohl sie eigentlich nur dem Sozialämtern entfliehen wollen.

Zuletzt sollte man betrachten, dass das ganze eine Bundesratsinitiative ist. Und man kann sich sicherlich vorstellen, wie genau diese beiden Punkte für Zündstoff insbesondere bei den anderen Fraktionen sorgen wird, die für eine Mehrheit im Abgeordnetenhaus benötigt wird. Es wäre zum jetzigen Zeitpunkt viel gewonnen, wenn wir die anderen Punkte durch bekommen würden.

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