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Causa Hinz

Es muss dieses Sommerloch sein, dass wieder einmal ein Einzelpolitikerschicksal so hoch puscht. Eigentlich wollte ich dazu auch nichts schreiben, aber da die SPD das Thema nun seit Tagen befeuert, bitte sehr.

Die Noch-SPD-Politikerin Petra Hinz hat ihren Lebenslauf um ein Abi und ein Jura-Staatsexamen ergänzt. Dies fiel nach 11 Jahren Bundestag so rein zufällig mitten in den parteiinternen Wahlkämpfen der kommenden Listenaufstellungen auf.

Ich kann und will mir zu dem Vorfall kein abschließendes Urteil bilden, wohl aber zur öffentlichen Jagd auf diese Person.

Als Auftakt gab es einen Offenen Brief von einem ihrer ehemaligen Angestellten, der ihr einen unwürdigen Führungsstil und Mobbing attestierte. Von außen kann der Vorwurf nicht überprüft werden und natürlich gibt es eine Gegendarstellung. Letztendlich ist das aber nur die Frage, ob das Motiv nun vorgeschobener Auslöser oder eine reine Schmutzkampagne ist. Nun folgt Phase 2.

Doch wie schwer liegt eigentlich dieses Vergehen? Ist es in etwa vergleichbar mit den Plagiatsvorwürfen von Guttenberg, Shavan und Co? Ich denke nicht: Der ergaunerte Doktortitel ist Namensbestandteil und wird bei jeder Nennung vermittelt. Ihre beiden Ergänzungen nicht. Ich wette, die meisten Menschen aus ihrem Wahlkreis Essen-Werden werden ihr Berufsbild nicht gekannt haben. Oder wissen sie, welche Abschlüsse ihr Wahlkreisabgeordneter hat? Die Abschlüsse sind auch nicht nötig, um politische Mandate wahrzunehmen. Aber mitunter nötig, um in unsozialen Parteien gewisse (nicht niedergeschriebene) Erwartungen zu erfüllen.

Damit möchte ich nicht sagen, dass eine gefälschte Vita in Ordnung ist, aber die Schwere ihres Vergehens ist doch überschaubar.

Doch schauen wir uns die Haltung der SPD an. Diese Frau war über 3 Jahrzehnte (!) für die SPD auf verschiedenen Ebenen tätig. Sie hatte für ihr Engagement den Spitznamen Petra Überall und die SPD würdigte ihre Arbeit in der Form, dass sie mehrfach für den Stadtrat und anschließend für den Bundestag nominiert wurde – und muss dazu nun stehen! Ich weiß, dass muss nicht immer eine ernstgemeinte Wertschätzung sein, da spielen häufig auch Seilschaften wie der Seeheimer Kreis eine Rolle.

Das fiktive Abi hat sie mit 22 abgelegt. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie bereits Parteiämter inne und war also aus Sicht ihrer Partei niemand Unbekanntes mehr. Entweder der Startschuss der gefälschten Vita war eine verspätete Jugendsünde – oder die Ergänzungen wurden später gemacht. Doch dann gab es in jedem Fall viele Mitwissende, die ja gegenwärtig auch geleugnet werden. Ist die gefälschte Vita einmal im Umlauf, kann sie ohne Gesichtsverlust nicht mehr korrigiert werden.

Und was macht die SPD nun mit der Panne? So als wäre 3 Jahrzehnte nichts gewesen, drängt und nötigt sie zum Mandatsverzicht, zuletzt mit einem 48h-Ultimatum. Loswerden um jeden Preis, egal was das Grundgesetz sagt. Doch Abgeordnete sind nur ihrem Gewissen verpflichtet.

Auch die Berichterstattung ist obskur. Aus der Fülle der Artikel greife ich den Focus heraus. Da schnüffeln sie in ihrer Privatsphäre herum und rechnen aus, welche Gelder ihr noch zustehen. Doch was ist, wenn sie weiterhin ihr Mandat wahrnimmt und die politische Arbeit fortsetzt?

Vermutlich wäre es klüger für die SPD gewesen, den Fall auf kleiner Flamme zu kochen. Mal ehrlich: in einem Jahr ist ohnehin wieder Wahl, bei der sie nicht wieder hätte aufgestellt werden müssen. Aber man kann auch Öl ins Feuer kippen. Ist eh Sommerloch!

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