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Radentscheid Hamburg - Die Einigung?

Vor reichlich eineinhalb Wochen ging die Meldung durch den Raum, dass die Volksinitiative Radentscheid Hamburg sich mit Rot-Grün geeinigt hat. Ich möchte mit diesem Beitrag die Einigung selbst einmal auseinander nehmen.

Vorbemerkung

Ich war Mitglied beim Berliner Radentscheid. Als ich nach Hamburg kam, sah ich: Diese Stadt hat es noch viel, viel nötiger. Nachdem ich den Grundstein für die Initiative Radentscheid Hamburg gelegt habe, habe ich mich nach eineinhalb Jahren Ende 2018 zurückgezogen – aus Gründen. Was an Zielen blieb, habe ich noch einmal kommentiert.

Nachdem es im Jahr 2019 mit viel Mühe gelungen ist, die nötigen Unterschriften zu sammeln (am Ende 22.614 gültige), liegen nun die Ergebnisse der Verhandlungen vor. Auch der Entwurf für die Beschlussvorlage für die Bürgerschaft – und diese möchte ich auseinander. Ab Seite 12 gibt es die den konkreten Beschlussvorschlag.

Da die Initiative einen Gesetzentwurf aufgegeben hat, kann das Ergebnis nun auch nur ein allgemeines Ersuchen sein. Die Bürgerschaft (also das Parlament) bittet den Senat (die Regierung) etwas zu tun. In dieser Unverbindlichkeit reiht sich nun alles ein.

1. Dichtes, barrierefreies Radfahrnetz für alle

Eines der stärksten Schwerter ist ein dichtes Netz mit konkreten Parametern. In Berlin war es die inoffizielle elfte Forderung, deren Wirkung oftmals unterschätzt wurde (nur leider auch aus dem Mobilitätsgesetz herausgeschmissen wurde). In Hamburg blieb es unkonkret, was ein “dichtes” Netz sei, dafür kamen verschiedene Anforderungen zur Barrierefreiheit dazu: Vermeiden seitlicher Gefälle, Kurvenradien etc.

Zu diesen Forderungen lese ich nichts mehr in der Vorlage.

2. Sichere Schulradwege für Hamburgs Kinder

Die Initiative hatte hier einen Blumenstrauß verschiedener Maßnahmen gefordert. Zunächst Schulradwegpläne. Ferner konkrete Ausbaustufen abhängig von Verkehrsaufkommen. Und zuletzt Abstellanlagen an Schulen. Dazu gibt es nun das Kapitel “Schulradwege/Bezirksrouten”:

Die Bürgerschaft ersucht den Senat

  1. das Thema Radwege zu Schulen in die Konzeption der bezirklichen Radwegenetze zu integrieren und diese als einen zentralen Punkt in einem fortzuschreibenden Bündnis für den Radverkehr aufzunehmen. Bei der Fortschreibung des Bündnisses für den Radverkehr werden relevante Verbände, Initiativen und Organisationen einbezogen.
  2. Mit den Bezirken und den weiteren Realisierungsträgern soll die Umsetzung erreicht werden. Dabei
    1. ist sicherzustellen, dass insbesondere alle weiterführenden Schulen als wichtige Quell- und Zielpunkte eines bezirklichen Radverkehrsnetzes integriert werden. Dazu sollen die Bezirksämter bei der konzeptionellen Erstellung der bezirklichen Netze in angemessener Weise die Schulen einbinden, um örtliche Handlungsschwerpunkte zu erfassen.
    2. ist sicherzustellen, dass diese Radverkehrsführungen ausreichend breit sind und möglichst verkehrsarm verlaufen, wie z. B. durch ausreichend breite Radwege gemäß Hamburger Regelwerke für Planung und Entwurf von Stadtstraßen (ReStra) mit in der Regel 2 Metern zuzüglich Sicherheitstrennstreifen oder durch möglichst MIV (motorisierter Individualverkehr)-verkehrsarme Tempo 30 Zonen;
    3. nach Möglichkeit auch darauf zu achten, dass auch Schulen miteinander verbunden werden und die Wohngebiete für mehrere Schulen zu erschließen;
    4. mindestens die Qualitätsanforderungen der ReStra zu erfüllen und, wenn möglich, mehr Platz für den Radverkehr vorzusehen;
    5. im Rahmen des Bündnisses für den Radverkehr bei Planung und Bau der Bezirksnetze als erstes und solche Wege mit Priorität zu finanzieren, die Schulen und Wohnquartiere bzw. Schulen mit Schulen verbinden;
    6. die Schulbehörde als Partner in das Bündnis für den Radverkehr aufzunehmen, um die einzelnen Schulen an der Erstellung des Bezirks-/Schulradwegenetzes zu beteiligen. In Zusammenarbeit mit den Bezirksämtern sollen die Schulen lokale Handlungsschwerpunkte identifizieren und für die Schulen Schulradwegpläne erstellen.
  3. der BWVI und den Bezirksämtern entsprechend zusätzliches Personal und Haushaltsmittel im Rahmen des Bündnisses für den Radverkehr für die Umsetzung der bezirklichen Fahrradkonzepte zur Verfügung zu stellen.

Zunächst sind die Forderungen der Schulradwegpläne – mit Einbeziehung der Schulen – enthalten. Papier ist geduldig – und genau das drückt dann auch der Punkt Numero 3 aus: Es soll die Umsetzung erreicht werden. Sätze wie diesen schwächen leider alles ab. Der zweite Punkt unter 3. bietet viel Kaugummi: ausreichend breit, möglichst verkehrsarm. Und damit, sorry für meinen Pessimismus, sich möglichst gar nichts ändert, referenziert man auf das derzeitige Hamburger Regelwerk ReStra, mit dem ja schon geplant und gebaut wird.

3. Kreuzungsarme Radschnellwege für den Weg zur Arbeit

Die einstige Forderung nach Kreuzungsfreien Radschnellwegen wurde nach meinem Weggang stark verwässert und die Initiative fordert nur noch umgelabelte Velo-Routen, die z.T. an Hauptstraßen oder durch Fahrradstraßen verlaufen sollen und bestimmte Anforderungen erfüllen sollen (Beleuchtet, Mindestbreiten, Belagsqualität, …)

Dazu gibt es in der Vorlage das Kapitel “Radschnellwege”

Die Bürgerschaft ersucht den Senat

  1. unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten zu prüfen, inwiefern der Radschnellwegstandard auf den geplanten Radschnellwegen und die daran anschließenden Velorouten möglichst weit bis in die Stadt geführt werden kann und dies auch mit konstruktiven Bauwerken, also Brücken und Unterführungen, entsprechend umzusetzen. Dabei sind die beabsichtigten Ergänzungen des Veloroutennetzes zu berücksichtigen. Potential hierzu wird insbesondere im Korridor Geesthacht zum Anschluss an den Oberhafenradweg und im Korridor Norderstedt und Bad Bramstedt mit Anschluss in Ohlsdorf an die Veloroute 4 bis zur Bebelallee sowie im Anschluss an den Radschnellweg im b (Veloroute 5) gesehen. Diese Potentiale sollen in der 22. Legislaturperiode planerisch gehoben und umgesetzt werden. Es soll geprüft werden, wie der Radschnellweg von Elmshorn nach Diebsteich ab dem Bahnhof Diebsteich um einen Zubringer nach Altona verlängert werden kann.
  2. Auf der Veloroute 13 werden weitere Potenziale für den Radverkehr gesehen. Hier soll überprüft werden, ob ein sehr hoher Veloroutenstandard umgesetzt werden kann.
  3. dabei möglichst unterbrechungsfrei und durchgehend komfortabel befahrbare Verbindungen herzustellen, auch unter Zuhilfenahme von technischen Lösungen und digitalen Hilfestellungen;
  4. das Radschnellwegenetz in das Bündnis für den Radverkehr zu integrieren;
  5. die Radschnellwege eng mit der Stadtentwicklung zu verzahnen, und neue Quartiere von Beginn an so auszustatten, dass sie per Fahrrad gut erreichbar sind und Fahrräder gut abgestellt werden können;
  6. hierfür die nötigen personellen und finanziellen Ressourcen bereit zu stellen;
  7. gemeinsam mit der Metropolregion Hamburg auf den Bund zuzugehen, um hierbei eine möglichst große Bundesförderung zu erhalten.

Zunächst ist es erst einmal löblich, dass die Regierungsfraktionen Radschnellwege als Ergänzung zum Velo-Routen-Netz sehen. Leider wird auch diese Forderung stark verwässert: Es soll geprüft werden. Was ich in fünf Jahren BVV Treptow-Köpenick gelernt habe: Prüfaufträge macht die Koalition, um einen Antrag der Opposition zu entschärfen, den man nicht ablehnen kann.

Löblich ist immerhin, dass es einige konkrete Beispiele und Vorstellungen gibt und man zumindest auch an konstruktive Bauwerke (also Brücken und Unterführungen) denkt.

Mit dem letzten Satz drückt man aber auch den Stellenwert aus: es soll natürlich möglichst wenig kosten – und so wird schon auf den Bund geschaut. Nicht dass das grundsätzlich falsch ist, verschiedene Geldtöpfe anzuzapfen. So einen Punkt aufzunehmen birgt das Risiko, dass bei Ausbleiben der Bundesmittel auch die Radschnellwege vernachlässigt werden (weil bspw. nur unzureichend Haushaltsmittel eingeplant wurden)

4. Breite und geschützte Radwege an allen Hauptstraßen

Das gesamte Hauptverkehrsstraßennetz soll mit mind. 2,30 Meter breiten Einrichtungsradwegen ausgestattet sein, die zu eventuell parkenden Autos und zur Fahrbahn einen Pufferabstand ausweisen, pro Jahr sollen dann 30 Kilometer entstehen.

Dazu gibt es in der Vorlage das Kapitel “Radwege entlang von Hauptverkehrsstraßen”:

Die Bürgerschaft ersucht den Senat

  1. Radwege entlang von Hauptverkehrs-, aber auch an viel befahrenen Bezirksstraßen nach Möglichkeit baulich vom Gehweg und von der Fahrbahn getrennt zu führen, um die Attraktivität der Radverkehrsanlagen zu erhöhen, sowie
    1. die bauliche Trennung jeweils an die räumlichen und situativen Gegebenheiten anzupassen;
    2. hierbei in der Regel das Kopenhagener Modell (Radweg höhenversetzt zur Fahrbahn und zum Fußweg) zu präferieren;
    3. auch andere Modelle wie eine stärkere bauliche Abtrennung zu prüfen, sollte der entsprechende Platz im Straßenraum vorhanden sein;
    4. die Umsetzungsmöglichkeiten von geschützten Radfahrstreifen („Protected Bike Lanes“) anhand von Hamburger und überregionalen Beispielen zu überprüfen und aktuelle Erkenntnisse mit dem Ziel der Entwicklung einer Hamburger Praxis kontinuierlich in diese einfließen zu lassen;
    5. die Infrastruktur des Radverkehrs so anzulegen, dass Konflikte mit dem ruhenden Verkehr minimiert werden. Dies kann bei ausreichend Platz z. B. gelingen, indem Radfahrstreifen und Parkstände so angelegt werden, dass der Radfahrstreifen zwar auf Fahrbahnniveau, aber rechts der Parkstände geführt wird.
    6. zu prüfen, inwieweit diese Prinzipien nach Möglichkeit auch auf bereits geplante, aber noch nicht gebaute Radverkehrsanlagen anwendbar sind;
    7. bei der Separation von Radverkehrswegen den Belangen von Menschen mit Behinderung besonders Rechnung zu tragen.
      Ausschlaggebend ist hierfür insbesondere die Verkehrsstärke und -geschwindigkeit.

Hier ist das Zauberwörtchen “Nach Möglichkeit”. Haltet mich für pessimistisch, aber wir werden sehen, wie häufig der rot-grüne Senat diese Möglichkeit nicht sehen wird. Und die Gründe werden die gleichen wie bisher sein. Konflikte bei ruhenden Verkehr sind zu minimieren, weicht dann aber aus, was man alles machen kann, wenn der Platz vorhanden ist. Oftmals geht es aber auch um Straßen, wo der Platz eben nicht alle Wünsche offen lässt. Die Einigkeit in diesem Punkt wird erkauft, dass der Flächenkonflikt ausgeklammert wird.

5. Fahrradstraßen ohne motorisierten Durchgangsverkehr

Die Fahrradstraßen sollen möglichst ohne Durchgangsverkehr realisiert werden, bspw. durch Kappung oder Diagonalsperren. Zudem forderte der Radentscheid hier eine Netzdichte, die in Bezug auf Fahrradstraßen keinen Sinn ergab.

Dazu gibt es in der Vorlage das Kapitel “Fahrradstraßen”

Die Bürgerschaft ersucht den Senat

  1. die guten Hamburger Standards bei dem Bau von Fahrradstraßen insbesondere in der baulich verdichteten Stadt fortzuführen;
  2. vermehrt Fahrradstraßen zu bauen. Diese sollen dann eingerichtet werden, wenn der Radverkehr die vorherrschende Verkehrsart ist oder dies zu erwarten ist. Dies kann in der Regel erwartet werden, wenn es sich um eine Veloroute jenseits des Hauptverkehrsstraßennetzes handelt.
  3. bei der Planung von Parkbereichen in Fahrradstraßen besonderes Augenmerk auf die Herstellung von Sichtbeziehungen zu legen;
  4. die Vorfahrtsgewährung für Radfahrende, die mit der Einrichtung einer Fahrradstraße einhergeht, deutlich kenntlich zu machen, z. B. durch Wartelinien und bauliche Trennungen zu optimieren;
  5. bei der Einrichtung von Fahrradstraßen regelhaft zu prüfen, wie der KfzDurchgangsverkehr z. B. durch Umbauten unterbunden werden kann.

Was sind die guten Hamburger Standards bei Fahrradstraßen? Ich kenne nun zu viele verschiedenartige Fahrradstraßen in Hamburg, um aus denen diesen einen Standard zu erkennen. Beim Nationalen Radverkehrsplan wird die Uferstraße/Lortzingstraße herangezogen. Hier sticht vor allem die Aufpflasterung aller Zu- und Abfahrten heraus, allerdings fehlen noch Elemente, die das Durchfahren/Kreuzen der Fahrradstraße unattraktiv macht. Im zweiten Anstrich der Fahrradstraßen wird leider nur auf die ohnehin schon geltenden Verwaltungsvorschriften zur Straßenverkehrsordnung referenziert.

6. Geschützte Kreuzungen nach niederländischem Muster / 7. Rad- und Fußverkehrsfreundliche Ampeln

Die unfallträchtigsten Kreuzungen sollten umgebaut werden, bspw. durch Reduzierung von Kurvenradien oder Schutzinseln umgebaut werden. Zudem soll dies auf Basis der Protected Intersection erfolgen. Bettelampeln sollen entfallen. Ferner sollen Kreuzungen für Radfahrende so geschalten werden, dass diese in einer Phase eine Kreuzung passieren können.

Dazu gibt es in der Vorlage das Kapitel “Sichere Kreuzungen”:

Die Bürgerschaft ersucht den Senat

  1. die Verkehrssicherheit des Radverkehrs in Kreuzungsbereichen kontinuierlich weiter zu verbessern, so dass alle Verkehrsteilnehmenden schnell erkennen und begreifen, wie die jeweiligen Kreuzungen funktionieren;
  2. insbesondere in Kreuzungsbereichen Ereignis- und Wahrnehmungskonflikte zwischen den Verkehrsteilnehmenden zu vermeiden und gute Sichtbeziehungen sicherzustellen;
  3. die Abbiegegeschwindigkeit des Kfz-Verkehrs durch enge Kurvenradien unter Berücksichtigung der Belange des Busverkehrs zu senken;
  4. künftig auf freie, d.h. unsignalisierte separate Kfz-Rechtsabbieger in der Regel zu verzichten;
  5. an signalisierten Kreuzungen regelmäßig vorgezogene Haltelinien und Grünvorlaufschaltungen für den Radverkehr einzusetzen und in geeigneten Fällen eine getrennte Signalisierung des Rad- und des Kfz-Verkehrs vorzusehen;
  6. bei Neuplanungen ausreichende Aufstellflächen für den Radverkehr vorzusehen und bestehende Aufstellflächen bei steigender Nutzung punktuell zu erweitern;
  7. zur Erhöhung der Aufmerksamkeit Radverkehrsfurten in Kreuzungen und Einmündungen verstärkt rot einzufärben:
  8. bei Neuplanungen auf Radstreifen in Mittellage grundsätzlich zu verzichten. Bestehende Radstreifen in Mittellage werden rot eingefärbt;
  9. An Ampelkreuzungen sollen, nach Inkraftsetzung der neuen StVO und entsprechend der dortigen Regelungen, an geeigneten Stellen Rechtsabbiegergrünpfeile angebracht werden;
  10. sich aktiv in den laufenden Prozess zur Weiterentwicklung radverkehrsfreundlicher Kreuzungen einzubringen und aufgrund aktueller Erkenntnisse in Hamburg, bundesweit und im internationalen Kontext neue Lösungen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit zu entwickeln – insbesondere unter Berücksichtigung niederländischer Kreuzungsdesigns und Pilotprojekten anderer Städte;
  11. bei der Überplanung und dem Neubau von Kreuzungsbereichen stets die verschiedenen Elemente zur Verbesserung der Verkehrssicherheit des Radverkehrs, insbesondere die anerkannten Regelwerke und die Ziffern 17-26, einzusetzen und in Zusammenarbeit mit der Verkehrsunfallkommission kontinuierlich die unfallträchtigsten Kreuzungen umzubauen.

Der erste Punkt ist schon klasse: das ist, zurückhaltend formuliert, elementare Aufgabe einer Verkehrsbehörde, Kreuzungen so zu gestalten, damit Verkehrsteilnehmende die Kreuzung begreifen können. Das noch einmal festzuhalten, spricht für sich Bände.

In der Frage des Wie gibt es wohl wenig Differenzen. Neu – und das hat sich erst während des Verfahrens entwickelt – ist der Rechtsabbiegergrünpfeile für Fahrräder.

Besonders spannend ist noch mal hinzuweisen, dass sich der Senat einbringen soll.

Forderungen in Richtung Ampelschaltungen haben es nicht in die Beschlussvorlage geschafft.

8. Rad- und Fußverkehrsfreundliche Baustellengestaltung

Häufig sollen sich Radfahrer bei Baustellen auflösen und erst 200 Meter dahinter wieder erscheinen. Dazu gab es ebenso eine Forderung, dass auch bei Baustellen die Anforderungen beibehalten werden müssen – und wenn durch die Baustelle der Radverkehr auf die Fahrbahn geführt wird, dort Tempo 20 anzuordnen ist.

Dazu gibt es in der Vorlage das Kapitel “Baustellenführung für den Radverkehr”:

Die Bürgerschaft ersucht den Senat

  1. sicherzustellen, dass die für die Förderung des Radverkehrs erforderliche Qualität von Baustellenführungen und Umleitungsstrecken gewährleistet wird und Fuß- und Radverkehr verkehrssicherer und komfortabler durch Baustellen in Hamburg kommen. Dazu müssen
    1. diese für Radfahrende sicher und nachvollziehbar sein und
    2. die Belange des Fuß- und Radverkehrs durch verbesserte Baustellenführungen und die Optimierung von Umleitungen berücksichtigt werden.
  2. sicherzustellen, dass die Baulastträger die Sicherung und Umleitung des Radverkehrs bei Straßenbaumaßnahmen gewährleisten und dem Rad- und Fußverkehr mehr Platz einräumen, um stets auch eine sinnvolle Lösung für den Radverkehr anzubieten;
  3. sicherzustellen, dass die Baustellenführungen seitens der Baudienststelle so geplant und angeordnet werden, dass der Rad- und Fußverkehr das Baufeld möglichst auf einer eigenen Führung und ohne Fahrbahnseitenwechsel passieren kann. Sollte dies nicht möglich sein, ist eine geeignete Umleitung auszuschildern und im Falle von Mischverkehr die Möglichkeit bei gleichzeitiger Temporeduzierung zu prüfen.
  4. das Schild „Radfahrer absteigen“ nicht mehr zu verwenden;
  5. zur Qualitätssicherung Baufirmen darauf zu überprüfen, ob vor Ort die angeordneten Baustellenführungen und Verkehrszeichen in formal rechtmäßiger und für die Bürgerinnen und Bürger verständlichen Art und Weise aufgestellt werden;
  6. darauf hinzuwirken, dass die Realisierungsträger die Belange der Radfahrenden in den Baustellensteckbriefen, die im Rahmen der Baustellenkoordinierung erstellt werden, ausführlicher betrachten und insbesondere vermerken, ob Velorouten und sonstige wichtige Radverkehrsverbindungen betroffen sind. Baustellen auf diesen Routen sollen veröffentlicht und mögliche Umleitungsstrecken transparent gemacht werden.

Im Wesentlichen ist der Punkt übernommen worden, wenn auch mit ausreichend Kaugummi: was ist eine sinnvolle Lösung? Hier werden sich wohl die Meinungen zwischen Radfahrern und Senat unterscheiden. Hier unterscheiden sich schon die Meinungen zwischen Radfahrern.

Für den Fall, dass durch eine Baustelle der Radverkehr auf die Fahrbahn geschwenkt wird, wird nicht etwa eine Temporeduzierung gefordert, nein: es wird nur eine Prüfung der Temporeduzierung gefordert. Bin ich zu pessimistisch, wenn ich auf die derzeitigen Prüfungen verweise?

Konkreter ist der Verzicht des Schildes “Radfahrer absteigen”.

9. Diebstahlsicheres Fahrradparken

Ich hatte einst angeregt, den Punkt aus dem Forderungskatalog ganz zu schmeißen. Warum? Weil in Sachen Abstellanlagen so viel gar nicht falsch läuft, andererseits weil Abstellanlagen auch gar nicht weh tun. Überzeugt hatte mich damals das Argument, die Forderung auch auf baurechtliche Komponenten auszudehnen, damit bspw. beim Bau von Wohnungen oder Kaufhallen ein wesentlich höherer Anteil mitgebaut werden muss.

Dazu gibt es in der Vorlage das Kapitel “Fahrradparken”:

Die Bürgerschaft ersucht den Senat

  1. aufbauend auf der Drs. 21/7416 zur fahrradfreundlichen Quartiersentwicklung ein Konzept, einschließlich verkehrlicher Aspekte, für bedarfsgerechtes Fahrradparken in Wohnquartieren zu erarbeiten und umzusetzen und hierbei neben der Ausweitung der Flächen für Fahrradbügel einen neuen Fahrradhäuschen-Typ für witterungs- und diebstahlgeschütztes sowie bedienungsfreundliches und platzsparendes Fahrradparken zu entwickeln und einzuführen. Dies umfasst auch ein nutzerfreundliches Betreibermodell auf Mietbasis,
  2. zur Sicherstellung einer bedarfsgerechten Anzahl von Fahrrabstellanlagen verstärkt Kfz-Parkplätze in Flächen für das Fahrradparken einzubeziehen. Je nach städtebaulicher Struktur sollten angemessene Anteile der Flächen für den ruhenden Verkehr im öffentlichen Straßenraum dem Abstellen von Fahrrädern dienen mit dem Ziel, dass fußläufig und auf den alltäglichen Wegen Fahrradabstellmöglichkeiten zu finden sind.
  3. die bauordnungsrechtlichen Vorgaben für die Einrichtung von Fahrradabstellmöglichkeiten im Zusammenhang mit privaten Bauvorhaben zu prüfen sowie aktuellen Bedürfnissen anzupassen und weiterzuentwickeln;
  4. bei Verkehrsplanungen je nach Bedarf weiterhin Fahrradbügel vorzusehen und zu realisieren. Dabei sollen Abstellflächen für Lastenräder verstärkt berücksichtigt werden.
  5. das Bike+Ride-Entwicklungskonzept weiter umzusetzen und dieses mit folgenden Schwerpunktthemen fortzuschreiben:
    1. Anpassung der Bedarfsabschätzung auf einen künftig weiter steigenden Radverkehrsanteil von 25 Prozent am Modal Split im Jahr 2030 mit einer perspektivisch angestrebten Steigerung auf 30 Prozent aus dem Klimaplan;
    2. Einbeziehung neu entstehender Haltestellen im Zuge des Schnellbahnausbaus und Einbeziehung wichtiger Fähranleger (z. B. Teufelsbrück, Finkenwerder);
    3. Prüfung und Umsetzung weiterer Fahrradparkhäuser an Schnellbahnhaltestellen bei festgestelltem besonderem Bedarf und stark eingeschränktem Flächenangebot (z. B. Farmsen, Holstenstraße;
    4. Hohe Priorität bei Flächenbereitstellung für B+R an Haltestellenumfeldern;
    5. Umsetzung einer tragfähigen Lösung für Reinigung und Winterdienst;
    6. Nutzung weiterer Möglichkeiten der Digitalisierung (z. B. Zugang per Smartphone auch für Kurzzeitmiete);
  6. an allen Fernbahnhöfen Fahrradstationen als Ergänzung der B+R-Anlagen zu planen und einzurichten. Am Hauptbahnhof soll als Zwischenlösung bis zum Bau einer Fahrradstation eine für diese zentrale Verkehrsfunktion ausreichend dimensionierte Abstellanlage geplant werden.

Die baurechtliche Komponente ist reduziert auf eine Prüfung ohne irgendeine Zielvorstellung. Dafür sollen Abstellanlagen für einen Radverkehrsanteil von 25% geplant werden, der in etwa doppelt so hoch wie heute ist (siehe dazu: Warum das Klammern an den Modal-Split falsch ist)

Positiv hervorzuheben ist, dass sich unsere Rot-Grüne Mehrheit auch die Umwandlung von PKW-Stellplätze in Fahrradstellplätzen vorstellen kann.

10. Instandhaltung, Pflege und Reinigung von Radverkehrsanlagen

Andere Städte machen es vor, dass zuerst die Radverkehrsanlagen gestreut und gereinigt werden. In Hamburg passiert hier gar nichts. Daher ist es lästig, so eine Selbstverständlichkeit überhaupt zu fordern.

Dazu gibt es in der Vorlage das Kapitel “Reinigung/und Winterdienst”

Die Bürgerschaft ersucht den Senat

  1. die definierten Reinigungs- und Winternetze für den Radverkehr weiterzuentwickeln und auszuweiten. Der Schwerpunkt liegt derzeit auf dem Veloroutennetz und anderen verkehrswichtigen Strecken. Die aufgrund dieses Antrags noch umzusetzenden Bezirksnetze/Schulradwegenetze mit ihren Verbindungen zu den Schulen sowie die späteren Radschnellwege werden nach Möglichkeit mit Fertigstellung schrittweise in diesen Schwerpunkt integriert.
  2. auf eine dauerhaft umsetzbare Lösung zur Verbesserung der Befahrbarkeit von Radverkehrsanlagen hinzuwirken – vor allem bei Herbstlaub sowie Eis und Schnee. Dies ist perspektivisch auch auf die in Zukunft neu gebaute Infrastruktur auszuweiten.
  3. das Forschungsprojekt „E-Win“ der Stadtreinigung Hamburg zur Erprobung alternativer Streustoffe fortzusetzen und die Empfehlungen umzusetzen;
  4. digitale Möglichkeiten zur Verbesserung der Informationsservices für Bürgerinnen und Bürger zu prüfen und umzusetzen.

Allein der Begriff “Reinigungs- und Winternetz” zeigen den Stellenwert des Radverkehres in dieser Stadt, während die Straßen wie selbstverständlich gereinigt werden. Und, damit es möglichst wenig kostet, träumt man von einer Radverkehrsanlage, die sich selbst von Laub und Schnee befreit. So mit Gebläsen und Heizspiralen?

Der letzte Punkt lässt mich fragend zurück: geht es nur zum Informieren, was zum Netz dazu gehört – oder auch etwas Innovation (Kartendarstellung, wo die Kehrmaschine gerade durchgefahren ist. Letzteres wäre durchaus mal ein innovatives Feature, nicht nur für den Radverkehr).

11. Evaluation und wissenschaftliche Begleitung

Der Radentscheid forderte, dass bauliche Maßnahmen mit Vorher-Nachher-Evaluationen begleitet werden, benannte konkrete Kosten (5%-10% der Investitionssumme) und verlor sich dann in Details mit einzelnen Parametern.

Dazu gibt es in der Vorlage das Kapitel “Indikatoren”

Die Bürgerschaft ersucht den Senat

  1. ergänzend zu der Untersuchung „Mobilität in Deutschland (MiD)“ des Bundesverkehrsministeriums eine eigene Mobilitätsbefragung in einem vierjährigen Rhythmus durchzuführen,
    1. die mit der bundesweiten Erhebung „Mobilität in Deutschland“ kompatibel ist, um geeignete Verlaufsdaten für die Entwicklung des Radverkehrs in Hamburg zu erheben;
    2. die mindestens die Entwicklung des Modal Splits bei Kindern und Jugendlichen, bei Seniorinnen und Senioren beinhaltet, um anhand dieser Kennzahlen die Inklusivität des Radverkehrs zu messen;
    3. die zudem die Anzahl der geradelten Kilometer pro Tag erhebt und diese mit den Unfallzahlen in Verbindung setzt
    4. und die erforderlichen Finanzmittel dafür zur Verfügung zu stellen.

Die einstige Forderung hatte durchaus einen Zweck: brachte eine einzelne Baumaßnahme den gewünschten Effekt (um ggf. Rückschlüsse für künftige Baumaßnahmen zu ziehen). Stattdessen soll eine ohnehin schon durchgeführte Studie nun öfters (alle 4 statt 9 Jahre) durchgeführt werden und um einige Kennzahlen erweitert werden. Zynisch betrachtet wird man also feststellen, dass der Radverkehrsanteil steigt oder fällt, aber dann keine Schlüsse ziehen können, an was es hängt (Steigt der Radverkehr wegen oder trotz der schlechten Infrastruktur?)

12. Trennung von planender und überwachender Verkehrsbehörde

In Hamburg besteht nach wie vor das Problem, dass die Polizei sowohl anordnende als auch prüfende Behörde ist – und das eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit ist. Davon findet sich in der ganzen Vorlage kein Wort.

Neu: Verkehrssicherheit prüfen und durchsetzen

Diese Forderung war beim Radentscheid zwischenzeitlich gänzlich gestrichen worden, vermutlich unbeabsichtigt (Ursprünglich ging es im Kapitel zu Reinigung um die Sicherstellung der Benutzbarkeit von Radverkehrsanlagen – und dazu zählte auch das leidige Thema der Radwegparker). Um so erfreulicher ist es, dass ein Kapitel “Verkehrssicherheit prüfen und durchsetzen” gibt:

Die Bürgerschaft ersucht den Senat

  1. die Kontrollen von falsch parkenden Kraftfahrzeugen auf Gehwegen und auf Radverkehrsanlagen weiter zu intensivieren und unerlaubtes Halten und Parken, sowohl in der sogenannten zweiten Reihe als auch auf Rad- und Fußwegen wie auch in Einmündungen und Überwegen, verstärkt zu ahnden und vor dem Hintergrund der diesen Bereich betreffenden Änderungen der StVO, die Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer über die Folgen nicht-StVO-konformen Verhaltens zu informieren;
  2. den eingeschlagenen Weg zur Verstärkung des Parkraummanagements beim Landesbetrieb Verkehr und der Einstellung von zusätzlichen Angestellten im Polizeidienst weiter zu verfolgen und hier Stellen in einem Umfang von mindestens 14 Vollzeitäquivalenten neu zu schaffen;
  3. die durch die Änderung der Straßenverkehrsordnung zur Verfügung stehenden Mittel zu nutzen

Bin ich zynisch, wenn ich anmerke, dass die derzeit nahezu nicht vorhandenen Kontrollen intensiviert werden sollen? Zweimal 0 ist 0. Juhu. Beim Punkt 30 wird es endlich mal konkret: es sollen 14 Stellen geschaffen werden. Oh, nicht für den Radverkehr, sondern damit Anwohnerparken eingerichtet werden. Das war nun alles andere als eine Forderung gewesen.

Den letzten Punkt verstehe ich dagegen überhaupt nicht: in Bezug auf Parkregeln wurden durch die StVO-Novelle wurden vor allem Bußgelder erhöht bzw. eingeführt. Eine Änderung gab es lediglich in Bezug der Angebots-/Schutzstreifen, auf denen vorher gehalten werden durfte.

Neu: Überbehördliche Zusammenarbeit / Berichtswesen

Die Behörden sollen besser zusammenarbeiten, das Kapitel überspringe ich mal. Beim Berichtswesen soll der Senat einmalig nach zwei Jahren über den Umsetzungsstand berichten (warum nicht laufend?).

Fazits

Ich tue mich gewissermaßen schwer, hier ein Fazit zu ziehen.

Sicherlich kann man hier sagen, dass mit der Einigung die Initiative in gewisser Form gescheitert ist – nur eben in einer Form, bei der alle ihr Gesicht wahren können. So einfach ist die Welt aber dann doch nicht.

Wir haben in Hamburg keine einfache Situation. Wir haben in der Regierung derzeit eine SPD, die keinen Bock auf Radverkehr und Verkehrswende hat. Und wir haben Grüne, die vor allen Bock auf den Posten des stellvertretenden Bürgermeisters haben und der dafür alles andere egal ist. Und wir hatten erst kürzlich eine Wahl, bei der diese Koalition die Möglichkeit hat, weiter zu regieren. In dieser Konstellation die Regierungsparteien zu treiben, ist schwer, denn jedes Eingeständnis ist auch ein Eingeständnis an die bisherige Arbeit. Das war in Berlin einfach, als Rot-Schwarz abgewählt wurde.

Durch Corona wird es derzeit auch nahezu unmöglich werden, die zweite Phase der Unterschriften zu sammeln. Wenngleich hier auch die Regierungskoalition gefragt ist, in Phasen der Kontaktsperre sich mit den Möglichkeiten der direkten Demokratie zu befassen. Das betrifft ja nicht nur den Radentscheid, es gab ja im vergangenen Jahr mehrere erfolgreich eingeleitete Verfahren (Schuldenbremse, verbindliche Volksentscheide, Grundeinkommen) – und weitere laufen derzeit noch. Aber auch ohne Corona ist es fraglich, ob die nötigen Unterschriften realisierbar wären (ca. 65.000 in drei Wochen).

In soweit ist es aus Sicht des Radentscheides vernünftig, zähneknirschend in eine Einigung zu gehen. Alles andere wäre an der Stelle nur kontraproduktiv für den Radverkehr. Die Lage und der Druck wie in Berlin ist eben nicht da. Das ist mit Sicherheit auch der Regierungskoalition klar gewesen. In soweit können wir das Ergebnis einerseits als kleines Zugeständnis der Regierungskoalition werten, mit der sie einräumt, dass gewisse Defizite in Sachen Radverkehr noch bestehen (ohne dem wäre sie aus dem Verfahren auch nicht herausgekommen), viel mehr ist es aber auch ein Armutszeugnis der Regierungskoalition und insbesondere der Hamburger Grünen, dass diese Einigung so schwach ist.

Ich danke jedenfalls allen, die an diesem Prozess mitgewirkt haben! Es wird aber noch weitere benötigen!

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