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Einige Gedanken zu den Vorfällen der Kölner Silvesternacht

Vieles ist zu dem Thema schon geschrieben. Vieles wiederholt sich. Manches lohnt sich aber auch zu wiederholen.

These Nummero 1:

Immer und immer wieder werden ganze Gruppen von Menschen in Sippenhaft genommen. Sippenhaft für das, was andere Menschen tun, die aufgrund bestimmter Merkmale zusammenfassen werden.

Kleines Beispiel aus Sachsen: Es finden nicht alle Dresdner toll, in Sippenhaft für den Pegida-Clan genommen zu werden.

These Nummero 2:

In jeder dieser Gruppen gibt es durchschnittlich 2 bis 5% Vollpfosten. Das kann mal ein bisschen höher ausfallen, mal etwas niedriger.

Nun ereigneten sich in der Silvesternacht etliche Überfälle auf (überwiegend?) Frauen, (teilweise?) verbunden mit unsittlichen Berührungen bzw. Griffen. Nicht nur in Köln.

Am 2.1. stellte die Kölner Polizei klar, dass zum Täterkreis keine Flüchtlinge gehören. Mir ist ehrlich gesagt nicht klar, wie die Polizei zu Beginn ihrer Ermittlungen überhaupt in der Lage war, so eine Aussage zu tätigen, vor allem aber auch, wie ernsthaft jemand so eine Behauptung aufstellen konnte (Wie kann ein Opfer Aussagen zum Aufenthaltsstatus des Täters machen?)

Aber: Was hilft uns dieser Status weiter? Was ändert es an der Tat? Wenn ein Flüchtling Täter war, möchte ich, dass er genauso bestraft wird, wie wenn der Täter kein Flüchtling war. Die Grundlage liefert unser Strafgesetzbuch: Raub. Und selbst die populistische Forderung der Abschiebung kann ich – aus humanitären Gründen – nicht gelten lassen, denn bei einer Abschiebung in eine Kriegsregion käme das der Todesstrafe gleich.

Der Presse war auch zu entnehmen, dass Opfer und Zeugen von „Männern nordafrikanischen Aussehens” sprechen. Auch wenn mir die Fantasie fehlt, was ich mir genau darunter vorzustellen habe – möglicherweise hilft so eine Angabe (verbunden neben weiteren Menschen beschreibenden Eigenschaften) der Polizei bei der Fahndung. Nichts desto trotz darf auch hier nicht von zwei oder drei Dutzend „nordafrikanisch aussehenden Männern” auf alle „nordafrikanische aussehende Männer” geschlussfolgert werden. Wer das macht, stellt unschuldige Menschen unter Sippenhaft!

Nun wurden einige der gestohlenen Mobiltelefone von der Polizei geortet – und die Spuren führte manchmal in Flüchtlingsheime oder deren Umgebung. Wunderbar: die Polizei arbeitet.

Und mit den Ereignissen beginnen auch die nervigen Debatten: die Pegida aus Dresden nimmt gleich wieder alle Flüchtlinge in Sippenhaft. Schlimmer noch: sie nehmen Flüchtlinge sogar in Sippenhaft für Taten, die Teile von Ihnen noch nicht mal begangen worden sind (rape = Vergewaltigung).

(Anmerkung: Es wurden auch Vergewaltigungen angezeigt, aber zu diesen habe ich bisher keinerlei Einschränkung auf den Täterkreis gelesen.)

Noch weiter rechts werden merkwürdige Bürgerwehren gegründet.

Auf anderer Seite wird die Sexismus-Debatte angeheizt, die gleich mal alle Männer unter Sippenhaft stellt. Der Gipfel der Geschmacklosigkeit kam von Michael Gwosdz, Hamburgs Grünen-Vize. Er ist der Auffassung, dass alle Männer potentielle Vergewaltiger seien:

Jeder Mann muss sich der Gefahr bewusst sein, Zeichen von Frauen falsch zu deuten

Zwischen einem falsch gedeuteten Zeichen und einem Vergehen nach §177 Abs. 2 StGB liegen Welten dazwischen. Vor allem aber auch Welten, in denen Missverständnisse auch ausgeräumt werden können. Und am Beispiel von Köln glaube ich auch nicht, dass – sofern die Anzeigen auch zutrafen – falsch gedeutete Zeichen eine Rolle spielten.

Andere eröffnen nun eine Debatte zu Exhibitionismus (Aber da hat Stefanolix alles gesagt).

Und dann läuft noch die Debatte um die Strafrechtsverschärfung. Sie muss auch geführt werden, denn es gibt durchaus eine Regelungslücke. Die Debatte wurde aber auch schon im letzten Jahr eröffnet: Ich finde den Entwurf der Grünen richtig, finde den Referentenentwurf der Bundesregierung unnötig kompliziert und schwer verständlich. Und ich finde dieses Statement gut:

das Prinzip „Ein Nein ist ein Nein” gesetzlich [..] verankern. [..] Der Grundsatz „im Zweifel für den Angeklagten oder die Angeklagte” ist in einem Rechtsstaat unverhandelbar.

Nichts desto trotz kann es passieren, dass auch nach den Kölner Vorfällen gesetzliche Fragen offen bleiben. Aber diese Debatten sollten nicht jetzt geführt werden, sondern dann, wenn die Emotionen durch Köln sich gelegt haben, der Geist vieler Menschen wieder etwas klarer ist und aus dem Ergebnis der polizeilichen und richterlichen Ermittlungen ersichtlich ist, dass eine Lücke besteht. Alles andere ist blinder Aktionismus – und der hilft niemanden!

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