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Homepage von René Pönitz

Essen-Retten-Gesetz

Das Bundesministerium für Ernährung
und Landwirtschaft (BMEL) hat im letzten Jahr eine Studie veröffentlicht – mit der Erkenntnis, dass jährlich 12 Mio Tonnen Lebensmittel im Müll landen. Das ist erst einmal eine recht hohe Hausnummer. Bei 80 Mio Menschen wären das je Nase und Jahr 150 Kilogramm. Dieser Tage mehren sich Protestaktionen, die auf dieses Thema aufmerksam machen, allen voran die Initiative “Aufstand der Letzten Generation” – mit der konkreten Forderung nach einem sogenannten “Essen-Retten-Gesetz”.

Das Ausspielen von U-Bahn und Straßenbahn

Derzeit schwappt eine Welle aus Berlin nach Hamburg, die den Bau neuer U-Bahn-Linien als Klimakiller einstufen möchte, weil deren Amortisationszeit für CO₂ weit über 100 Jahre bis hin zu 1946 (!) Jahren liegen soll.

Diese Studien machen mir Angst:

Im Kontext der neuen Hamburger U5 ist es nun auch Bestandteil von Klagen.

Kosten von Solaranlagen und Atomkraft

Gut gemeint und gut gemacht sind zweierlei Paar Schuhe. Das Katapult-Magazin veröffentlichte dieser Tage eine Grafik zum Vergleich der Kosten des Kernkraftwerkes Flamanville mit denen von Solarmodulen:

Die Grünen im Europäischen Parlament unterstreichen auch gleich die Aussage:

Atomkraft rechnet sich nicht Kusshand

Es ist 2022 – und ich bin langsam müde mit dieser Form der politischen Kommunikation. Ich habe auch keine Lust, mich mit solchem Zahlenwerk intensiver auseinander zu setzen, wo schon offensichtlich Zahlenspielereien dabei sind.

Auf der einen Seite ist das Kraftwerk so eine Art französischer BER. Man mag spekulieren, ob diese Kosten bei anderen Kraftwerken so reproduzierbar sind. Auf der anderen Seite wird ein komplettes Kraftwerk (also wo alle Kosten von Grund, Planung, Bau, Zinsen, etc.) mit dem Kauf von Hardware-Modulen verglichen – zu einem Stückpreis von 47,50€. So als sind diese mit Fingerschnippen in ausreichender Menge installiert und angeschlossen.

Aber Halt: Was bringt uns diese Debatte eigentlich?

Die Frage der Energieerzeugung sollten wir nicht durch die Kosten bestimmen. Was, wenn sich gar das das Gegenteil herausstellen sollte?. Bauen wir dann mit den selben Argumenten Atomkraftwerke, nur weil sie sich doch rechnen?

Nein! Wir sollten die Frage der Energieerzeugung stets im Kontext unserer Umwelt betrachten.

Unbestritten ist bei Atomkraft der Kreislauf immer noch nicht geklärt: niemand will die strahlenden Stäbchen in seinen Vorgarten, vor allem nicht die Bayern. Das Zwischenlager Asse leckt – und muss ausgeräumt werden. Und wenn Pannen passieren (Tschernobyl) sind hinterher ganze Landstriche unbewohnbar. Solche Folgen sind zu keinem Preis dieser Welt einpreisbar.

Natürlich haben auch erneuerbare Energien Nachteile. Die Leistung dieser Solarmodule sind ja auch sehr abhängig von der Helligkeit. Und auch Windräder liefern bei Windstille nur wenig. Und auch Wasserkraftwerke und Pumpspeicherwerke verändern recht ordentlich den Lebensraum der Tiere, keine Frage. Aber auf dieser Ebene müssen wir abwägen, wie wir unseren Energiebedarf (den man sicherlich auch in Frage stellen darf) absichern – um nicht in dieses Szenario eines BlackOuts zu rutschen.

Solche plumpen und billigen Rechnungen verlagern leider nur die Debatte auf Kosten und bringen uns keinen Millimeter voran. Im Gegenteil: sie sind schlicht kontraproduktiv.

Veloroute 5 - Hamburger Hilfslosigkeit für Radverkehr

Die kostenlose Wurfzeitung “Hamburger Wochenblatt” hat in einem kurzen Artikel über den geplanten Umbau von Reese- und Hufnerstraße berichtet. Und was vielleicht wie ein großer Wurf klingen mag, fasst eigentlich die Plan- und Hilflosigkeit der rot-grün-regierten Stadt Hamburg in Bezug auf Radverkehr sehr gut zusammen:

200 Meter Protected Bike Lane und zweimal 750 Meter Radfahrstreifen sieht die fertige Planung für einen knapp 1000 Meter landen Abschnitt der Veloroute 5 vor. [..] Unter unterhalb der Eisenbrücke soll es dann einen “Kopenhagener Radweg” mit einer niedrigen Kante zwischen Auto- und Radspur geben – gegen Konflikte zwischen Fußgängern, Radfahrern und Autofahrern.

Kopenhagen wäre nicht Kopenhagen, wenn es den “Kopenhagener Radweg” nur unterhalb von Eisenbahnbrücken – und es wie in Hamburg ständig Flickschusterei mit häufig wechselnden Radverkehrsführungen gäbe.

Auf dem überwiegenden Abschnitt haben wir heute einen Radweg, der in Worten von Olaf “CumEx” Scholz “mittlerweile ziemlich verformt” sei, also ganz normaler Hamburger Standard. Sprich: Verbindungen, die ich entweder versuche zu umfahren oder auch auf der KfZ-Fahrbahn passiere. Stattdessen entstehen nun Radfahrstreifen zwischen Fahrbahn und Längsparkplätzen, genau jenes Konstrukt, was in Hamburg besonders gerne zugeparkt wird.

Ein kleines besonders Detail ist die Hufnerstraßenbrücke, wo die Radinfrastruktur sogar zurückgebaut (!) wird:

In Fahrtrichtung Nord gibt es derzeit noch einen Radweg. Im Kreuzungsbereich zur Poppenhusenstraße soll ein Kreisverkehr entstehen. Nun sollen wohl Radfahrende die Fahrbahn bereits benutzen, um dann in die weitere Hufnerstraße links (also Kreisverkehr, 2. Ausfahrt) einzubiegen. Warum man aber in der Verbindung zum S-Bahnhof die bestehende Verbindung ebenso killt – ich weiß es nicht. Damit jedenfalls dieser Fehler nicht so schnell wieder behoben werden kann, wird auch passend eine Straßenlaterne installiert.

(Wozu hier eigentlich ein Kreisverkehr?)

(Und Nein, ich erwarte in Hamburg keine besseren Lösungen. Die Leute kannten dieses Flickwerk mit Rot-Grün und haben genau das wiedergewählt. Warum sollten sie nun ernsthaft Verkehrswende nun vorantreiben?)

Die vollständigen Planungsunterlagen von Nord nach Süd (jeweils auf Anlage klicken):

Verbot von Zweitwohnungen

In der bayrischen Kommune Garmisch-Partenkirchen (und sicher nicht nur da) läuft immer mal wieder eine Debatte, wie die Zahl der Zweitwohnungen reduziert werden kann, damit bspw. mehr Wohnungen für eigentliche Einwohner zur Verfügung stehen.

So stellte die örtliche CSU beispielsweise 2019 die Debatte auf die Tagesordnung des Marktgemeinderats, wie im Kontext des Zweckentfremdungsgesetz “die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen” gesichert bleibt. In der Sache sicherlich hilfreich – und für eine CxU-Partei eher ungewöhnlich. In dieser Debatte brachte dann die SPD folgenden Antrag ein:

Die Verwaltung wird beauftragt zu prüfen, inwieweit mit einer Satzung die Nutzung als Zweitwohnung künftig unter eine Genehmigungspflicht gestellt werden kann und wird gebeten, dem Gemeinderat möglichst zeitnah das Prüfungsergebnis vorzulegen.

So wurde es auch – wenn auch mit anderen Worten – beschlossen:

Dabei sind auch ein mögliches Verbot von Zweitwohnungen verbindlich zu prüfen

Eine Genehmigungspflicht impliziert, dass diese Anträge auch abgelehnt werden können – und das käme einen Verbot gleich. Zwar ist es nur ein Prüfauftrag, dennoch halte ich solche Überlegungen für Zweifelhaft. Und vermutlich nur, weil einige die Begriffe Ferienwohnung und Zweitwohnung nicht unterscheiden können.

Das Zweckentfremdungsgesetz ist ein gutes Werkzeug, damit Wohnraum Wohnraum bleibt. Und sich da nicht nicht Arztpraxen oder Anwaltskanzleien einnisten. Oder auch Ferienwohnungen. Ob ich eine Wohnung aber als Haupt- oder Nebenwohnung nutze, ändert nichts an der baurechtlichen Nutzung – es ist und bleibt eine Wohnung. Ich werde mittels Gesetz niemand an einer Nebenwohnung hindern können – das würde auch dem Ansinnen des Bundesmeldegesetzes zuwiderlaufen, was ja explizit vorsieht, dass eine Person mehrere Wohnungen beziehen darf und nur eine davon die Hauptwohnung werden kann.

Was würde so ein Genehmigungsvorbehalt bedeuten?

Eine Person mietet oder kauft eine Wohnung. Im Rahmen der Fristen meldet dieser die Wohnung an – und erklärt sie zur Nebenwohnung. Und die Behörde prüft nun und versagt die Nebenwohnung. Also zieht er wieder aus? Oder macht die zur Hauptwohnung und löst dann, je nach Kommune, diesen Genehmigungsprozess in der anderen Kommune aus. Und die könnten ebenso ablehnen. Zugegen: das könnte auch die Person schon vor Unterschreibung des Mietvertrages prüfen. Am besten, bevor ein Ausbildungs- oder Arbeitsvertrag unterzeichnet wird?

Allein diese Gedanken halte ich für politisch absurd bzw. verfassungswidrig.

Was ich dagegen sehr wohl sinnvoll sehe: das Verhindern von Ferienwohnungen. Das ist eine eigenständige Nutzungsart, die eher einem gewerblichen Charakter mit sich trägt. Und das können Kommunen bspw. in Bebauungsplänen ausschließen. Die Gemeinde Boltenhagen hat dies beispielsweise getan (siehe Debatte zu Boltenhagen ). Auch die Rechtsprechung hat dazu schon Urteile verfasst.

Kappung der Blumenau

Eine der gefährlichsten Kreuzungen in Hamburg-Eilbek ist die Kreuzung Wagnerstraße/Blumenau:

  • Wer als Fußgänger die Wagnerstraße quert, hat auf der einen Seite Geländer. Folgt er dem Geländer, hat er keine Sicht mehr. Im Grunde kann man die Wagnerstraße nur so queren, dass mann gleichzeitig die Blumenau ebenso quert – und muss dabei vier Straßen in Blick behalten.
  • Für Kfz-Verkehr gilt derzeit Tempo 50 – was insbesondere durch die Kurvenlage unangemessen ist.
  • Wer die Wagnerstraße auf der Ostseite von Süden kommend in Richtung Eilbekkanal läuft, wird in der Blumenau geführt. Die Mittelinsel mit Gehweg ist quasi nicht erreichbar.
  • Als Radfahrer ist der Abschnitt völliges Desaster: In Fahrtrichtung Nord löst sich der ohnehin unzureichend schmale Radstreifen in der Kreuzung auf. In Fahrtrichtung Süd hinter der Blumenau ist nicht ersichtlich, ob unter den parkenden Autos mal historisch ein Radweg gewesen sein könnte.

Daher meine Anregung für eine Veränderung:

  • Die Blumenau wird zur Wagnerstraße an beiden Seiten gekappt – und zwar von Osten mit einem Wendehamner und von Westen mit Übergang in die Sonnenau
  • Es gibt dann keine Kreuzung mehr für KfZ-Verkehr, der Radverkehr soll dennoch passieren können
  • in Höhe der heutigen Blumenau ein Zebrastreifen (Optional auch Fußgängerampel)
  • Tempo 30 zwischen Eilenau und Eilbeker Weg (Keine T30-Zone) – aufgrund der unübersichtlichen Straßenweise.
  • Die große Platzfläche kann je nach Präferenz entweder begrünt werden (Sitzbänke?), ansonsten auch der eine oder andere Stellplatz.

Visualisiert sieht es so aus:

Digitalministerin

Judith Gerlach, die neue Digitalministerin von Bayern:

Ja, Digitalisierung ist jetzt sicher nicht mein Spezialbereich, aber ein absolutes Zukunftsthema.

Wahnsinn. Hat schon jemals eine Person im Ministeramt gesagt, dass sie vom eigentlichen Themenfeld keine Ahnung hat?

(Quelle: BR )

Nummernsysteme in Urteilen

Was ich beim Lesen von Urteilstexten immer wieder bemerkenswert finde, ist die Verschachtelung von Aufzählungen. Ich weiß, dass juristische Materie für sich schon trocken ist und viele Leute da aussteigen lässt. Aber es wäre wenigstens hilfreich, wenn ich bei Aufzählungen mich einigermaßen wieder finde – und weiß, welche Verschachtelungsklammer ich gerade verlasse. Für Informatiker wäre so verwurschtelte Logik undenkbar.

Ich zitierte mal aus einem aktuellem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes die dortige Gliederung:

1.
2.
a)
b)
c)
d)
aa)
bb)
cc)
(1)
(2)
(a)
(b)
(3)

Also die Klammerauf-Nummer-Klammerzu ist also eine Stufe unterhalb der Buchstabe-Buchstabe-Klammerzu. Irre, oder? Die DIN 5008 würde schon in der 7. Zeile aussteigen.

Frauenanteil beim Radfahren

Immer wieder landen in meinem Radar Meldungen wie diese:

Bisher machen Frauen nur 20 Prozent des Radverkehrs in Deutschland aus. Wird die weibliche Perspektive bei der Verkehrsplanung mehr berücksichtigt, werden Wege sicherer – und mehr Frauen trauen sich, Rad zu fahren. Das glauben Verkehrsexperten.

Diese Meldung einer Bürgerinitiative referenziert einen Artikel im Deutschlandfunk. Und dieser nimmt Bezug auf einer Aussage von Heinrich Strößenreuther, einst Initiator des Berliner Radentscheides. Allerdings wird im referenzierten Artikel keine Quelle genannt. Er hat sich in inzwischen von der Zahl auch distanziert.

Ich möchte mit dem Beitrag einen kleinen Appell machen:

  • hinterfragt bitte kritisch jede Zahl, die man selbst weiter verbreitet, ob sie wenigstens plausibel ist
  • hinterfragt, ob diese Zahl überhaupt eine Relevanz für das eigentliche Ziel hat.

Ehe ich einstiege, behaltet bitte stets die beliebte Redewendung im Hinterkopf:

Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast.

Ist diese Zahl plausibel?

Bei Verkehrsthemen reden gerne manche Leute von “männlicher” und “weiblicher” Mobilität – und wenn ich ehrlich bin: ich habe nicht den blassesten Schimmer, von was diese Leute wirklich reden. Bei aller Akzeptanz für Diversität und auch der Berücksichtigung von Interessen bestimmter Kleingruppen, fallen ganz nüchtern betrachtet, die geschlechterspezifischen Unterschiede weit geringer aus, als einige Personen immer wieder heraufschwören.

Würde diese These stimmen, so würde es bedeuten, dass auf den Straßen ungefähr 4/5 aller Radfahrenden männlich sind. Also fahrt eine Straße mal entlang und zählt. Auf 4 Männer kommt eine Frau. Natürlich ist das weder statistisch relevant, noch verlässlich. Zum einen, weil nicht jeder Person das Geschlecht angesehen werden kann. Zum anderen kann man nun gerade die falsche Strecke erwischt haben, wo das Verhältnis nicht passt. Aber liegt diese Realität meilenweit davon entfernt, so ist es ein Indiz, der Zahl zu misstrauen. Insbesondere wenn sie nicht belegt ist. Neben der Tatsache, dass die Zahl falsch ist, könnte sie auch aus einem ganz anderen Zusammenhang stammen.

Zum anderen sollte man umgekehrt zweifeln: Nehmen wir an, die Zahl würde stimmen, würde die restliche Realität dazu passen? Hier wären Fragen dann wie:

  • Fahren so wenige Leute Fahrrad, dass dieses Ungleichgewicht über die Gesamtgesellschaft egal ist?
  • Bewegen sich Frauen grundsätzlich weniger als Männer?
  • Fahren die Frauen überwiegend alle Auto? Oder nur zu Fuß?

Gibt es denn irgendwie eine denkbare Erklärung dafür? Und auch hierfür fällt mir kein plausibles Konstrukt ein.

Eine andere These fand ich vor einigen Wochen:

Männer fahren i.d.R. morgens zur Arbeit und abends zurück, haben lineare Wege. Frauen übernehmen Versorgung der Familie, bringen auf dem Weg Kinder zur Schule, ältere Angehörige zur Ärzt:in. Sie verbinden diese Wegezwecke miteinander und weisen dadurch ein komplexes Wegenetz auf.

Diese These könnte eine denkbare Erklärung sein: Frauen hätten demnach nur viele kurze Wege, einen eingeschränkten Bewegungsradius und daher viel seltener mit Fahrrad unterwegs. Zugegeben: etwas sehr klischeehaft überspitzt – aber auch dieser liegt fernab meiner gelebten und gefühlten Realität. Also auch ein Grund, diese These anzuzweifeln.

Glücklicherweise gibt es für Verkehrsfragen recht gute Datenerhebungen. Keine von denen ist meiner Ansicht nach perfekt für diese Fragestellungen. Aber aus vielen leitet sich auch ein Bild ein, dass zur Ausgangsthese keinerlei Rückschlüsse zulässt.

Werfe ich zunächst einen Blick in die SrV-Studien der TU-Dresden. Da werden viele Personen nach ihren Mobilitätsverhalten befragt. Nachfolgend einige Statistiken aus der Studie, hier bezogen allerdings nur auf Berlin. Ich zitiere die Tabelle Wege nach Zweck und Geschlecht

Wegeart Weibliche Personen Männliche Personen
Eigener Arbeitsplatz 19% 24%
Kita 7% 5%
Schule / Ausbildung 11% 10%
Einkauf /Dienstleistung 30% 27%
Freizeit 29% 27%
Anderer Zweck 5% 7%

Anders ausgedrückt: bei 93% der Wege gibt es keine Differenzierung zwischen den statischen Gruppen Mann und Frau. Das ist an sich eine gute Botschaft. Und ja, es gibt Unterschiede. Und die gibt es auch beim Transport in die Kita – das klingt weit fortschrittlicher, als viele unsere Gesellschaft sehen.

Nächstes Klischee: Frauen würden wesentlich mehr Wege am Tag zurücklegen (unbenommen von der Länge des einzelnen Weges). Ich zitiere die Tabelle 6.1 der Berliner (Teil-)Studie: Wege pro Person und Tag, auch hier Kontext Berlin:

Altersgruppe Weibliche Personen Männliche Personen
0 – <15 3,0 3,0
15 – <25 3,3 3,2
25 – <45 3,9 3,7
45 – <65 3,6 3,5
65 und mehr 3,2 3,3

Auf die Anzahl der Wege, die pro Tag zurückgelegt werden, unterscheidet sich nicht wesentlich. Ja, es gibt eine Differenz – und bei den älteren Personen sogar umgekehrt. Die Unterschiede bei der Wegehäufig ist weitaus größer zwischen Menschen im berufstätigen Alter und Menschen ab Renteneintrittsalter.

Eine weitere spannende Statistik ist die Verfügbarkeit eines (konventionellen oder elektrischen) Fahrrades nach Geschlecht (Tabelle 3.3.1)

Altersgruppe Weibliche Personen Männliche Personen
Uneingeschränkt 69,2% 73,2%
nach Absprache 1,8% 2,2%
kein Zugang 29,0% 24,6%

Ja, auch hier gibt es statistische Unterschiede. Aber auch das ist fernab eines 1:2 oder gar 1:4-Verhältnisses. Auch wenn die Verfügbarkeit kein Indiz für die Nutzung ist.

Ich suchte nach dem geschlechtsspezifischen Modal-Split, als wie viele Wege je Verkehrsmittelart zurückgelegt werden. Diese Zahlen finde ich nicht in der SrV-Studie (gerne in den Kommentaren posten, wenn ihr diese Zahlen kennt). Ich schwenke dazu auf Wien, da gibt es Daten von 2015:

Wegeart Weibliche Personen Männliche Personen
Fuß 30% 25%
Fahrrad 5% 7%
MIV 25% 33%
ÖV 40% 36%

Auch hier liegt eine Überschneidung von 91% vor. Die Unterschiede beim KfZ-Anteil sind durchaus gegeben. Aber wer behauptet, dass überwiegend Männer Auto fahren würden, muss sich vergegenwärtigen, dass eben auch Frauen im Schnitt ein Viertel aller Wege mit dem Auto zurücklegen. Und das ist eine Wiener Zahl, einer Stadt mit traumhaften ÖPNV. Sprich: wenn schon Wien jeder vierte Weg einer Frau mit Auto zurückgelegt wird, wie hoch ist diese Zahl dann anderswo?

Die Nutzungshäufigkeit ist ein weiterer Indikator. Auch das finde ich leider nicht in der SrV-Studie. Es gibt aber eine ähnliche Studie Mobilität in Deutschland. Hier wird auf Seite 34 folgende Statistik ausgewiesen, diese allerdings deutschlandweit:

Wegeart Weibliche Personen Männliche Personen
täglich 17% 19%
1-3 pro Woche 16% 19%
1-4 pro Monat 13% 16%
seltener als monatlich 14% 14%
(fast) nie 41% 32%

Auch diese Zahl belegt, dass im Durchschnitt Männer häufiger auf das Rad steigen als Frauen, aber die Differenzen liegen weitab einem 4:1-Verhältnis. Und es gibt ja scheinbar auch recht viele Herren, die (fast) nie auf ein Fahrrad steigen – auch das ist keine Besonderheit der statistischen Gruppe Frau.

Für die wirklich relevante Zahl finde ich leider keine Statistik: die geschlechtsspezifische Verkehrsleistung. Also wieviel Strecke wird je Verkehrsmittel am Tag zurückgelegt. Vor einigen Jahren schrieb ich mal, warum diese Zahl weitaus wichtiger als der Modal-Split. Denn am Ende des Tages ist es nicht entscheidend, wie viele Wege ich mit dem Fahrrad zurücklege, sondern auch wie lange diese Wege sind.

In Berlin sind die Menschen durchschnittlich für alle Wege aller Verkehrsarten ca. 20,4 km am Tag unterwegs (Quelle, Tabelle 15 a). Überall alle Berliner hinweg, legen die Menschen pro Tag 2,4km per Fahrrad zurück (Die Zahl derer, die ausschließlich mit Auto oder ÖPNV unterwegs sind, drücken diesen Durchschnitt). Damit die These stimmt, müssten also, angenommen Männer und Frauen sind gleich häufig in Berlin vertreten, Frauen am Tag 960 Meter zurücklegen, die Herren 3840 Meter.

Ergänzungen

Im Rahmen des Eurobarometer 495 wurde über das Statistische Bundesamt eine Umfrage zum Hauptverkehrsmittel veröffentlicht:

Verkehrsmittel Weibliche Personen Männliche Personen
Auto 48% 61%
ÖPNV 20% 14%
zu Fuß 20% 13%
Fahrrad/Pedelec/Roller (Eigen) 8% 8%
Fahrrad/Pedelec/Roller (Share) 1% 2%
Nicht mobil 3% 2%

Das eigene Fahrrad ist wohl bei beiden Geschlechtern gleichermaßen verteilt mit 8%, lediglich bei geteilten Fahrrädern gibt es kleine Unterschiede. Aber auch hier: 86% Übereinstimmung. (Danke)

Wer hier weitere Statistiken kennt, ich ergänze gerne diese Liste.

Ist diese Zahl relevant?

Jenseits der Frage, ob die Zahl stimmt, stelle ich mir die Frage, ob diese Zahl auch wirklich relevant für die Debatte ist. In meinen Augen ist nicht das Ziel, dass mehr Frauen auf das Fahrrad steigen, sondern mehr Menschen.

Wir haben oben gesehen, dass 41% der Frauen und 32% der Männer (fast) nie auf ein Fahrrad steigen, also im Schnitt 36,5%. Das ist für mich eine relevante Größe für Verkehrspolitik. Will ich etwas verändern, muss ich deren Gründe kennen. Da hilft es mir nicht, vorher die knappe Hälfte Nichtradelnder auszublenden. Ich unterschreibe jede Forderung, Verkehrspolitik diverser auszurichten, wenn es damit gelingt mehr Leute zum Umstieg zu bewegen. Und dazu sind mir Gründe und Abwägungen viel wichtiger, als solche Zahlen.

Zum anderen bin ich Freund der Idee einer Stadt der kurzen Wege. Wenn ein überwiegender Anteil zu Fuß erledigt werden kann, so präferiere ich diese Lösung sogar.

Denn was ist am Ende des Tages relevant? Ob es uns gelingt, die Gesamtmenge an sich bewegenden Kraftfahrzeugen zu reduzieren, was letztendlich besser für Platzbedarf, Luft, Lärm und Unfallrisiken ist.

Gründonnerstag

Die bestätigten Infektionszahlen steigen wieder exponentiell. Wir haben nun die Gewissheit, dass vor allem Schulen und Kitas die Zentren der Verbreitung sind. Und anstelle nun Maßnahmen einzuleiten, die diese Kontakte reduziert, fällt der Ministerpräsidentenkonferenz ein, zwei Tage rund um Ostern die Geschäfte zu schließen.

Also einschränkende Maßnahmen, die konterkarieren: dann werden diese osterlichen Hamsterkäufe eben einen Tag früher und intensiver durchgeführt. Wenn man die Irrationalität menschlichen Handeln mit berücksichtigt, dann sollten die Lebensmittelgeschäfte zu Ostern durchgehend geöffnet sein.

Können wir diese Pandemie nun langsam mal ernst nehmen? Da gibt es alle paar Tage Demonstrationen von Covidioten. Einen Teil ihrer Botschaften leiten sie nur zu gerne aus unlogischen Maßnahmen ab. Wir müssen ihnen nicht noch Futter geben!