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Der WOBA-Verkauf in Dresden

Als spontane Idee wurde es in den Stadtrat geworfen, um aus der Haushaltskrise herauszukommen. Nun gilt der Verkauf der städtschen Wohnungsbaugesellschaft unter den führenden Parteien im Stadtrat als die Lösung für die Haushaltskrise. Doch was bedeutet so ein Verkauf wirklich? Was bedeutet er für die Stadt und für die Mieter?

Ausgangssituation

Die Überschuldung der Stadt ist in den letzten Jahren gestiegen – und damit auch die damit verbundenen Zinsbelastungen. Es wurden viele Bauprojekte in die Tat umgesetzt. Ob jedes der bisherigen Projekte angemessen war, sei einmal dahingestellt. Auf jeden Fall lebte man so gesehen über die Verhältnisse – und verursachte eine finanzielle Zwangslage mit großen Halshaltslöchern. Im Jahr 2005 ist nun erstmals das Problem, daß der Haushalt im Juli noch nicht ausgeglichen – und folglich auch nicht genehmigungsfähig ist. Zu diesem Zeitpunkt schlug Oberbürgermeister Ingolf Roßberg den Verkauf der Woba vor, das Regierungspräsidium unterstützte diesen Verkauf.

Der Zeitpunkt

Die Mieten sind in Dresden sehr günstig. Es ist einer der Pluspunkte, den diese Stadt zu bieten hat. In welcher anderen Stadt kann man es sich mit normalen Geldbeutel leisten, auch im Zentrum zu wohnen? Doch diese geringen Mieten ziehen auch nur einen geringen Verkaufspreis nach.

Verkaufstechnisch sind Zwangsverkäufe für den Verkäufer immer schlecht. Noch dazu, wenn sie öffentlich auch als Zwangsverkauf angekündigt werden. Ich denke, diejenigen, die öfters Monopoly gespielt haben, wissen, daß man überschuldeten Mitspielern einfacher und günstiger Straßen abkaufen kann.

Die potentiellen Käufer

Solange der Mieter Eigentümer wird, ist die Sache noch im grünen Licht. Bei solchen Großverkäufen bekommt der Mieter allerdings nur selten ein Vorkaufsrecht angeboten, und bei einer Größenordnung von etwa 47000 Wohnungen ist es auch verdammt schwer, so etwas zu realisieren.

Dafür gibt es aber anderere Interessenten: und zwar Kapitalgesellschaften und börsenorientierte Unternehmen. Mögliche Unternehmen sind z.B. Cerberus und Fortress. Cerberos ist zum Beispiel der Käufer von ca. 65.000 Wohnungen in Berlin gewesen, Fortress bringt seine Ziele klar auf den Punkt (nicht mehr online):

Die Gesellschaft verfolgt das Ziel, hohe Renditen und Dividenden im Verhältnis zum Risiko für die Investoren zu erwirtschaften.

Die Mittel der Firmen sind einfach: aus dem gesamten Wohnungsbestand werden wenige lukrative Wohnungen und Gegenden ausgewählt (sozusagen die Rosinen herauspicken). Diese werden umfangreich saniert und anschließend zu einem Vielfachen an Besserverdienenden verkauft. Die restlichen Wohnungen werden vernachlässigt. Notwendige Instandhaltungen werden ausgelassen, zerfallene Häuser nicht saniert und Miererhöhungen bis zum letzten Cent ausgeschöpft.

Zudem gibt zwei Zusammenhänge, die man stets im Auge halten sollte:

  • wenn der Käufer einen hohen Preis zahlt, will er mit Sicherheit auch eine hohe Rendite haben
  • wenn beim Verkauf soziale Rahmenbedingungen auferlegt werden, sinkt automatisch der Preis

Die sozialen und finanziellen Folgen

Unmittelbar nach dem Verkauf wird sich erst einmal nichts verändern. Vielleicht gibt es ein Schreiben, in dem sich die neue Gesellschaft vorstellt. Bestehende Mietverträge gelten auf jeden Fall weiter. Taktisch unklug wären an der Stelle auch unmittelbare Mieterhöhungen, aber diese wird es geben. Vielleicht nach einem Jahr, vielleicht nach drei, denn dann ist das Gespräch des Woba-Verkaufes vom Bild der Öffentlichkeit verschwunden. Erfahrungen aus Berlin zeigen, daß diese Investoren nicht einmal die deutschen Schranken für Mieterhöhungen kannten. Es wird mit Sicherheit auch marktwirtschaftliche Schranken geben: wenn die Miete zu hoch wird, suchen sich Mieter andere Unterkünfte. Für einzelne mag das klappen, bei 47.000 Wohneinheiten dürfte das selbst den aktuellen Leerstand übersteigen. Zum Vergleich: in Dresden gab es am 31.12.2004 ca. 256.500 Haushalte (Quelle: kommunale Statistikstelle)

Wenn die ersten Mieterhöhungen durch sind, wird sich dies im Mietspiegel bemerkbar machen. Unmittelbar davon können dann auch die anderen Vermieter ihre Mieten wieder erhöhen (neudeutsch: anpassen). Somit sind also nicht nur die Bewohner der städtischen Wohnungsbaugesellschaft betroffen!

Da die Bezahlbarkeit der Miete aber in einem Sozialstaat gewährleistet sein muß, werden durch den steigenden Mietspiegel auch die Mietzuschüsse wachsen – und folglich die Sozialausgaben des Staates. Das Geld kommt aber dann nicht mehr in den öffentlichen Haushalt zurück, sondern wandert zu den Kapitalgesellschaften. Während die WOBA im Jahr 2004 ca. 12 Mio Euro Gewinn in den Stadthaushalt gespielt hat, wird dieses Geld in der Zukunft fehlen!

Die Einflußmöglichkeiten der Stadt auf die Stadtentwicklung wird fehlen. Bisher ist die Woba en Instrument, die soziale Kluft zwischen den Stadtteilen zu mildern. Auch wenn dies nie komplett funktionieren wird (Striesen wird immer ein Villenviertel für die eher wohlhabenderen bleiben, Prohlis ein Plattenghetto für die eher ärmeren Bevölkerungsschichten), fehlt dann jegliches Maß zur Gegensteuerung.

Die Lösung des Problemes

Der Verkauf ist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Die Einnahmen klingen auf den ersten Blick verlockend, doch spätestens in ca. 4 oder 5 Jahren ist das Geld aufgebraucht und dann stehen wir wieder vor dem selben Problem. Nur was soll dann verkauft werden? Die restlichen 25,1% (die verkauft man am besten gleich)? Die Sparkasse? Die beiden Krankenhäuser? die Drewag? Privatisieren wir die bis dahin noch nicht fertiggestellte Waldschlößchenbrücke?

Das, was mir persönlich fehlt, ist der Blick in die Zukunft. Wir brauchen eine Maßnahme, mit der wir aus dieser Zwangslage uns richtig befreien können. Getreu dem Motto „Lieber ein Schrecken mit Ende als ein Schrecken ohne Ende” kann es auch der Woba-Verkauf sein, aber dann man muß sich über die Folgen im Klaren sein – und man muß Alternativen geprüft haben – und das wichtigste: man muß aus den gemachten Fehlern lernen, damit dieses Szenario nicht wieder passiert!

Im Moment erfüllt man keins der drei Kriterien: der Oberbürgermeister Ingolf Roßberg überrumpelt den Stadtrat mit dieser Idee und hält es nicht einmal für nötig, die Bürger auszuklären (das gläserne Rathaus war übrigens eins seiner Wahlversprechen).

Die Alternativen wurden noch nicht geprüft. Zum Beispiel steht die Variante der Zwischenfinanzierung im Raum. Damit würde die Woba einen Kredit aufnehmen und das Geld der Stadt zuspielen. Mit dieser Variante gibt man die Steuerungsmöglichkeit nicht aus der Hand.

Und das langfristige Lernen aus Fehlern ist nicht erkennbar: man hält immer noch an den Großbauvorhaben wie Waldschlößchenbrücke und B173 fest. Am Wiener Platz ist weiterhin der Bau der neuen Operette geplant. Die halbe Innenstadt (u.a. Postplatz) wird im Moment umgegraben, damit die Fassade zur 800-Jahre-Feier perfekt aussieht – und das, obwohl wir uns im Moment nicht über Touristenmangel beschweren können!

Bisherige Kommentare (9)

Kommentar von Nini

Habe ich schon vor einer Weile im Spiegel gelesen und mich tierisch aufgeregt.. Der Stadt bringt es höhstens kurzfristig was (was wollt ihr denn als nächstes verscherbeln??) und den Mietern überhaupt nichts, höhstens steigende Mietpreise. René hat das schon gut zusammengefasst ;-)
Ich würde ja gern hoffen, dass man als Bürger da was ausrichten kann.. aber immer wenn die bunten Euroscheinchen winken… (seufz) Aber die Hoffnung stirbt zuletzt, oder wie das war ;-)

Kommentar von Sabine Friedel

Seit letztem Herbst läuft ein Bürgerbegehren gegen den WOBA-Verkauf. Von 63.000 benötigten Unterschriften sind bereits mehr als 40.000 zusammen. Wer den WOBA-Verkauf verhindern will, soll helfen: www.woba-erhalten.de. Um den Haushalt zu sanieren, reicht auch ein Verkauf von Minderheitsanteilen: http://www.spd-fraktion-dresden.de/pdf/Extrablatt.pdf

Kommentar von Thomas Blümel

Ein guter Artikel: Leider ist in der veröffentlichten und damit in der öffentlichen Meinung ein falsches Bild die finanzielle Situation der Stadt Dresden betreffend entstanden. „Die Überschuldung der Stadt ist in den letzten Jahren gestiegen – und damit auch die damit verbundenen Zinsbelastungen.” Dies ist ganz und gar nicht der Fall. Dresden hat in den letzten drei Jahren stets ÜBERSCHÜSSE im Haushalt gehabt. 2003 – 8 Mio Euro, 2004 – 12 Mio Euro und 2005 ca. 22 Mio Euro. Außerdem ist die Schuldenlast und damit die Zins- und Tilgungslast bereits deutlich gesunken, da bereits mehr als 100 Mio Euro Schulden abgebaut wurden.

Kommentar von Helena Liebecke

ich bin selbst betroffene Mieterin, für unter 20 TE, wie meine Wohung an Fortress verkauft wurde, hätte ich sie auch gekauft, und so mancher andrre Mieter. Aber es wurde uns kein Angebot gemacht. Im Gegenteil, es wurde noch im Oktober behautptet, dass speziell meine Wohnung in der City nicht verkauft würde.
Ich halte den Verkauf für eine Unverschämtheit den Mietern gegenüber. Es wird dauernd von Altschulden geredet. Mir ist schleierhaft, wieso die WOBA, die ja permanent die Miete erhäht hat, Schulden gemacht hat.
In den meisten Gegenden gibt es auch keinen Leeerstand.
Seitdem die Stadt wußte, dass die Wohnungen verkauft werden, hat sie allerdings bewußt keine Wohnungen mehr vermietet.
Die Schulden, die die Stadt Dresden hat, resultieren m.E. auf keinen Fall sdaraus, dass sie so viele Wohnungen besaß. Ich halte die Vermietung für einen der wesentlichen Quellen, sich finanziell zu sanieren.
Die Schulden Dresdens resultieren z.B. aus sinnlosen Projekten wie der häßlichen Brücke am Postplatz, die die halbe Innenstadt verschandelt und zum Beispiel das sinnlose Fallen von hunderten Plantanen, weil irgendjemand seine jungen Bäumchen zu Geld machen wollte.

Kommentar von René

In normalen Mietrecht gibt es ein Vorkaufsrecht, das greift aber m.E. nicht bei Großverkäufen.

Die WOBA selber hat auch einen Schuldenberg gehabt – sicherlich mußte viel saniert und abgerissen werden nach der Wende.

Finanziell gesehen ist es für die Stadt intelligenter, 70 Mio Euro an Zinsen zu sparen, als ca. 10 Mio Gewinn zu verzeichnen. Aber eine Stadt darf nicht nur das finanzielle vor Augen haben (sondern auch z.B. Gestaltungsmöglichkeiten der Stadt, Blick in die Zukunft, Sozialaspekte, …)

Postplatz ist so ein anderes Kapitel …

Kommentar von Marie

auch unsere Miete (kalt) soll 3 Monate nach dem Verkauf der WOBA um fast 20 % erhöht werden, sogenannter Angleich an den Mietspiegel. Obwohl der neue Besitzer keine Verbesserungen der Wohnqualität vorgenommen hat, hält nur die Hand auf.
Ist das eigentlich koscher, bei dem Kauf eines Hauses oder Grundstückes ist es einem Käufer doch auch nicht ohne Strafe erlaubt, es drei Monate später 20 % teurer zu verkaufen. Was meint Ihr dazu.

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