Umwandlung Bürogebäude in Wohngebäude
Eine spannende Debatte, die ich diese Woche hatte: der Bedarf an Bürogebäuden nimmt ab, umgekehrt nimmt der Bedarf an Wohnfläche zu. Allein durch HomeOffice. Und ehe man neue Wohnhäuser baut und damit weitere Flächen versiegelt, wäre es da nicht viel klüger, man würde diese bestehenden Gebäude umwandeln. Allerdings hindert häufig der gültige Bebauungsplan eine schnelle Umwandlung – und eine baurechtliche Umwidmung kostet viel zu viel Zeit.
Zunächst denkt man da: Naja, ziehe ein paar Trockenbauwände ein, zieh ein paar neue Stromkreisläufe. Und verlege vielleicht noch ein paar Wasserstränge. Aber das alleine ist es ja nicht. Je länger ich darüber nachdenke, umso mehr verstehe ich, warum das zwar einfach und sympathisch gedacht ist, aber durchaus schwierig ist. Und noch nach der passenden Lösung suche.
Sinn und Zweck der Bebauungspläne
Zunächst muss man sich mit dem Zweck des jeweiligen Bebauungsplanes auseinandersetzen. In der Regel wird ein Bebauungsplan da festgesetzt, wo es eben notwendig ist, bestimmte baurechtliche Sachverhalte zu regeln. Ein Regelungsgrund kann Lärm sein. Lärm spielt vor allem zu Wohngebäuden hin eine Rolle. Schließt man die Wohnnutzung in einem Gebiet aus, können die Gewerbe da eher mal Krach machen. Wird nun aus so einem Bürogebäude ein Wohngebäude, könnte das kritisch für das umliegende Gewerbe werden. Und das gilt es halt zu prüfen.
Ohne B-Plan kann grundsätzlich so gebaut werden wie in der Nachbarschaft (vgl. §34 BauGB). Und ist die schon gemischt geprägt durch Gewerbe und Wohnen, dürfte eine Umwidmung nicht das große Thema sein.
Aber solche Gebiete gibt es praktisch nicht in Hamburg. Denn in Hamburg gab es nach dem zweiten Weltkrieg den krassen Fetisch, dass man für die gesamte Stadt Bebauungspläne erlassen muss. Es gibt so viele unnötige Pläne, die einfach nur ganz banales regeln. Zumal die Bauordnung damals ohnehin nur vier Geschosse erlaubte. Und jeder dieser Pläne lähmt auch die Verwaltung, weil sie gar nicht so viele Pläne ändern kann wie sie zeitlich möchte.
Und nun kann man sich natürlich schon vorstellen, dass ein Investor da auch nur bedingt Interesse hat, so ein Verfahren anzustoßen.
Zweckentfremdungsverbot
Der nächste Gedanke ist: Aufbauen von Druck auf die Eigentümer. Ein Zwangsmittel. Das ist eine Gewerbeimmobilie, die gerade nicht für Gewerbezwecke genutzt wird, weil sie leer steht. Eine Analogie wäre das Zweckentfremdungsverbotsgesetz für Wohnraum. Nur ein essentielles Merkmal ist da: es gibt einen Mangel an Wohnraum, deshalb will man ihn schützen. Aber es gibt keinen Mangel an Gewerbeimmobilien. Würde man diese Analogie in Gesetzesform kippen, würden Eigentümer Reihenweise ihre Vermietungsbemühungen nachweisen – und damit wäre das Instrument sinnfrei.
Verlust Bestandsschutz
Bei meiner Recherche fand ich eine Präsentation der Stadt Hamburg, die die weiteren baurechtlichen Herausforderungen darstellt. Der größte und wichtigste Fakt ist der Verlust des Bestandsschutzes. Nimm irgendeinen 70er-Jahre-Bürobau, der die damaligen Anforderungen erfüllte. Er müsste nun die aktuellen Anforderungen erfüllen. Und das zieht sich dann durch ziemlich viele Kapitel:
- Schallschutz
- Brandschutz
- Statik
- Abstandsflächen (im Gewerbegebiet kleiner als in Wohngebieten)
- unzählige einzelne Bauvorschriften, bspw. Treppenstufen, Geländer, Fahrstuhlbedarf
Für einzelne Sachen gibt es Befreiungsoptionen. Nicht für alle. Aber hier ist durchaus Musik, was man in solchen Fällen dann alles tolerieren sollte…
Neuer § 246e BauGB
Ende letzten Jahres ging durch den Bundestag eine Reform des Baugesetzbuches, die u.a. einen neuen Paragrafen 246e BauGB vorsieht (der aber noch nicht verabschiedet wurde). Der Entwurf sieht diese Regelung vor:
§ 246e Befristete Sonderregelung für den Wohnungsbau in Gebieten mit einem angespannten Wohnungsmarkt
In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 mit Zustimmung der Gemeinde von den Vorschriften dieses Gesetzbuchs oder den aufgrund dieses Gesetzbuchs erlassenen Vorschriften in erforderlichem Umfang abgewichen werden, wenn die Abweichung unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist und einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
1. der Errichtung eines Wohnzwecken dienenden Gebäudes mit mindestens sechs Wohnungen,
2. der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes, wenn hierdurch neue Wohnungen geschaffen oder vorhandener Wohnraum wieder nutzbar wird, oder
3. der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage für Wohnzwecke, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung.
Unsere alte Ampel hatte sich also genau mit der Problematik auseinander gesetzt. Das ganze wirkt auf mich enorm weitgehend: man kann das gesamte Baugesetzbuch und alle Bauleitpläne ignorieren. Ich weiß noch nicht, ob man sich über diese Möglichkeit freuen sollte. Man muss nur den erforderlichen Umfang abklären. Und es braucht noch die jeweilige Zustimmung der Gemeinde. Und da es eine so krasse Maßnahme ist, hat man es zunächst zeitlich befristet.
Man muss noch nicht einmal das Umfeld würdigen oder diese Wechselwirkungen betrachten. Es findet keine Beteiligung von Trägern öffentlicher Belange statt, ebenso nicht die Öffentlichkeitsbeteiliung. Man darf demnach im Industriegebiet in den Verwaltungsbau Wohnungen anlegen. Was hier nicht passiert, ist die Umwidmung. Es bleibt ein Industriegebiet.
Nun bin ich kein Jurist. Aber mir stellt sich die Frage, ob die Leute im neuen Wohnraum im Industriegebiet die benachbarte Industrie leise klagen kann. Vermutlich nicht, denn die Wohnung steht ja nach wie vor im Industriegebiet. Aber eine Gewissheit habe ich hier nicht. Hier wären klare Regelungen im Gesetz wünschenswert. Nicht minder spannend ist die Welt dann nach 2027: die neuen Wohngebäude werden Bestandsschutz genießen, wurden ja legal umgenutzt. Aber soll dann in einigen Jahren etwas größere Sanierungen oder Umbauten stattfinden, dürfte das Bestandsrecht erlischen und die Anforderungen gegen den nach wie vor gültigen Bebauungsplan abgeglichen werden.
Der deutsche Umwelthilfe hat mit anderen Verbänden eine Stellungnahme herausgebracht, bei der sie diese Paragrafen als “Bau-Turbo” bezeichnen und ablehnen. Ich kann deren Argumente teilweise verstehen, nur denke ich, dass der Krux woanders liegt.
Natürlich ist korrekt, dass dieses Instrument kein geeignetes ist, dass günstiger Wohnraum entsteht. Aber das sehe ich hier auch nicht als Ziel: wir wollen Wohnungen, für die anderswo sonst neu versiegelt werden muss. Aber mal Hand aufs Herz: glaubt irgendjemand, dass so eine einstige Gewerbeimmobilie zur Luxusbaude wird? Auf diese Kerbe zahlt auch das Argumente der Spekulation. Ferner befürchtet man den Verlust von Grünflächen (Was ich gar nicht verstehen kann, die Gemeinde müsste zustimmen) und ein Angriff auf die kommunale Selbstverwaltung (den ich ebenso nicht verstehen kann, ggf. bezieht sich die Kritik auf einen früheren Stand).
Weitere Referenzen
In Bergedorf wurde ein solches Gebäude umgebaut, der NDR berichtete. Hier betreut das rauhe Haus Menschen mit Beeinträchtigungen.
Es gibt sogar KfW-Förderungen für solche Umbauten.
In Koblenz hat man es getan: 4,6 Mio Euro Umbaukosten für 21 Wohnungen
Bremen zeigt fünf Beispiele
Fazit
Zusammenfassend stehe ich dem Gedanken noch ein wenig ratlos gegenüber. Und die einzige wohl wirklich effiziente Maßnahme: vorerst keine Bebauungspläne mit neuen Gewerbeanteilen beschließen.