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Berliner Modell zur kooperativen Baulandentwicklung, die 2.

Am 14.04.2015 hat die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt eine Aktualisierung der Leitlinie „Berliner Modell der kooperativen Baulandentwicklung” herausgegeben (welche erst am 16.06. der Senat beschlossen hat). Ich hatte im November 2014 über die erste Ausgabe bereits berichtet und diese kritisiert.

In diesem Artikel möchte ich mich vor allem die Neuerungen bewerten und auseinandernehmen. Im alten Artikel habe ich positiv angemerkt, dass dieses Konzept in die richtige Richtung geht, Verwaltungshandeln besser nachvollziehen zu können. Aber bedingt durch die restriktiven Förderbedingungen und die dennoch hohen Mieten mit Staffelung und 20-Jahres-Frist war das Konzept weitestgehend zahnlos. Zudem waren Investoren nicht gezwungen, Förderungen zu beantragen.

Aktualisierung

Zunächst die einleitenden Worte von Senator Geisel:

Die aktualisierte Leitlinie sieht einen stadtweit einheitlichen Anteil preiswerten Wohnraums vor: 25 Prozent der bei einem Bauvorhaben geschaffenen Wohneinheiten sollen dafür zur Verfügung stehen. Für den erforderlichen mietpreis- und belegungsgebundenen Wohnraum stellt die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt vorrangig Fördermittel zur Verfügung. Im Zuge der Aktualisierung der Leitlinie wurden zudem die Inhalte zur sozialen Infrastruktur präzisiert und stellenweise Ungenauigkeiten in den Formulierungen und Berechnungen korrigiert. Neben dem Berechnungstool für Projekte im Geschosswohnungsbau liegen nun auch Tools für den individuellen Wohnungsbau und für gemischte Bauformen vor.

Leider wurden die Änderungen nicht sinnvoll markiert und dokumentiert. Dadurch ist es extrem schwer, alle Differenzen zu erkennen. Sollte ich eine wesentliche Änderung übersehen habe, so gibt mit bitte einen Kommentar.

25%-Regel

Der für ganz Berlin verbindliche Anteil der mietpreis- und belegungsgebundenen Wohnungen soll, bezogen auf die Gesamtzahl der zu errichtenden Wohnungen, grundsätzlich 25 Prozent betragen.

Diesen Satz sollte mehrfach gelesen werden. Er klingt aus dem Zusammenhang gerissen so toll: Miet- und Belegungsbindung von 25% aller neu errichteten Wohnungen. Wäre da nicht das Modalverb „sollen”. Und das Wort „grundsätzlich” öffnet ebenso die Tür für Ausnahmen. Ferner ist der Geltungsbereich des geamten Modells nur bei Bauvorhaben mit Bebauunsplanverfahren beschränkt.

An anderer Stelle werden diese Ausnahmen schon deutlicher:

Unter Berücksichtigung der städtebaulichen Notwendigkeiten und Zielsetzungen in dem jeweiligen Plangebiet und seinem Umfeld soll der Projektträger Mietpreis- und Belegungsbindungen für einen Anteil von grundsätzlich 25 Prozent der geplanten Wohnungen übernehmen.

Und auch bei der Angemessenheitsberechnung wird es nicht konkreter:

Grundsätzlich wird im Modellbereich davon ausgegangen, dass 25 Prozent der Wohnungen im städtebaulichen Vertragsgebiet den Bedingungen des förderfähigen Wohnungsbaus gemäß den jeweils geltenden Wohnungsbauförderungsbestimmungen unterliegen.

(Genau lesen: die Wohnungen müssen den Förderbestimmungen unterliegen. Nicht der Förderung. Aber auch hier der Grundsatz.)

Die zugehörigen Wohnungsbauförderungsbestimmungen sind noch nicht aktualisiert. Wenn man den Pressemeldungen Glauben schenken darf, wird der Fördertopf signifikant erhöht. Und bedingt durch die Anforderungen aus diesen Modell dürfte der Förderfokus sich nicht mehr auf den S-Bahn-Ring beschränken. Ob sich die weiteren Bedingungen, wie z.B. die zu fördernden Wohnungsgrößen oder die Befristung auf 20 Jahre ändern, bleibt abzuwarten.

Flucht vor der 25%-Quote

Von dieser Quote kann nur in begründeten Einzelfällen unter Berücksichtigung der geltenden Wohnungsbauförderrichtlinien abgewichen werden.

Es wird spannend werden, wie viele dieser Ausnahmefälle es geben wird. In der BVV-Sitzung vom 11.06. erkundigte ich mich, ob die geplanten Hochhäuser in der Fanny-Zobel-Straße am Spreeufer ein solcher „begründeter Einzelfall” darstellen – und traf bedauerlicherweise schon auf den ersten Einzelfall.

Inhaltlich unverändert ist folgender Satz:

Verzichtet der Projektträger auf die Beantragung von Wohnraumfördermitteln oder werden ihm keine oder weniger Mittel als beantragt bewilligt, so soll auch im frei finanzierten Wohnungsbau die Möglichkeit genutzt werden, im Bebauungsplan einen bestimmten Anteil von Wohnungen als Fläche für förderfähigen Wohnraum auszuweisen und Wohnflächen mit Mietpreis- und Belegungsbindungen zu errichten, die den in den jeweils geltenden Wohnungsbauförderungsbestimmungen festgelegten Anforderungen entsprechen.

Vermutlich wurde der Satz bei der Revision überlesen, anders kann ich mir deren Existenz nicht erklären.

Zunächst könnte ein Projektträgger (= ehemals Vorhabensträger) genau eine Wohnung beantragen und diese auch bewilligen lassen, um den Dann-Fall des Konditionalsatzes zu umgehen.

Wenn ein Vorhabensträger keine Fördermittel für die Bindung beantragt, dann kann eben auch ungefördert eine Bindung laufen. Aber unter folgender Einschränkung (ebenso ungeändert):

Auch eine solche Vereinbarung ist nur unter der Voraussetzung und in dem Umfang möglich, dass bei Anrechnung sämtlicher aus dem Vertrag den Vorhabenträger treffenden Belastungen der städtebauliche Vertrag insgesamt auch wirtschaftlich angemessen ist.

Sprich: so wie bisher werden die Kindergärten, Spielplätze, Grundschulen und sonstigen Verpflichtungen dem Wertzuwachs gegenübergestellt. Verbleibt dabei ein Rest, können ungeförderte Bindungen durchgesetzt werden. Rechnet man die Mietdifferenz (3,50 Euro je qm und Monat) auf die 20 Jahre hoch inklusive Abzinsung, so kann für einen Werzzuwachs von 523 Euro ein Quadratmeter ungeförderte Bindung entstehen. Selbst wenn den Vorhabenträgern die anderen Verpflichtungen erlassen werden, werden es nicht so viele Wohnungen werden…

Abtretung der Verpflichtung

Anstelle selber mietpreis- und belegungsgebundenen Wohnraum anzubieten, kann dieser Anspruch auch abgetreten werden. Letztendlich ist ja die Menge der gebundenen Wohnungen entscheidend – und nicht die rechtliche Person. In den bisherigen Leitlinien klang das so:

Der Vorhabenträger kann der Verpflichtung zum Bau von Wohnungen mit Mietpreis- und Belegungsbindungen auch dadurch nachkommen, dass er eine geeignete Fläche im Plangebiet oder unmittelbar an dieses angrenzend an einen anderen Wohnungsbauträger abtritt, der sich seinerseits gegenüber dem Land Berlin zur Umsetzung der genannten Verpflichtung in entsprechendem Umfang verpflichtet, wodurch in adäquater Weise zu einer sozial ausgewogenen Bevölkerungsstruktur beigetragen werden kann.

Dieser Anspruch wird nun eingeschränkt: es muss künftig im Plangebiet stattfinden. Die Möglichkeit, auf ein unmittelbar angrenzendes Grundstück auszuweichen, ist weggefallen.

(Sollte diese geänderte Regelung nur dem Zweck haben, einem Riegel vorschieben zu wollen, dass ein benachbartes Ausgleichsgrundstück auf die lange Bank geschoben wird, so hätte dies auch über zeitliche Fristen geregelt werden können)

Lobby-Reaktionen

Die Beiß-Reflexe der Wohnungslobby ist schon bemerkenswert:

Hiltrud Sprungala, Landesverband Berlin der Freien Wohnungsunternehmen (via Welt):

Aber unsere Mitglieder sagen, sie werden von Bebauungsplan-Grundstücken die Finger lassen.

Dr. David Eberhart, Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (vie Berliner Zeitung):

Die Regelung macht das Bauen in Berlin weder günstiger und schneller.

Presse

In der Berliner Morgenpost gab es einen vorsichtigen Kommentar mit dem Titel Warum die neue Richtlinie zum Bauen funktionieren könnte:

Denn auch bisher haben sie (die Bezirke) vielfach Geld von Bauherren für „soziale Infrastruktur” als Gegenleistung für Baurecht kassiert. Dennoch gibt es in der Stadt zahlreiche Gebiete, wo es zwar viele Neubauten, aber keine zusätzlichen Kitas und Schulen gibt.

Vermutlich wurde oft eben ohne Bebauungsplan gebaut. Denn wenn ein Investor siebenstellige Beträge für Schulen und Kindergärten abdrücken darf, dann will er diese Infrastruktur auch im Umfeld vorfinden. Für die Bezirke sind es zweckgebundene Mittel.

Die taz wünscht lieber eine konfrontative Baulandentwicklung – und verweist auf die Sozialgerechte Bodennutzung (SoBoN) München, die ca. 1/3 festschreiben soll.

Wachsam müssen die Baustadträte dennoch sein – sonst landen all die günstigen Wohnungen nur im Erdgeschoss oder zur lauten Straßenseite hin.

Hier wird man dem Autor noch Zähne ziehen müssen. Innerhalb der Plangebiete werden die geförderten Wohnungen immer diejenigen werden, die sich am schlechtesten vermieten oder verkaufen lassen. Davon abgesehen ist das Münchener Modell auch nicht viel besser, weil es ebenso zeitlich befristet ist.

Die „Welt” verreißt es leider total:

Bei größeren Neubauvorhaben in Berlin schreibt die Stadt künftig den Bauherren vor, dass sie jede vierte Wohnung zu Mietpreisen von maximal 6,50 Euro pro Monat und Quadratmeter anbieten müssen.

Ein Viertel der Wohnungen (unter Vorbehalt der Ausnahmen) soll eine Bindung bekommen – und diese beträgt durchschnittlich 6,50 Euro kalt – mit Streuung zwischen 6,00 Euro und 7,50 Euro.

Bewertung

Ohne die damit einhergehenden Wohnungsbauförderrichtlinien ist eine abschließende Bewertung des neuen Verfahrens nicht möglich.

Wenn die 25%-Regelung ohne Schlupflöcher festgesetzt wird, wäre das zumindest ein Schritt in die richtige Richtung, wenn auch nur ein kleiner. Zumindest solange diese Bindung zeitlich beschränkt ist (20 Jahre).

Und wenn die 25%-Quote tatsächlich auch realisiert wird, so ist bei den derzeitigen Förderbedingungen zu rechnen, dass überwiegend 2-Zimmer-Wohnungen mit 53qm-Wohnfläche entstehen werden. Die maximale Darlehensförderung beträgt nämlich 1.200 Euro je qm bzw. 64.000 Euro je Wohnung. Sprich: die Regelung wird also kaum Wohnungen für Familien mit Kindern schaffen.

Ich habe aber bisher den Eindruck gewonnen, dass das Berliner Modell der kooperativen Baulandentwicklung eine schöne Dokumentation werden wird, warum so gut wie kein günstiger Wohnraum durch private Bauträger entstehen wird. Leider!

(Anmerkung: Diesen Text habe ich schon im Juni geschrieben, jedoch durch offene Fragen meinerseits noch nicht veröffentlicht. Der Stand dieses Textes ist also Juni 2015).

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