(Fehl-)Besetzung einer Ferienwohnung
Manchmal wundere ich mich durchaus über Aktionen aus dem besonders antikapitalistischen Umfeld. So sind Aktivisten heute nachmittag in eine leere Ferienwohnung am Neuköllner Maybachufer eingebrochen und haben diese besetzt. Einen denkbar ungünstigeren Zeitpunkt hätte man nicht wählen können…
… zwei Tage nach dem Auslaufen der zweijährigen Duldungsphase für Ferienwohnungen, die beim Inkrafttreten des Gesetzes schon bestanden haben.
Im Statement der Besetzer bei Indymedia heißt es dazu:
Um dem gewollten staatlichen Versagen konkretes Handeln entgegenzusetzen, haben wir heute eine Ferienwohnung beschlagnahmt.
Doch welches staatliche Versagen soll denn am Tage 3 aufgezeigt werden?
Damals, als die SPD das Zustandekommen eines Zweckentfremdungsverbotsgesetzes noch verzögerte, konnte man wunderbar auf die Politik zeigen, die ja noch nichts auf die Reihe gebracht hat. Wenn in sechs bis zwölf Monaten nichts passiert, kann man ebenso wunderbar den Finger auf die Verwaltung richten und sie auffordern, sich an die Gesetze zu halten.
Doch bei der heutigen Aktion kann das Neuköllner Bezirksamt den Vorwurf entspannt zurückweisen. Das Statement der Besetzer erzwingt noch nicht einmal das Bezirksamt dazu, Stellung zu nehmen, ob möglicherweise zu wenig Personal für die Durchsetzung eingeplant wurde.
Aber der Staat sei schuld. Und das sollen auch die 209 Ferienwohnungen belegen, die bei airbnb auf ausgewählten Straßen in Kreuzkölln eingestellt waren. Zum Stand 29. April 2016. Die Zahl ist also politisch wertlos.
Wertvoller sind dagegen die Beobachtungen im Spiegel, die auch im Mai noch zahlreiche Ferienwohnungen entdeckten. Andererseits konnten aber, so die Tagespresse, schon erste Erfolge in einigen Bezirken verbucht werden: 500 in Mitte, 400 in Friedrichshain-Kreuzberg, weitere 100 in den anderen Bezirken. Also 1000 Wohnungen, die dem Wohnungsmarkt wieder zur Verfügung stehen.
Und dann gibt es auch immer wieder so kleinere Nebendebatten, wie jüngst vom SPD-Baustadt in Neukölln, die politisch höchst ungeschickt sind (und für die aber das Gesetz auch Regelungen vorsieht):
Neuköllns Baustadtrat Thomas Blesing (SPD) sieht unterdessen mögliche soziale Probleme durch das Ferienwohnungsverbot: Im Süden seines Bezirks gebe es Eigenheimbesitzer, die Einliegerwohnungen an Feriengäste vermieten. Für manche seien dies wichtige Einnahmen bei der Finanzierung.
Zurück aber zum Statement der Besetzer:
Wir sagen: Es gibt keine Wohnungsnot in Berlin, wir müssen uns die Wohnungen, leeren Häuser und Bürogebäude nur aneignen. [..] Wir wollen das Recht auf Recht auf Stadt für alle umsetzen. Ferienwohnungen beschlagnahmen – Geflüchtete und Wohnungslose einziehen lassen!
Dieses Statement erweckt eine gewisse Unkenntnis über den derzeitigen Wohnungsbedarf in Berlin. Mit Sicherheit werden diese 25.000 Wohnungen (plus Dunkelzimmer minus Ausnahmen) entspannend auf den derzeitigen Wohnungsmarkt wirken, aber sie sind nur ein großer Tropfen auf dem heißen Stein.
Doch es ist auch ein weiterer Zahn zu ziehen: das Gesetz soll Wohnraum wieder zu Wohnraum machen, eben weil ein Mangel vorliegt. Es ist anzunehmen, dass auch die eingebrochene Wohnung künftig zu Preisen auf den Mietmarkt kommt, mit denen weder ich noch die Einbrecher glücklich sind und aller Voraussicht nach nicht im Finanzrahmen für Obdachlose bzw. Geflüchtete liegen werden. Und die Debatte über Unterbringung von Flüchtlingen wird auch mit der Zweckentfremdung keinerlei Berührungspunkte haben, denn eine ehemalige Ferienwohnung kann nicht anders reguliert werden, wie jede andere Wohnung auch.
Insoweit: Viel Lärm und viel Polizei, aber ohne Effekt.
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