Causa Holm
Soll Andrej Holm bleiben? Gemeint ist damit die künftige Position des Soziologen als Staatssekretär für Wohnen im Rot-Rot-Grünen Senat. Und diese Frage geht dieser Tage durch alle Wurst- und Käseblätter der Hauptstadt. Es ist eine polarisierende Debatte, die vor allem deshalb so emotional geführt wird, weil die Linke sich das Thema zu einfach machen wollte!
Ich muss gestehen: ich bin zu jung, um jemals zum Täter- oder Opferkreis der Stasi gehören zu können. Aber ich möchte diese Erfahrungen auch nie erleben müssen. Daher bin ich auch strikt gegen einen nach Innen gerichteten Geheimdienst. Ein Grund zum Feiern gibt es, dass der Europäische Gerichtshof die anlasslose Vorratsdatenspeicherung gekippt hat.
Aber zur Sache: Andrej Holm hatte in seiner Jugendzeit eine Tätigkeit des Ministerium für Staatssicherheit geleistet. Als die DDR fiel, war er gerade 19 Jahre alt. Er tat es freiwillig, die Wende befreite ihn aus dieser Situation.
Als die Linke ihren Personalwunsch öffentlich kundtut, reagierte unmittelbar die Opposition, also CDU und FDP (Was Rechtsaußen macht, tut nichts zur Sache!).
Ich muss gestehen, dass mir bis zu diesem Datum seine StaSi-Vergangenheit nicht bekannt war, auch wenn Holm selbst schon 2007 darüber mit der Presse redete:
taz: Sie waren bei der Stasi? Das Wachregiment Felix Dzierzynski war doch Teil des Ministeriums für Staatssicherheit?
Andrej Holm: So ist es. Die Reflexion darüber, was Staatssicherheit tatsächlich war, die begann bei mir erst nach der Wende. Seitdem habe ich da auch einen anderen Blick drauf.
taz: Was genau haben Sie bei dem Wachregiment gemacht?
Andrej Holm: Ich habe zunächst eine Grundausbildung gemacht und kam dann zu einer Abteilung in der Berliner Bezirksverwaltung. Die hat sich Auswertungs- und Kontrollgruppe genannt. Aufgabe war es, eine Personendatenbank zu erstellen und Lageberichte zu verfassen. In der hektischen Wendezeit war ich für diese Aufgaben offensichtlich nicht zu gebrauchen. Ich wurde in ein separates Büro gesetzt und durfte dort Betriebsberichte lesen. Zum Ausgleich für dieses Nichtstun wurde ich für viele Wochenend- und Feiertagsdienste eingeteilt. Dadurch habe ich einen Großteil der wichtigsten Ereignisse im Herbst 1989, wie die Demo in Berlin am 4. November, verpasst.
Dieser Aufschlag erzeugte viel Öffentlichkeit. Allerdings überspannte die CDU auch den Bogen, als sie ihm ein gewisses „linksextreme Kapital” als weiteren Ablehnungsgrund liefert. Damit macht sie deutlich, dass es ihr nicht vordergründig um die StaSi, sondern auch um sein Engagement zur Mietenpolitik ist, bei dem Andrej Holm völlig konträr zu den Interessen der CDU forscht:
Zitat von Christian Schild
München ist eine wunderschöne, friedliche, lebendige, junge Stadt. Wenn wir jemals an die Mieten von München heranreichen in Treptow-Nord, dann wird das möglicherweise auch eine prosperierende, wunderbare, sozialegerechte und schöne Region werden.
Lese ich Pressemeldungen oder Erklärungen, so signalisiert die Linke ein geschlossenes Meinungsbild.
Klaus Lederer, aktuelles Senatsmitglied, twischerte dazu:
Alles, was zu AndrejHolm zu sagen ist, aus der tazgezwitscher vom 14.12.2007. http://m.taz.de/!5189906;m/ @dielinkeberlin
Diese Positionierung zeugt von einer gewissen Ignoranz und erinnert vor allem an die Merkel-Regierung, die gerne unangenehme Themen für beendet erklärt, obwohl sie es noch längst nicht sind.
Ich selbst habe bei der ganzen Debatte durchaus weitaus mehr fragen, als sich unmittelbar aus der Stasi-Akte oder dem Taz-Artikel ergeben. Viel mehr noch dürften diese Fragen auch die Opfer des einstigen DDR-Regimes haben.
Ich habe nun viel gelesen. Ich teile auch durchaus die Auffassung, dass Menschen auch aus ihren größten Fehlern lernen können und die Schlüsse ziehen, künftig Dinge anders oder gar nicht zu tun. Und auch das Vergeben von schlimmen Fehlern und Jugendsünden ist eine Stärke von Menschen. Allerdings vermisse ich in der gesamten Debatte die Rolle der Opfer. Also die Betrachtung, ob Menschen konkret durch diese Tätigkeit (auch wenn es Schreibtischarbeit war) in irgendeiner Form zu Schaden kamen. Oder ob diese zu Schaden gekommen wären, wenn die DDR noch weitere Jahre fortbestanden hätte. Eng verbinden mit der Frage wären dann Versöhnungsgespräche.
Die Linke lobt nun seinen offenen Umgang – und doch stellt sich mir die Frage, warum er dann bei Humboldt-Uni verschwiegen wurde. In diesem Fall sehe ich es ähnlich wie der SPDler Sven Kohlmeier
27 Jahre später ist es an der Zeit zu vergeben. Ich kann dabei aber nur für mich sprechen. Nie würde ich mir erlauben, für diejenigen zu sprechen, die in der DDR übles Unrecht erlitten haben. Zum Beispiel als politische Gefangene oder Opfer von Zersetzungsmaßnahmen. [..] Der Versuch, im Lebenslauf die hauptamtliche Mitarbeit zu vertuschen, wiegt für mich noch schwerer. [..] Herr Holm rechtfertigte dies damit, dass er sich nicht erinnern könne. Jeder kann für sich selbst beantworten, wie glaubwürdig die Behauptung ist, sich an eine berufliche Grundsatzentscheidung direkt nach dem Schulabschluss angeblich nicht mehr erinnern zu können…
Die Linke wäre gut beraten gewesen, die Frage zum Umgang mit der StaSi losgelöst von einer konkreten Personalie zu führen. Nicht zuletzt, um die aus Sicht von CDU und FDP Angstschweiß verursachenden Mietenpolitik losgelöst zu behandeln von der Frage mit dem Umgang der dunkleren Seite der Geschichte der ehemaligen DDR. Möglicherweise wäre auch eine frühere Benennung der Personalie sinnvoll, damit diese Debatte durchaus sinnvoll geführt werden kann. Durch den im straffen Zeitplan vorgesehenen Ernennung wurden nun Tatsachen geschaffen.
Monika Belz, einst Piratin, nun Linke in der BVV Treptow-Köpenick:
Der Wert der Veröffentlichung einer Stasi-Akte in einem Boulevardblatt für die Aufarbeitung der Geschichte rund um DDR & MfS ist gleich Null
Spielt es eine Rolle, wer diese Akte nun veröffentlicht? Wäre es anders, wenn es der Tagesspiegel täte? Oder anders: Warum überlässt es die Linke diesen Boulevardblatt?
Nur damit ich nicht falsch verstanden werde: ich schätze durchaus seine wissenschaftliche Arbeit im Bereich der Mietenpolitik. Der Umgang der Linken mit seiner Historie tut weder ihm noch der Debatte gut.
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