Die Schande aus Thüringen
Am 17.01. haben Rechtsaußen sehr befremdliche Reden im Dresdner Ballhaus Watzke gehalten. Ein Teil der nun einsetzenden, öffentlichen Empörung ist die Darstellung des Denkmals über die ermordenten Juden in Berlin als „Denkmal der Schande”. Einen Tag später erklärt diese Person, dass die Medien es falsch verstanden hätten.
Natürlich wird wieder einmal mit der Doppeldeutigkeit gespielt. Ist es das Denkmal, dass die Schande der Vergangenheit dokumentiert (und da gibt es sicher keine zwei Meinungen) oder wird das Denkmal selbst zur Schande erklärt (und auch gibt es – von ganz unangenehmen Zeitgenossen abgesehen – ebenso keine zwei Meinungen)? Diese bewusste Zweideutigkeit induziert Aufregung und Empörung, um sie dann – wie eine Seifenblase – zu zerstechen. Und schlimmer noch: gleich in die Rolle der Märtyrer zu verfallen. Ich wette, aber dafür habe ich keine Beweise, dass die heutige Pressemitteilung aus der Fraktion in Erfurt schon vor der gestrigen Rede geschrieben worden war.
Wie man damit umgeht? Schwer zu sagen. Einerseits kann man solche Sätze nicht unwidersprochen lassen, andererseits ist genau diese Aufmerksamkeit das Ziel. Unbenommen davon ist natürlich die strafrechtliche Überprüfung der Rede.
Die Frage, die mich viel mehr aber beschäftigt: Wie ist es möglich, dass solche unangenehmen Zeitgenossen Räumlichkeiten in stadtweit angesehenen Lokalen bekommen? In der Sächsischen Zeitung lese ich dazu:
Dass [..] in seinem Haus reden würde, hat Watzke-Geschäftsführer Mirko Unger nach eigener Aussage erst am Montagabend um 17:30 Uhr erfahren. „Wir als Watzke sind ein weltoffenes Haus, politisch absolut neutral”, sagt der 40-Jährige. „Hätte ich es rechtzeitig gewusst, hätte ich sicher eine andere Entscheidung treffen können.”
Zunächst ist klarzustellen, dass ein weltoffenes Haus keinen Platz für rassistische Gruppierungen bietet. Angenommen das Ballhaus wurde tatsächlich überrumpelt, so vermisse ich klare Aussagen, dass man sich von den gestrigen Veranstaltern und Besuchern klar distanziert. Auch wenn es die Presse möglicherweise nicht abdrucken sollte: auf der Homepage des Ballhauses finde ich dazu nichts.
Dann ist es ein Zeichen des Anstandes, die Einnahmen der Veranstaltung an einen gemeinnützigen, weltoffenen Verein zu spendieren (Bitte vorher informieren. Es kursieren in Dresden wohltätig klingende Vereine, die nur eingeschränkt weltoffen sind).
Und Last but not Least: in Berlin-Schöneweide wurden für (Gewerbe-)Mietverträge Klauseln entwickelt, die ggf. mit Adaption auch für die Überlassung von Räumen für Veranstaltungen genutzt werden können:
Die entsprechenden Mietverträge enthalten ab sofort Klauseln, die die Nutzung
gewerblicher Räume für rassistische, antisemitisch und rechtsextreme Zwecke
explizit untersagen.
Dann könnte das Ballhaus, wenn bei einer unter einem unbekannten Namen angemeldete Veranstaltung plötzlich die Schande aus Thüringen sich einfindet, die zu erwartende Geschichtsverdrehungsstunde canceln.
Ich bin gespannt, welche Folgen vom Ballhaus kommen.
Update Während ich diesen Artikel schrieb, hat das Ballhaus Watzke bereits Stellung bezogen:
Uns war bei der Anmietung bewusst, dass die Anmieter zur Jugendorganisation der Partei Alternative für Deutschland gehören. Wir haben der Anfrage zugesagt, weil unser Angebot unter anderem das Vermieten von Räumlichkeiten umfasst.
Wir nehmen für uns nicht in Anspruch beurteilen zu können, welche Parteien und Organisationen in Deutschland zugelassen sein dürfen, sondern sehen unser Haus als einen demokratischen Ort, der Meinungen zuzulassen hat, auch wenn sie uns manchmal nicht passen. Dies gilt für die gestrige Anmietung wie auch für frühere und zukünftige Veranstaltungen anderer Organisationen.
Wir verstehen, dass einige dieses Selbstverständnis nicht nachvollziehen können. Damit müssen wir in einer Demokratie leben, denn wir wollen uns auch als Folge von Protesten nicht zu selbsternannten Richtern machen, sondern möchten unsere urdemokratische Haltung bewahren, dass in unseren Räumen erlaubt ist, was auf dem Boden des Grundgesetzes steht und unserer Rechtsprechung entspricht. Haltung und Aushalten gehören für uns zusammen.
Gestern wurden auf besagter Veranstaltung allerdings Aussagen getätigt, von denen wir uns ausdrücklich distanzieren und von denen wir ausgehen müssen, dass sie nicht grundgesetzkonform sind. Wir hatten einige Tage vor der Veranstaltung davon Kenntnis, dass Herr Höcke dort als Gastredner auftreten würde. Diese Information wurde von uns zu leichtsinnig und leichtfertig entgegengenommen. Künftig werden wir derartige Veranstaltungen in unserem Hause nicht mehr zulassen.
Wir bedauern die Ausnutzung unseres Hauses und unsere mangelnde Vorabprüfung zutiefst. Die Einnahmen aus der gestrigen Anmietung werden in voller Höhe für einen gemeinnützigen Zweck gespendet.
Punkt 2 ist damit abgehakt. Bei Punkt 1 hätte ich mir noch klarere Worte erwartet. Vor allem erstreckt sich diese in Widersprüche zu den oben zitierten Worten der Sächsischen Zeitung.
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