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Koalitionsvertrag in Sachsen

Das Land Sachsen hat den letzten Entwurf des Koalitionspapier zwischen CDU und FDP veröffentlicht. Es ist sicherlich nicht uninteressant, was meinem Heimatland die nächsten fünf Jahre erwartet. Und ich habe es gewagt: das erste Mal, ein solches Dokument komplett zu lesen. Hier ein kleines Resumé.

Sehr auffällig sind Formulierungen wie »Wir wollen...«, »Wir setzen uns dafür ein, ...«, »Wir werden [...] überprüfen«, »Wir werden [..] laufend überprüfen«. Auch sind insbesondere bei Steuerfragen viele Verweise auf den Bund enthalten, für was sich die Koalitionspartner einsetzen wollen (wo die Kompetanz aber auf andere Ebene liegt). Aber jenseits dieser allgemein Dinge hier einige Punkte, die mir beim Durchlesen aufgefallen sind.

  • Auf Seite 6 (Zeile 17) gibt es eine klare Ansage zum Thema Öffentlich-Private Partnerschaft: »Wir schaffen ein Kompetanzzenrum Public Private Partnership«.
  • Ferner verwundert es mich etwas, daß die FDP, die sich vehement gegen Subvention positioniert, der umfangreichen Subventionskultur (Seite 8, 22) zustimmen kann.
  • Etwas Sorgen (hoffentlich unbegründet) habe ich bei der »Genehmigungsfiktion«. Bestimmte (nicht näher benannte) Anträge gelten automatisch als genehmigt, wenn die Behörde nicht innerhalb einer bestimmten Frist widerspricht. Das mag für die Entbürokratisierung sicher gewisse Vorteile — aber wer ist am Ende verantwortlich, wenn eine Behörde bei einem irrsinnigen Vorhaben nicht schnell genug reagiert? (Seite 8, Zeile 27). Wenn man Unternehmen mehr Planungssicherheiten durch die Verwaltung einräumen möchte, sollte man lieber Fristen für entsprechende Anträge festlegen. Und wenn diese überschritten werden die Behörde für Verzugsschäden verantwortlich machen.
  • Überrascht hat mich, daß beide Parteien regeln, daß es auch künftig keine gesetzlichen Studiengebühren festgeschrieben werden (Seite 8, Zeile 27). Eingeführt werden sollen Langzeitstudiengebühren. Hier sollte man aber wissen, daß es im Moment in Sachsen keine Langzeitstudenten gibt (Nach einer bestimmten Zeit gilt die Diplomprüfung als nicht bestanden, und irgendwann auch der zweite Anlauf).
  • Ein Dauerthema, welches bisher vor allem die Grünen vorangetreiben haben: kein Ausbau der Elbe mit Staustufen (Seite 35, Zeile 24).
  • Auf Seite 47 (Zeile 10) wird die Privatisierung des Gerichtsvollzieherwesen, also hoheitliche Aufgaben, geprüft und abhängig von deren Ergebnis die gesetzliche Grundlage geschaffen. Privatisierung soll es auch im Beschaffungswesen der Polizei (Seite 49, Zeile 4) geben.
  • Etwas kurios ist die Personalsituation bei der Polizei auf Seite 48 (Zeile 25): Es soll einerseits am Personalabbauplan festgehalten werden, im gleichen Augenblick aber auch 300 junge Polizisten neu eingestellt werden. Und insgesamt die flächendeckende Präsenz und Einsatzfähigkeit garantiert werden.
  • Seite 49 (Zeile 27) möchte ich unkommentiert lassen: »Wir werden alle versammlungsrechtlichen Möglichkeiten nutzen und bis zum 13. Februar 2010 das Versammlungsrecht zu ändern, um Extremisten in Sachsen deutliche Grenzen zu setzen.«
  • Auf Seite 49ff gibt es auch einige Hinweise auf Einschränkung persönlicher Freiheiten, konkret betrifft dies die Videoüberwachung öffentlicher Plätze und Verkehrsmittel, Kennzeichenerkennungssystem sowie Überwachung von Internettelefonie. Der Datenschutz soll aber auch verbessert werden (Seite 51, Zeile 28) — Nur warum soll dazu das sächsische Meldegesetz (und nicht etwa das Landesdatenschutzgesetz) weiterentwickelt werden?
  • In Sachen Verwaltung gibt es auch klare Ansagen: »Der ständige Prozess der Verwaltungsmodernisierung basiert auf den Grundsätzen Aufgabenverzicht, Privatisierung, Kommunalisierung sowie Bündelung der Konzentration verbleibender staatlicher Tätigkeit und sozialer Ausgewogenheit. Alle Ressorts sollen bis Ende der Legislaturpersiode 20 Prozent ihrer Vorschriften abgebaut haben.« (Seite 52, Zeile 24). Also Rasenmähermethode im Verwaltungsdschungel.

Aber ehe ich noch weiter auf diesen Vertrag eingehe, empfehle ich lieber, sich selber einen Überblick zu schaffen. Dafür gibt es ja heutzutage solche Dokumente auf Abruf! Nutzt Sie!

Andere Auseinandersetzungen:

  • Bei heise wird bemängelt, daß es keine Ansatzpunkte für ein sächsisches Informationsfreiheitsgesetz gibt.

Update: Bei den Umgebungsgedanken bin ich noch auf eine sehr heikle These gestoßen: »Wir wollen einen Wettbewerb im Gesundheitswesen um die beste Leistung zu günstigsten Kosten.«. Hat sich das noch nicht herumgesprochen, daß doppelte Superlative reine Illusionen sind? Entweder die beste Leistung oder die günstigsten Kosten.

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