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Anträge zum Bundesparteitag im Bereich Bauen und Verkehr

Am 24. und 25.11. findet in Bochum der Themenparteitag der Piraten statt – und zur Debatte stehen 785 Anträge. Ich habe mir den Bereich „Bauen und Verkehr” herausgezogen.

Zum Betrachten der Anträge ist am praktischsten der Antragsviewer, alternativ das Antragsbuch (1471 Seiten, 7 MB).

Um die Anträge zu sichten, ist die Idee entstanden, jeden Tag einen Antrag zu bewerten, siehe: FeedStich – Ich werde einige Kategorien gleich zusammenfassen.

Die nachfolgenden Anträge werden in diesem Beitrag behandelt:

  • P009 – Verbindliches Fahrsicherheitstraining
  • P010 – Gegen ein generelles Tempolimit
  • P028 – Für ein generelles Tempolimit, Wegfall des Rechtsfahrgebots
  • P029 – Wegfall von Verkehrszeichen 720 “Grünpfeil“, stattdessen implizite Regelung
  • PA017 – Verlängerung des Verkehrsjahres bei Versicherungskennzeichen
  • PA065 – Verbesserung des öffentlichen Personennahverkehrs
  • PA245 – Verkehrspolitik
  • PA302 – Kostenfreier ÖPNV
  • PA462 – Güterverkehr mit dem Eurorapid
  • PA525 – Stuttgart 21
  • PA547 – Bauen, Verkehr und Infrastruktur im Grundsatzprogramm der PIRATEN

Die 3%-Hürde in den Bezirken auf der Kippe

Eine Gemeinsamkeit, die Berlin und Hamburg zur Zeit hat? In beiden Städten laufen zur Zeit Klagen, die 3%-Hürde bei den Wahlen für die Bezirke aufzuheben.

In Hamburg stammt der Kläger aus der Piratenpartei, in Berlin klagt die Tierschutzpartei.

Ich gehe davon aus, dass in beiden Fällen die Klagen Erfolg bringen werden. Aus mehreren Gründen.

Die natürliche Hürde

Zunächst erst einmal ist festzustellen, dass ohne diese Sperrklausel eine natürliche Hürde besteht, nämlich die Hürde einen Platz zu erlangen. In Berlin werden 55 Sitze vergeben, im Hamburg sind es 51 (Abweichend davon in Bergedorf 45 und in Wandsbek 57). Bei 55 Plätzen ist der erste Platz bei 1,8% sicher. Wenn die Verteilung der Sitzung nicht absolut ungünstig ausfällt, reichen in der Regel 1,6% aus, um ein Mandat im hochbegehrten Gremium zu erlangen. Diese Hürde weiter zu senken, würde nur mit einer Vergrößerung des Gremiums erreicht werden (ggf. auch mit Umstellung auf Hare-Niemeyer)

Über alle Bezirke hinweg hätte es in Berlin eine Verschiebung von 18 Sitzen zur Folge gehabt. Am stärksten betroffen wäre Reinickendorf, in dem vier Parteien an der Sperrklausel gescheitert sind.

Einschränkung der Wahlgleichheit

Die Sperrklausel ist eine Einschränkung der „Wahlgleichheit”, d.h. nicht jede Stimme erhält die gleiche Bedeutung. Zudem schränkt sie die Wahl- und Chancengleichheit der Parteien ein. Erschreckend ist es, wenn diese Einschränkung als Argument gegen neue Parteien verwendet wird. Das Zitat von Guido Westerwelle im Bundestagswahlkampf 2009 prägt leider die Diskussion – und ist leider das bekloppteste, was je ein Mensch aus einer Partei sagte, in deren Namen das D für Demokratie stehen soll:

Die Piratenpartei kann man ja wählen, aber die Stimme ist natürlich dann im Gulli. Wer die Piratenpartei wählt, wird lediglich dafür sorgen, dass die Stimme verloren ist.

Aus diesen Kontext heraus bedarf es guter Gründe, warum diese Einschränkung notwendig ist. Die Gefahr vor einer Zersplitterung des Parlaments ist abstrakt (auch wenn man auf die Weimarer Republik schaut). Es bedarf schon einen Nachweis, warum das Parlament durch weitere Parteien nicht arbeitsfähig sind. So beispielsweise wenn die im Parlament vertretenen Parteien nicht mehr in der Lage sind, eine Regierung zu bilden oder neue Gesetze zu erlassen.

Aber selbst in diesem Falle wäre zu hinterfragen, ob dies dann ausschließlich auf Splitterparteien zurückzuführen ist. Zum einen reichen drei gleichstarke Parteien, um ein politisches Patt zu erzeugen, andererseits können auch mit einer 5%-Hürde 19 Parteien im Bundestag vertreten sein (mehr als es in Weimar je war). Und würden 18 dieser Parteien diese Grenze knapp verfehlen, hätte eine 6%-Partei die totale Mehrheit.

(Man kann sich durchaus fragen, ob die Sperrklausel uns wirklich vor erneuten Weimarer Verhältnissen schützen kann – ein anderes Werkzeug wäre die Limitierung der Listen, also dass bspw. die besten acht Parteien vertreten sein können).

Allerdings reden wir nun nicht über die Bundesebene, die Klage wird auf Stadtbezirksebene geführt.

Einzelverordnete und neue Fraktionen

Mit dem Wegfall der Hürde ist vor allem mit zusätzlichen fraktionslosen Mitgliedern zu rechnen. Diese sind in der Bezirksverordnetenversammlung stimmberechtigt, allerdings nicht in den Ausschüssen. Sie haben allerdings das Recht, an den Ausschüssen teilzunehmen. In einer Fraktion herrscht gewissermaßen Arbeitsteilung. Derjenige, der in den Ausschuss geht, nimmt die Fragen, Sorgen und Anregungen der anderen Mitglieder mit. Da ein fraktionsloses Mitglied sich gewissermaßen nicht teilen kann, könnte er im Zweifelsfalle nur einen Ausschuss besuchen. Dies könnte dazu führen, dass Debatten eines Fachausschusses im darauffolgenden Plenum unnötigerweise erneut geführt werden.

Dem vorzubeugen hilft nur Kommunikation – von allen Beteiligten. Das gilt ansonsten auch für die Konsensliste. Diese wird im Ältestenrat erstellt und enthält Anträge, über die sich alle einig sind, wie damit zu verfahren ist und keiner Debatte bedürfen. Von dieser Konsensliste kann jeder Bezirksverordnete auch Bestandteile herunternehmen. Im Extremfall würde die Konsensliste ad absurdum geführt werden, was in erster Linie längere Sitzungen nach sich zieht (nicht aber die Arbeitsunfähigkeit).

Ebenso lähmen ließe sich die Sitzung durch regen Gebrauch von Geschäftsordnungsanträgen, so z.B. Antrag auf geheime oder namentliche Abstimmung, Feststellung der Beschlussfähigkeit, Anmerkungen, Vertagungen, Pausen, etc. Sie alle eint vor allem eins: sie kosten Zeit. Würde es Überhand nehmen, so müssen die Möglichkeiten im Rahmen der Geschäftsordnung reglementiert werden. Das selbe gilt auch für Große Anfragen: werden es zu viele, ließe sich das mit Quoren oder Mindestunterzeichnern regeln. Allerdings wäre es vermessen, davon auszugehen, dass diese Sorgen nur bei zusätzlichen Einzelverordneten bestehen.

Allerdings schützt die 3%-Sperrklausel nicht generell vor fraktionslosen Mitgliedern. Bei einem Wahlerfolg von 4% gibt es beispielsweise zwei Einzelverordnete. Zudem können auch Gewählte aus ihren Fraktionen austreten (es gilt das freie Mandat). Zudem bestünde die Möglichkeit für Fraktionslose, entweder eine eigene zu gründen oder sich einer anzuschließen.

(Das Bezirksverwaltungsgesetz stellt die Bedingung, dass die Mitglieder entweder einer Partei oder Wählergemeinschaft angehören oder auf dem selben Wahlvorschlag kandidiert haben. Ich habe Zweifel, dass diese Regelung ebenso einer gerichtlichen Überprüfung stand halten wird – insbesondere spielt die Parteizugehörigkeit bei einem freien Mandat keine Rolle. Aber wo kein Kläger, da kein Richter. Im Zweifel bilden alle künftigen Fraktionäre eine Wählergemeinschaft, einfach mal so. Da eine Wählergemeinschaft eben keinen Parteistatus hat, würde es das Thema der Mehrparteienmitgliedschaften nicht tangieren)

Aufgaben der BVV

Zu Berücksichtigen sind in der Debatte auch die Aufgaben der Bezirks(verordneten)versammlung. Als da wären:

  • Bildung des Bezirksamtes: der Proporz ist bereits durch das Wahlergebnis festgesetzt. Nichts destotrotz benötigt jeder Kandidat die einfache Mehrheit des Gremiums. Wenn mehr Parteien vertreten sind, ist es naturgemäß schwieriger, diese Mehrheit zu erlangen. Das Ablehnen von Kandidaten ist also möglich, kann ggf. gewollt sein, um einen unliebsamen Kandidaten nicht ins Amt zu befördern. Allerdings hilft die Blockade wenig, denn die unliebsame Partei hat eben dieses Vorschlagsrecht. Und bei unbesetzten Stellen im Bezirksamt hat letztendlich auch keiner etwas davon. Selbst mit der derzeitigen Hürde brauchten die Linken in Treptow-Köpenick sechs Anläufe, um den zweiten Stadtratsposten zu besetzen.
  • Ein Sonderfall stellt die Wahl des Bezirksbürgermeisters dar, da hierbei nicht nur der Proporz einbezogen wird, sondern sich mehrere Fraktionen zu einer sogenannten „Zählgemeinschaft” zusammenschließen können. Bei dieser Wahl werden in der Regel die „Denkzettel” verpaßt, also dass Gegenstimmen auch von Unzufriedenen aus den eigenen Reihen stammen. Auch hier würden ein oder zwei Einzelverordnete das Prozedere nicht sprengen.
  • Sachentscheidungen zu Haushalt, Bebauungsplänen etc.: Mehr Parteien, mehr Ansichten. Klar. Der Worst-Case ist vorläufige Haushaltswirtschaft und abgesprungene Investoren.
  • Die „Wischi-Waschi-Suchen-und-Empfehlungen” auch bekannt als Anträge. Der Worst-Case: die BVV kommt zu keiner Einigung und das Bezirksamt hat freie Hand.

Fazit

Es sind bisher schon viele Klagen gegen die Sperrklausel auf den Weg gebracht worden. Alle mir bekannten hatten Erfolg. Neben der EU-Ebene betraf es vor allem die kommunale Ebene in Schleswig-Holstein und Thüringen.

Von daher wünsche ich gutes Glingen beim Klagen und drücke die Daumen!

Anlage

Nachfolgend die Liste der Parteien, die ohne Sperrklausel in den einzelnen Berliner Bezirken vertreten gewesen wäre (allerdings sollte es nie Gegenstand einer Diskussion über Sperrklauseln werden, wer nun dafür einziehen kann und weg nicht – bei der nächsten Wahl kann es immer eine Partei sein, die vorher noch keiner kannte!).

In den Bezirken wären dann zusätzlich vertreten gewesen (je 1 Sitz):

Bezirk Parteien
Mitte FDP
Friedrichshain-Kreuzberg DIE PARTEI
Pankow Rechts außen
Charlottenburg-Wilmersdorf FDP
Spandau Rechts außen (*2)
Steglitz-Zehlendorf Linke, FDP
Tempelhof-Schöneberg FDP, Tierschutzpartei
Neukölln Rechts außen, BIG-Partei
Treptow-Köpenick
Marzahn-Hellersdorf Rechts außen
Lichtenberg Rechts außen
Reinickendorf FDP, Die Grauen, Linke, Rechts außen

Die Einbußen hätten vor allem CDU und Grüne (jeweils 6 Sitze), SPD und Piraten (jeweils 2 Sitze). Die Linke wäre Berlinweit damit ausgeglichen gewesen.