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es ging nicht nur um Studiengebühren

Wer meint, daß es am vergangenen Mittwoch nur um Studiengebühren ging, der irrt. Die Richter hebelten ebenso die Grundlage für die verfaßte Studierendenschaft aus dem Hochschulrahmengesetz.

Der Bund wollte mit dem Punkt erreichen, daß alle Bundesländer eine verfaßte Studentenschaft haben. An sich keine große Hürde: es gibt sie ja überall. Überall? Nicht überall — aber fast. Nur ein winziger Fleck namens Bayern und Baden-Württemberg sprangen da bisher aus der Reihe. Dort gab es sie früher einmal, aber da sie den damaligen Ministerpräsidenten nicht paßte, wurde sie 1977 abgeschafft. Das spart Arbeit — und man muß sich nicht mit den Wünschen und Problemen der Studenten auseinandersetzen.

Das kombiniert mit dem Kippen des Studiengebührenverbotes sind diese Länder nun Vorreiter, was die Einführung von Studiengebühren angeht. (nun stelle sich mal einer vor, Stoiber wäre Bundeskanzler geworden).

Aber ich habe mir einmal die Mühe gemacht, die Begründung des Urteils zu lesen und zu verstehen:

So habe die Einführung moderater Studiengebühren in Österreich zum Wintersemester 2001/2002 im Vergleich zum Vorjahr zwar zunächst zu einem Rückgang der Studienanfänger um etwa 15 % geführt; zum Wintersemester 2002/2003 sei die Zahl aber wieder angestiegen und habe im Wintersemester 2003/2004 annähernd den früheren Stand erreicht.

Es ist ja schön, was alles in Österreich passiert ist. Was hat das nur mit dem Fall zu tun?

Denn die Mobilität der Studierenden hänge vor allem von den jeweiligen Zulassungsbedingungen der Hochschulen ab; ferner seien die Vergleichbarkeit der Studienangebote, der Curricula und der Abschlüsse sowie externe, vom Hochschulgesetzgeber nicht steuerbare Rahmenbedingungen von Bedeutung. Insoweit fehlten fundierte Prognosen.

Das ist wahrhaftig auch ein Grund. Leider zog der Richter die falschen Konsequenzen! Denken ist ja auch zu viel verlangt!

Zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse ist eine bundesgesetzliche Regelung erst dann erforderlich, wenn sich die Lebensverhältnisse in den Ländern der Bundesrepublik in erheblicher, das bundesstaatliche Sozialgefüge beeinträchtigender Weise auseinander entwickelt haben oder sich eine derartige Entwicklung konkret abzeichnet

Das Kind muß sozusagen erst in den Brunnen gefallen sein — oder es muß noch fliegen. Dann darf man es retten. Aber einen Zaun um den Brunnen darf man nicht errichten. Das ist logisch.

Soweit finanzielle Erwägungen danach bei der Wahl des Studienorts überhaupt eine Rolle spielen, ist zu beachten, dass Studiengebühren in der bislang diskutierten Größenordnung von 500 Euro je Semester im Vergleich zu den — von Ort zu Ort unterschiedlichen — Lebenshaltungskosten von nachrangiger Bedeutung sind.

Derzeit sind zwar »nur« 500 Euro im Gerede, aber hat der Teufel erst einmal einen Fuß in der Tür, wird er auch meistens sehr schnell unverschämt. Und dann gilt dieser Satz leider nicht mehr!

Wie bereits angesprochen, ist nicht ausreichend belegt, dass Studierende den Studienort maßgeblich unter dem Aspekt möglicher Studiengebühren wählen.

Mit anderen Worten: der Bund soll in drei Jahren für das Wiederinkrafttreten des HRG-Novelle klagen.

Verschlechterungen der Studienbedingungen an einzelnen Hochschulen schränken die freie Wahl der Ausbildungsstätte (Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG) nicht ein.

Eine tolle Logic!

Den befürchteten Kapazitätsengpässen kann, soweit nötig, mit Hilfe von Zulassungsbeschränkungen begegnet werden.

Einmal übersetzt: ein »dummer«, reicher Student geht in ein studiengebührenverseuchtes Land und bekommt sofort einen Studienplatz. Ein »dummer«, armer Student muß in ein studiengebührenfreies Bundesland ziehen — und hat ein paar Wartesemester vor sich. Was ist da die Gleichheit?

Wie die Antragstellerinnen in der mündlichen Verhandlung hervorgehoben haben, bietet die Möglichkeit, allgemeine Studiengebühren einzuführen und auszugestalten, den Ländern darüber hinaus die Chance, die Qualität der Hochschulen und eine wertbewusste Inanspruchnahme ihrer Ausbildungsleistungen zu fördern und auf diese Weise auch Ziele der Gesamtwirtschaft zu verfolgen.

Das Märchen glaubt tatsächlich ein Richter? Ich dachte, damit kann man nur das Volk bei Wahlen stimulieren.

Die Bildung verfasster Studierendenschaften in allen Ländern sei aber auch Voraussetzung für bundesweit tätige Interessenvertretungen der Studierenden, auf die der Staat als Gesprächspartner angewiesen sei

Ein gutes Argument vom Gesetzgeber!

Die Hochschulverfassungen des Landes Baden-Württemberg und des Freistaats Bayern sehen keine Studierendenschaften vor. Welche greifbaren Nachteile sich daraus für die studentische Mitwirkung in den Hochschulgremien ergeben haben oder zu befürchten sind, ist von keiner Seite dargetan worden

Sind die blind? Eine sehr wichtige Errungenschaft ist zum Beispiel das Semesterticket! Jede größere Universitätsstadt hat ein Semesterticket — naja außer in Bayern und BW.

Fazit: Der Großteil dieses Urteils befaßt sich eigentlich damit, durchaus berechtigte und nachvollziehbare Befürchtungen des Bundes als nichtig hinzustellen, um dann ein Urteil aussprechen zu können, was keineswegs dem Grundsatz einer Einheit und Gleichheit entspricht.

Fast vergessen: Reiche Eltern für Alle

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