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Nachlese Volksentscheid Tempelhofer Feld

Der Volksentscheid ist mitlerweile zwei Wochen her (siehe mein Beitrag) – Zeit, für einen abschließenden Beitrag!

Wieviel Feld brauchen wir wirklich?

Diese Frage stellte ich mir in den letzten Wochen. Die Trägerin des Volksbegehrens forderte den Erhalt als Grünfläche von 100%. Der Entwurf des Abgeordnetenhauses sieht ca. zwei Drittel vor. Letztendlich lag die politische Streitfrage im letzten Drittel. Und genau für dieses Drittel gab es zugegebenermaßen einen Mangel an fundierten Argumenten. Alle Argumente in Richtung Freizeitnutzung, Erholung und Kreativität funktionieren auch mit einem an den Rändern verkleinerten Feld. Argumente, dass ein verkleineres Feld für die Nutzer unterdimensioniert sei, habe ich nicht gelesen. Als Freund der Entscheidungs- und Spieltheorie ausgedrückt: der Grenznutzen des letzten Drittels ist gering.

Auf der anderen Seite hat Berlin verstärkt ein Problem auf dem Wohnungsmarkt. Einerseits wurden in den letzten Jahren zu wenig Wohnungen errichtet, um dem Zuzug gerecht zu werden, andererseits fallen vor allem für einkommensschwache Bewohner immer mehr Wohnungen weg, weil entweder Förderungen ausgelaufen sind und sich Vermieter das Gesetz von Angebot und Nachfrage zu Nutze machen. Der Nutzen für Wohnbebauung wäre durchaus um ein vielfaches höher gewesen, nicht zuletzt da wir über ein Gebiet innerhalb des S-Bahn-Ringes reden.

Nun können Wohnungen auch an anderer Stelle errichtet werden:

  • der BUND nennt 12.000 Wohneinheiten, wenn Verkehrsflächen zurückgebaut und einstöckige Kaufhallen um zusätzliche Etagen aufgestockt werden. Mit dem letzten Punkt rennt der BUND bei mir offene Türen ein. Seit ich in Berlin wohne wurden allein in Alt-Treptow drei einstöckige Kaufhallen errichtet. Zusammen mit den jeweils angrenzenden Parkplätzen ist das eine enorme Platzverschwendung! Leider werden wir aber an bestehende Kaufhallen nicht mehr herankommen, zudem wäre hier eine Änderung des Baugesetzbuches sicherlich hilfreich (Verbot von eingeschossigen Einzelhandel im Innenbereich oder ähnlich)
  • Die Trägerin verweist auf 972ha zur Bebauungs gedachten Flächen in Berlin. Diese Zahl stammt aus dem Flächenbericht des Senats. Beachten sollte man, dass wenige Flächen innerhalb des Rings existieren, einige Flächen sich bereits in der Planung und Umsetzung bereits befinden, die Grundflächen selten dem Land gehören (und damit fallen die Möglichkeiten zur Durchsetzung sozialer Aspekte beim Wohnungsbau sehr gering aus) und auch über diese Flächen teilweise Diskussionen entstehen. Das größte da drin ausgewiesene Gebiet in Treptow-Köpenick befindet sich um den Bahnhof Plänterwald und ersetzt nahezu komplett alle Kleingartenanlagen in diesem Gebiet.

Beide Sichtweisen haben ihre Berechtigung, schließen aber die Bebauung auf den strittigen Drittel des Feldes nicht grundsätzlich aus.

Nun lese ich die Aussage von Senator Müller (SPD)- und es ist vorsichtig ausgedrückt eine Unverschämtheit.

Die Berlinerinnen und Berliner haben sich entschieden. Das nehme ich mit Respekt zur Kenntnis. Dennoch bedaure ich die vergebene Chance, 4700 dringend in der Innenstadt benötigte städtische Wohnungen auch für kleine und mittlere Einkommen bauen zu können.

Spreeblick übersetzte die Worte ins Deutsche:

Na gut, das muss ich jetzt zähneknirschend akzeptieren, schade aber, dass sich die Berlinerinnen und Berliner gegen bezahlbaren Wohnraum in der Innenstadt entschieden haben.

Doch genau das hat man den Berlinerinnen und Berlinern eben nicht vorgelegt. Und der Masterplan hat das auch nicht wiedergespiegelt. Hätte das im Gesetz gestanden – ich hätte anders gestimmt. Bereits im Vorfeld lehnte sich die landeseigene Tempelhof Projekt GmbH aus den Fenster und versuchte, die Argumente der Trägerin des Volksbegehrens richtig zu stellen.

Behauptet wird: Der Senat will das Tempelhofer Feld privatisieren.

Wahr ist: Die Grundstücke gehen an die Wohnungsbaugesellschaften, werden also gerade nicht privatisiert. Stadtentwicklungssenator Michael Müller hat mehrmals [..] erklärt, dass auf dem Tempelhofer Feld nichts privatisiert wird.

Ich fand keinen Passus, dass die gesamte Fläche entweder im Eigentum des Landes oder einer landeseigenen Gesellschaft zu verbleiben hat, sondern nur zu den unstrittigen zwei Dritteln. Nun steht die Sorge berechtigterweise im Raum, dass der letzte größere Verkauf kommunaler Wohnungen noch nicht allzu lange her ist. Auch in dieser Legislaturperiode wurden bereits mehr als 1.000 kommunale Wohnungen verkauft.

Behauptet wird: Der Senat will die Flächen für Spekulation freigeben und mit Luxuswohnungen bebauen.

Wahr ist: Das Tempelhofer Feld bleibt in städtischem Eigentum! Städtische Wohnungsbaugesellschaften und Genossenschaften sollen insgesamt 4.700 Wohnungen bauen, davon mindestens die Hälfte für kleine und mittlere Einkommen. Für das Baufeld am Tempelhofer Damm wurde bereits mit zwei städtischen Wohnungsbaugesellschaften und einer Genossenschaft eine Vereinbarung über den Bau von 1.700 Wohnungen geschlossen, in der festgelegt ist, dass mindestens die Hälfte der Wohnungen für 6-8 Euro angeboten werden sollen. Das ist das Modell, dass auch für die beiden anderen Baufelder und die Wohnungen, die dort entstehen sollen angewendet wird. Da die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften bauen, hat das Land Berlin den großmöglichen Einfluss darauf, was gebaut wird.

Viel zu unkonkret. Viel zu wenig garantiert (nur 850 WE) und das, was garantiert wird, unterliegt zudem einer Spanne. Wobei ich am liebsten auch keine absoluten Zahlen im Gesetz sehen will, sondern lieber einen Verweis wie bspw. die Wohnaufwendungsverordnung.

Nun kann man natürlich die Schuld für die nicht gebauten Wohnungen der Trägerin des Volksbegehrens geben, man kann sie auch dem Wähler als Souverän geben – man kann sich als Regierung auch an die eigene Nase greifen und fragen, warum man eben genau das, was man ja scheinbar wollte, nicht in den Gegengesetzentwurf gepackt hat (siehe bspw. der Kompromissvorschlag der Grünen).

Weitere Artikel zum Feld:

In Treptow-Köpenick wird es übrigens im August den nächsten Bürgerentscheid geben – da geht es um Parkscheinautomaten

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