aBPT
Ende Juni fand ein außerordentlicher Bundesparteitag der Piraten in Halle statt. Ich möchte mit dem Artikel einen kleinen Rückblick aus meiner Perspektive geben.
Zunächst erst einmal möchte ich mich bei den Organisatoren für die durchaus anspruchsvolle Aufgabe, außerplanmäßig so eine Veranstaltung auf die Beine zu stellen. Dieser Dank gilt ebenso beim alten kommissarischen Vorstand.
Zeltplatz / Vorabend
Die Messe in Halle befindet sich nahe der Stadtgrenze. Im Umfeld der Halle gibt es große Einkaufszentren und Vorstadtgefühle – aber keine Hotels. Dafür gibt es in zwei Kilometern Entfernung einen Zeltplatz an einem See: das Friedrichsbad Zwintschöna.
„Wo sind die Piraten?”, fragte ich die Betreiberin des Campingplatzes. Die fragte postwendend: „Von welchem Landesverband?”. Ich musste bestimmt wie ein Fragezeichen ausgesehen haben. „Spielt das eine Rolle?” – „Ja, bestimmte Landesverbände baten, nicht neben bestimmten anderen zu liegen?” Nun stand ich, dem Landesverband Berlin zugehörig, baff vor der Dame. Zu meiner rechten stand ein dem Landesverband Bayern Zugehöriger und gegenüber ein dem Landesverband NRW Zugehöriger. „Mir egal. Ich will nur Wiese!” Keine Ahnung, wer da was bestellt hat – aber so etwas denkt sich keine Campingplatz-Betreiberin aus. Ein typisches Landesverband-Cluster entwickelte sich glücklicherweise nicht.
Dafür wehten verschiedene Flaggen. Unter anderen Piraten und Anti-Atom, aber auch die Deutschland-Flagge. Auf dem Zeltplatz war auch der Schöpfer des Ausspruches In-dieser-Partei-herrscht-Krieg vertreten. Wer allerdings auf Skandale hofft, dem muss ich hier enttäuschen.
Hatte ich schon erwähnt, dass zum Campingplatz ein See gehörte? Sau genial. Früh zum Aufwachen eine Runde schwimmen!
Der erste Tag
Am ersten Tag war ich umrandet von überwiegend dem Landesverband Sachsen zugehörigen Piraten. Ich saß in der ultimativen Mitte der Halle. Ich wurde Wahlhelfer.
Direkt am Eingang zur Halle gibt es einen Popcorn-Stand. Gegenüber ein Bällebad.
Eine Kandidatin für den Posten als Vorsitzende redet über Fusionella. Three Minutes of Fame.
Das Wiederwahl des Schatzmeisters enttäuschte mich persönlich. Gerade der Schatzmeister sollte die Kosten eines außerordentlichen Parteitags kennen – und verantwortungsbewusst abschätzen, welchen (insbesondere, aber nicht nur) finanziellen Schaden er mit seinen Rücktritt anrichtete. Und das hätten auch die gut 60% der Wähler wissen müssen (Das gilt dann gewissermaßen auch für die ebenso wiedergewählte Generalsekretärin).
Dann kam die Rede von Christopher Lauer als getarnte Kandidatur:
Man kann ihm keinen Vorwurf machen, dass 45 Minuten des Parteitages verschwendet worden sind. Die Mehrheit wollte ihn weiter befragen, die Mehrheit im Saal war „schuld”. Die reine Kandidatenvorstellung hätte ja nur ca. vier Minuten gedauert. Ob es so intelligent war, 30 Sekunden vor Ende seiner Vorstellzeit ihn zu unterbrechen, sei dahingestellt. Die Zeitersparnis stand in keinem Verhältnis zur auftretenden Diskussion (wenngleich ich im Publikum bis zu diesem Zeitpunkt keinen Willen für eine Kandidatur erkennen konnte). Mich schreckte die Rede ab. Ich finde es nervend, wenn immer wieder den Mitgliedern anderer Landesverbände vorgehalten wird, wie toll die Wahlerfolge in Berlin waren – und dies sehr demonstrativ den dem Landesverband Bayern zugehörigen Piraten einschließlich des neuen Bundesvorsitzenden unter die Nase gerieben wird.
Als Wahlhelfer musste ich zur anschließenden Wahl zwei Stimmzettel für ungültig erklären, auf denen anstelle von Kreuzen einfach nur „Lauer” geschrieben war.
Abends ging es wieder auf den Camping-Platz. Irgendjemand hatte einen Schwenkgrill. Keine Ahnung, wer da alles dabei war. Aber es war schön. Zeitweise spielten einige Klampfe.
Der zweite Tag
Am zweiten Tag war ich umrandet von überwiegend dem Landesverband Niedersachsen zugehörigen Piraten. Am Tisch vor mir hat einer einen 3D-Drucker aufgebaut und zeigt, wie man Carcassonne-Plättchen aus Kunststoff herstellen kann. Theoretisch. Praktisch ist das noch zu teuer. Ich sitze wieder im in der mittigen Mitte der Halle. Nur eine Wahlurne weiter.
Popcorn gibt es noch. Das Bälle-Bad gibt es nicht mehr. Jemand erklärte mir, dass der Betreiber Sorge hatte, der neue Vorstand könnte das nicht mögen. Ich spürte eine gereizte Stimmung in der Halle. Nicht da, wo ich saß. Eher an den Außenrändern.
Eine Kandidatin für die stellvertretende Generalsekretärin begann ihre Kandidatenrede, in dem sie sich von einigen nicht näher genannten Personen des Berliner Landesverbands distanzierte. Genaugenommen war das ihr Schwerpunkt ihrer Rede. Lagerbildung mit Ansage!
Nach dem Auszählen des ersten stellvertretenden Generalsekretäres möchte ich Eesen. Eine erstaunlich kurze Schlange in der Kantine, dafür waren die Sitzgelegenheiten fast komplett blockiert. Schätzungsweise 200 Leute versammelten sich, die vorsichtig formuliert mit den bis zu diesem Zeitpunkt gewählten Mitgliedern des neuen Vorstandes nicht glücklich sind. Eine Piratin, die vor Monaten ihren Austritt angekündigt hatte, erklärte das Treffen auf Twitter als die „letzten Reste einer visioniären, mutigen Piratenpartei.” Diese Gruppe formierte sich als „Progressive Plattform”. Wir verkaufen den Wählern Themen statt Köpfe – und weil nun die scheinbar falschen Köpfe gewählt worden sind, spielen Themen keine Rolle mehr und es werden Lager eröffnet.
Ich setze mich an einen Tisch mit zwei dem Landesverband Baden-Württemberg zugeordneten Piraten, die wohl die weiteste Anreise hatten. Sie waren das erste Mal auf einen Bundesparteitag. Sie machten nicht den Anschein, als werden sie mit Begeisterung weitere Parteitage besuchen wollen.
Wieder am Rechner zurück, schrieben einige bei Twitter „Keine Schonfrist”.
Anke Domscheid-Berg hielt eine super Rede über ihre Motivation und die ihr in den Weg gelegten Steine. Es war wohl die beste Rede überhaupt:
Wir dürfen aber nicht aufgeben, der Grund unserer Existenz ist noch da!
Sie bemängelte die mangelnde Vielfalt im neuen BuVo und bekam dafür rote Karten, aber sie richtete an den neuen Vorstand eine wichtige Botschaft: der BuVo soll Vielfalt in der Partei unterstützen!
Im Anschluss an dem Parteitag lernte ich noch einige Orte von der Innenstadt von Halle kennen.
Nachlese
Jan Leutert nutzt Bundesparteitag zum Treffen von Freunden
Diejenigen die Sekor gewählt haben, triumphieren gerade, der Rest schimpft rum. Dieses Verhalten ist bereits seit Bingen etabliert. Es ist immer wieder das gleiche Spiel, nur die Rollen tauschen ab und zu. Dieses Verhalten kann eine Partei auch zerstören – aber vor allem, es bringt keinen weiter.
Wilm Schumacher hat vor dem Bundesparteitag einen Artikel zum Richtungsstreit in der Flaschenpost veröffentlicht. Er sieht die Differenzen in der Piratenpartei weniger inhaltlich oder personell, sondern vor allem methodisch. Er stellt „Aktivisten” den „Parteipolitikern” gegenüber. Ich finde die gewählten Beispiele nicht ausreichend, um damit andere Gründe auszuschließen, aber den Kerngedanken seines Beitrages, ein Methodenstreit sei Ursache für die derzeitigen Probleme, kann ich nicht von der Hand weisen.
Norbert Hense tritt bei den Piraten aus und geht zu den Grünen
Stefan Körner ist im Spiegel, um auf Tor hinzuweisen
Markus Gerstel kommentierte ebenso den aBPT
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