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Ein Fahrradstraßennetz für Berlin

Die Grüne Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus hat eine Machbarkeitsstudie zur Realisierung eines Fahrradstraßennetzes in Berlin vorgelegt und einen Antrag im Abgeordnetenhaus zur Erstellung eines Berlinweiten Fahrradstraßennetzes eingereicht.

Vorbemerkungen

Auf mich wirkt die Studie, als befindet sie sich noch in einer Beta-Version. Noch nicht fertiggestellt, aber schon veröffentlicht. Weil:

  • Typografie (Abzüge in der B-Note. Die Gliederung ist nicht verständlich. Keine einheitliche Formatierung für Überschriften der gleichen Ebene. Gibt es keine grüne Layoutvorlage?)
  • Keine Karten (Wir reden über ein Fahrradstraßennetz. Da ist Kartenmaterial Pflicht! Zumindest, wenn andere diese verstehen sollen. Fünf Seiten mit einer Auflistung von Straßennamen in Folge?)
  • Keine Abwägung bei den Routen (Um zu verstehen, warum bei den Routen Straße X und nicht Straße Y gewählt wurde, sind Abwägungen notwendig, insbesondere wenn die in den Vorbemerkungen genannten Kriterien gerissen werden)

Visualisierung

Ich habe den Netzvorschlag der Machbarkeitsstudie visualisiert:

Legende:

  • Dicker Strich: Fahrradstraße oder vom Autoverkehr losgelöste Strecken
  • Dünner Strich: Radverkehrsanlagen auf Straßen

(Anmerkung: Einzelne Streckenbeschreibungen waren ungenau beschrieben. Sollte ich Abschnitte falsch interpretiert haben, freue ich mich für Anregungen)

Das nun entstandene Netz wirkt wie ein U-Bahn-Linienplan mit separaten Strecken. Aber das ist bei Fahrradstrecken nicht notwendig. Ein Wechsel von einer Strecke zur anderen verläuft ja fließend. Um aber die vorgestellten Routen des Konzeptes besser unterscheiden zu können, habe ich diese unterschiedlich eingefärbt.

Bürgerbeteiligung

Im Vorfeld wurden die Berliner einbezogen, Vorschläge zu machen. Die wurden auf der Webseite fahrradnet-berlin.de gesammelt.

Vorschläge sind in dieser Karte nur Punkte. Keine Striche. Das ist schade. Ein orangefarbenes Fahrrad deutet auf bestehende Fahrradstraßen hin. Ein Fahrrad in türkis zeigt an, dass ein Vorschlag aufgegriffen worden ist. Und ein graues Fahrrad bedeutet, dass die Überprüfung noch nicht abgeschlossen ist oder dass der Vorschlag abgelehnt wurde. In der Karte dominiert Grau. Das ist kein gutes Zeichen für Bürgerbeteiligung. Auch kann ich nicht erkennen, warum ein Vorschlag eben nicht aufgegriffen worden ist. Oder in wie weit der Vorschlag Berücksichtigung fand.

Zu den einzelnen Routen:

Östliche Nord-Süd-Route (blau)

Diese Route ist eigentlich keine Nord-Süd-Route, sondern eine Schrägroute. Vom Prenzlauer Berg führend einmal quer durchs Zentrum nach Schöneberg. Im Konzept wurde selbstkritisch drei wichtige Gefahrenpunkte angemerkt: die Querung der Torstraße, die Führung entlang der Rochstraße und der Innsbrucker Platz. Weniger klar beschrieben wurde die Querung des Bebelplatzes.

Die Route würde größtenteils auf Fahrradstraßen führen, die teils noch einzurichten sind.

Südliche Ost-West Verbindung (rot)

Die zweite Route ist eine Ost-West-Verbindung, die die Gleisanlagen der Nord-Süd-Bahn in Höhe Monumentenstraße kreuzt. Das westliche Ende ist der Volkspark Wilmersdorf, das östliche Ende der Neuköllner Schiffahrtskanal. Die Konfliktpunkt dieser Route sind bei der Querung der Uhlandstraße sowie am Südstern. Im Osten führt die Route fast unterbrechungsfrei auf Fahrradstraßen. Im Westen vor allem entlang von Parkanlagen.

Von dieser Route hatte ich bereits im Vorfeld schon gehört. Ich halte eine Führung entlang des Maybachufers für problematisch, nicht zuletzt wird diese stellenweise von zwei Buslinien befahren. Eine Führung über Pflügerstraße und Diffenbachstraße halte ich hier für sinnvoller, wenngleich hier der Fahrbahnbelag auszuwechseln ist. Die Führung ist geradliniger, sie schneidet nicht den Weichselplatz und meidet eben den Abschnitt am Ufer.

Mittlere Ost-West Verbindung (grün)

Die dritte Route ist ebenso eine Ost-West-Verbindung. Sie startet südlich des Kudamms und führt über Nollendorfplatz, Gleisdreieck und Tempodrom und endet am Kottbusser Tor. Die größten Konfliktpunkte gibt es bei der Querung der Bundesallee und dem Nollendorfplatz.

Auf mich wirkt die Route im Osten unvollendet. Die Reichenbachstraße in voller Länger wäre nicht minder geeignet als Fahrradstraße. Ab da könnte sie entlang des Landwehrkanals bis zur Schlesischen Straße geführt werden. Und von da zur Spree bis zum Bahnhof Treptower Park, wo „Anschluss” an die noch folgende sogenannte Ringroute bestehen würde. Zudem kann ein Seitenast in Höhe Ohlauer Straße die andere Ost-West-Achse anbinden.

Nördliche Ost-West-Verbindung / Spreeroute (braun)

Die vierte Route führt von Spandau aus entlang Spree und Landwehrkanal bis zum 17. Juni. Nach der Stadtbahnbrücke führt sie durchs Hansaviertel zur Spree und verfolgt den Verlauf bis zur Museumsinsel. Laut Konzept gibt es hier nur kleinere Konfliktbereiche im Straßennetz.

Die Route ist leider sehr knapp beschrieben, so dass vor allem deren Startpunkt interpretationsbedürftig ist. Zunächst gehe ich davon aus, dass die Studie vom südlichen Spreeufer ausgeht, andernfalls wären weitere Brückenquerungen notwendig. Den Startpunkt interpretiere ich als Spreemündung. Möglicherweise meinen sie auch die Altstadt, was in meinen Augen sinnvoller wäre.

Westliche Nord-Süd-Route (lila)

Nahezu ein kerzengerader Strich von der TU zum Heidelberger Platz, die komplett als Fahrradstraße einzurichten wäre. Gefällt mir.

Westliche Nord-Süd-Route II (dunkelrot)

Die Route Numero 6 verbindet im Norden zunächst Reinickendorf (Rehberge) über Tiergarten und TU. Ab da führt sie nach Süden bis zum Rathaus Steglitz. Danach teilt diese sich: ein Ast führt weiter entlang der Wannseebahn, der andere zum Teltowkanal. Konfliktpunkte wurden keine in der Studie genannt.

Bei dieser Route bin ich noch gespalten. Warum das nördliche Ende an einer Militärkaserne enden soll, bei der aber ansonsten nur wenige Leute wohnen, erschließt sich mir nicht. Beim Westhafen muss – setzt man nur auf bestehende Infrastruktur – mit Hauptstraßen überbrückt werden. Hier wäre die Forderung einer separaten Fahrradbrücke sicherlich nicht verkehrt. In Steglitz selber hätte ich mehr Selbstbewusstsein erwartet, indem sie die Rhein-/Schloßstraße zur Fahrradstraße erklären.

Ringbahn-Route (dunkelblau)

Die letzte Route führt vom Bahnhof Humboldthain weitestgehend entlang der Ringbahn bis zum Bahnhof Südkreuz / Papestraße.

Der zu querende Ernst-Thälmann-Parks wird leider unzureichend beschrieben. Anstelle eine Querung der Straßenbahngleise zu fordern, sollen die Radfahrer vom Thälmann-Park aus erst zum S-Bahnhof und danach wieder zurückfahren.

Auch bei der Querung des Ostkreuzes bleiben Fragen. Politisch gibt es eine Forderung nach einer separaten Fußgänger- und Radfahrerbrücke westlich der Ringbahn. Davon lese ich nichts. Allerdings soll die Strecke weiter über die Kynaststraße geführt werden. Ich schlussfolgere daher, dass die Strecke über die Kynastbrücke angedacht ist. Und die ist in Fahrtrichtung Süd völlig ungeeignet für Radverkehr (Mir ist immer noch unbegreiflich, wie man vor gut fünf Jahren eine neue Straßenbrücke bauen kann, in der die Radfahrer völlig vergessen worden sind.)

Die Querung der Spree soll zunächst auf der Fuß- und Radfahrerbrücke (Parkwegbrücke) zum Bahnhof Treptower Park erfolgen. Danach soll noch einmal die vorhandene Infrastruktur der Elsenbrücke genutzt werden.

Neukölln wird meiner Meinung nach unzureichend gequert, sondern nur tangiert. Eine Strecke über Inn- und Werbellinstraße oder über Richardplatz halte ich für sinnvoller.

Fazit

Es ist nie verkehrt, den Fahrradverkehr zu fördern.

Es gibt viele Städte, die Berlin meilenweit voraus sind. Nicht nur Kopenhagen. Wir sollten uns in Berlin also nicht ausruhen und nach Hamburg schauen, wo es für den Radverkehr noch wesentlich mehr Verbesserungspotential gibt.

Ich sehe in Fahrradstraßen eine sinnvolle Ergänzung zu Radstreifen (und teils Radwegen), insbesondere auch für weniger versierte Radfahrer.

Das Konzept ist mir an vielen Stellen zu vorsichtig. Möglichst keinen Straßenbelag verändern. Möglichst bestehende Strecken einbeziehen. Das hat leider auch einen berechtigen Grund: der Berliner Senat. Der hat in den letzten Jahren so viel Engagement in den Weiterbau der A100 gesteckt, da bleibt für Öffentlichen Nahverkehr oder Radverkehr nicht mehr viel übrig! Von daher kann dieses Konzept als voller Erfolg gewertet werden, wenn auch nur ein Vorschlag umgesetzt wird.

In Richtung Osten passiert mir ehrlich gesagt zu wenig. Eine Route in Richtung Hellersdorf oder Köpenick wäre wünschenswert. Zudem finde ich gerade – mal aus Blickpunkt der Grünen gedacht – es bemerkenswert, dass sie ihre politischen Wahlhochburgen ein wenig außen vor lassen! Friedrichshain wird nur im Osten durch die Ringroute tangiert, aber erhält keine Anbindung ans Zentrum. Selbiges gilt für den Kreuzberger Osten.

Allerdings, so sehen es die Grünen, ist dieser Netzvorschlag nicht in Stein gemeißelt, sondern „den sich verändernden Rahmenbedingungen unterworfen”:

Es können weitere Routen oder andere Prioritätensetzungen durch geänderte Anforderungen notwendig werden. Das Konzept soll daher nicht ein festes Netz als alleiniges Ergebnis liefern, sondern vor allem den konzeptionellen Gedanken und seine Voraussetzungen selbst.

Anmerkung

Ich baue gerne weitere Karten mit konkreten Streckenvorschlägen zusammen. Bitte in den Kommentaren ausführlich beschreiben!

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