Wenn das Ratsinformationssystem nicht die Beratungen abbilden kann
Ein Ratsinformationssystem soll die politischen Vorgänge einer politischen Vertretung dokumentieren und der Öffentlichkeit zugänglich machen. Dazu ist es notwendig, dass die Software auch das jeweilige „Parlament” versteht. Und gewissermaßen entwickelt jedes ein Eigenleben.
In der BVV Treptow-Köpenick hat sich seit ca. 2 Jahren eingebürgert, dass Schlussberichte vor der Annahme noch einmal in einen Fachausschuss überwiesen werden. Ein Schlussbericht ist die Meldung des Amtes, wenn es der Auffassung ist, einen beschlossenen Antrag umgesetzt zu haben (oder im Negativfalle auch die Nichtumsetzbarkeit zu erklären).
Es folgt ein Beispiel, bei dem wohl keiner, der nicht im politischen Betrieb des Bezirks involviert ist, nachvollziehen kann, was wann genau passiert ist. Aufgefallen ist es mir duch einen Artikel in der Adlershofer Zeitung über die Sitzung im Oktober 2014. Dort hätten wir einen bestimmten Antrag beschlossen, den wir aber bereits im November 2012 beschlossen hatten.
(Inhaltlich geht es um das Entfernen eines schwachsinnigen und für Verwirrung sorgenden Verkehrszeichens, bei dem ein parallel zur Hauptstraße verlaufender baulicher Radweg an einer Kreuzung ein „Vorfahrt gewähren”-Zeichen hat)
Was wurde wann tatsächlich beraten?
Nr. | Datum | Ereignis |
---|---|---|
#1 | 05.11.2012 | Die CDU stellt einen Antrag |
#2 | 15.11.2012 | Die BVV beschließt unmittelbar den Antrag, da keine Fraktion Beratungsbedarf im Fachausschuss sah. |
#3 | 27.05.2014 | Das Bezirksamt legt den Schlussbericht vor |
#4 | 03.07.2014 | Die BVV stimmt über die Annahme des Schlussberichtes ab Mittels Konsensliste wurde diese Beratung in den Stadtentwicklungsausschuss überwiesen |
#5 | 03.09.2014 | Der Stadtentwicklungsausschuss empfiehlt die Annahme des Schlussberichtes („Beschlussempfehlung”) |
#6 | 18.09.2014 | Die BVV lehnt die Beschlussempfehlung ab. Durch eine Regelung in der Geschäftsordnung wird dieser Beratungsgegenstand automatisch in die zuvor involvierten Ausschüsse überwiesen. In diesem Fall griff der Vorsteher ein – und überwies ihn stattdessen in den Ausschuss für Bürgerdienste und Ordnunsangelegenheiten. |
#7 | 25.09.2014 | Der Ausschuss empfiehlt die Annahme des Schlussberichtes („Beschlussempfehlung”) |
#8 | 16.10.2014 | Die BVV nimmt die Beschlussempfehlung an |
Schaut man sich nun die Drucksache im Ratsinformationssystem an, so bildet diese nur unzureichend diesen Vorgang ab.
- In der tabellarischen Beratungsfolge fehlt die Beratung am 03.07. (#4), zudem ergibt sich nicht, ob Antrag oder Schlussbericht beraten wurde.
- In den Anlagen sind die Punkte #1, #2, #3, #5 und #7 angegeben.
- In der textlichen Darstellung gibt es den CDU-Antrag #1, den einstigen Beschluss #2 und die zweite Empfehlung zur Annahme des Schlussberichtes #7. Durch meinen Hinweis ans BVV-Büro sind diese drei Ereignisse immerhin nun in chronologisch korrekter Reihenfolge, das war als der Artikel der Adlershofer Zeitung geschrieben worden ist, noch nicht der Fall: da stand der Beschluss am Ende.
Nach einigen Jahren BVV-Betrieb habe ich ein geschultes Auge. Zum Beispiel erkenne ich den eigentlichen Beschluss daran, dass in der tabellarischen Übersicht eine Beschlussnummer mit angegeben wird. Oder dass der aktuelle Initiator bzw. Drucksachen-Art nie Auskunft über den tatsächlichen Zustand einer Beratung geben. Oder dass die hinter der positiven Formulierung „ohne Änderungen in der BVV beschlossen” auch die Ablehnung eines Antrages verstanden werden kann (nämlich dann, wenn der Fachausschuss zuvor eine negative Beschlussempfehlung abgegeben hat). Aber all diese Erfahrungen haben interessierte Bewohner, die höchstens zweimal im Jahr draufblicken nicht.
Und dann muss man sich eben noch mal fragen, ob das Ratsinformationssystem seinen ursprünglichen Zweck – die Öffentlichkeit über die politischen Vorgänge zu informieren – hier gerecht wird.
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