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Muslimischer Friedhof in Neukölln

Am 24.03.2015 besuchte ich eine Veranstaltung der Bürgerplattformen SO! Mit uns, die zusammen mit zwei weiteren Plattformen im Stadion der alten Försterei ihre Forderungen zu einzelnen lokalen Belangen zum Ausdruck brachten. Die Veranstaltung war mit schätzungsweise 350 Personen sehr gut besucht.

Als Thematik stand die Verkehrssituation entlang der Wuhlheide bei Großveranstaltungen auf dem Plan (deshalb auch der Ort im Stadion). Zu diesem Aspekt werde ich später noch einen Beitrag schreiben. In diesem Beitrag setze ich mich mit der Forderung für einen muslimischen Friedhof in Neukölln Gedanken auseinander.

Dieser Teil der Veranstaltung war sehr emotional geladen – was beim Thema Tod sicher nicht außen vor bleibt. So wurde berichtet, dass es eben nur einen Friedhof In Berlin gäbe, auf dem Muslime beerdigt werden können – und der ist in Gatow. Also westlich des Wannsees. Spandau und noch weiter raus.

Auf einem Handzettel sind die generellen Forderungen zusammengefasst. Der geforderte Friedhof soll in Neukölln sich befinden. Ein bevorzugtes Objekt befindet sich in der Hermannstraße. An die Politik wird der Erwerb der Fläche sowie ein temporärer Betrieb durch den Bezirk addressiert. Zudem gibt es einige friedhofsspezifische Anforderungen für die Anlage (Ausrichtung der Gräber, Trauerhalle, Waschraum, Entsprechende Gestaltung und Kennzeichnung).

„Wenn man uns integrieren will, sind wir integrierbar!”, so ein Redner.

Ilkin Özɪşɪk (SPD) konnte die Rolle des Muslimen im Abgeordnetenhaus besser zum Ausdruck bringen als Stellung zu den Forderungen zu beziehen. Hier wich er aus – und war sich der Liegenschaftspolitik des Landes Berlins und seiner eigenen Partei nicht so sicher. Er sieht die Forderung als Lichtblick, als Hoffnungspunkt. Und wünscht sich noch viel mehr. An vielen anderen Orten.

Ich kann den Wunsch absolut nachvollziehen, dass jeder Mensch entsprechend seinen religiösen Vorstellungen auch beerdigt wird. Es gehört auch zum letzten Wunsch. Und dieser Wunsch besteht ja nicht nur bei Muslimen. Er besteht bei allen Menschen, egal ob und welcher Religion sie zugehörig sich fühlen. Ich selber würde es zum Beispiel nicht so toll finden, wenn zu meiner Beerdigung auch nur ein Vers aus irgendeiner heiligen Schrift vorgetragen wird.

Aber warum müssen nun Friedhöfe gefordert werden, die einer konkreten Konfession unterliegen? Oder anders gesagt: ich halte es aus dem Blickpunkt der Inklusion für wesentlich fortschrittlicher, wenn auf einem Friedhof Menschen unabhängig von ihrer Herkunft oder Religion in Ruhe und Frieden miteinander ruhen können.

In Wuppertal läuft gerade eine ähnliche Debatte. Hier kommt gerade die Inklusion aus Richtung der CDU. Die Worte von Peter Biesenbach:

Wir gehen alle in dieselben Schulen, dieselben Gaststätten, leben an denselben Plätzen, feiern gemeinschaftlich Feste. Dann finde ich es immer schade, wenn es heißt: Aber wir wollen Unterschiede, zum Beispiel bei den Friedhöfen. Der ideale Friedhof ist einer wo alle Religionsgemeinschaften gemeinsam ihre Toten bestatten und ihrer Toten gedenken.

Diesen Worten müssen aber Taten folgen: die Umwandlung von konfessionsgebundenen Friedhöfen in konfessionsneutrale. Nicht eine Kirche oder vergleichbare Einrichtung betreibt den Friedhof, sondern die Kommune. (Ich habe den Abgeordneten angeschrieben, ob er diese Schlussfolgerung auch so sieht und zieht – bis jetzt keine Antwort).

Ich weiß, wir haben viel zu viele religiös gebundene Friedhöfe in Berlin, insbesondere aus dem evangelischen Lager. Dieses Relikt muss beseitigt werden!

  • In Friedrichshain-Kreuzberg gehören alle Friedhöfe einer einzigen Konfession an.
  • In Treptow-Köpenick sind immerhin 9 von 14 aktiven Friedhöfen konfessionsneutral.
  • In Berlin sind 65 der 186 geöffneten Friedhöfe konfessionsneutral.
  • In Dresden sind es nur 4 von 58 konfessionsneutral
  • In meiner Geburtsstadt Pirna 0 von 4 konfessionsneutral
  • München hat immerhin 29 städtische Friedhöfe

Allerdings stehen dabei auch die kommunalen Friedhöfe in der Pflicht, sich auf die Wünsche und Bedürfnisse der verschiedenen Religionen anzupassen. Die Ausrichtung von Grabanlagen in bestimmte Himmelsrichtungen sollte hoffentlich kein wirkliches Problem darstellen. Einen wichtigen Schritt ist Berlin beispielsweise schon gegangen, in dem die Sargpflicht vor vier Jahren abgeschafft wurde.

Ein in meinen Augen unlösbarer Konflikt scheint das Gebot der ewigen Totenruhe zu sein. Nach dem Vorstellungen im Islam soll eine Grabstelle auch nach einer bestimmten Anzahl von Jahrzehnten nicht wieder zur Verfügung stehen. Die Information, in Berlin gäbe es nur einen muslimischen Friedhof, ist nämlich falsch gewesen. Es gibt am Columbiadamm einen weiteren Friedhof, der sogar als Sehenswürdigkeit angepriesen wird. Dieser Friedhof stieß an seine Kapazitätsgrenze, weil die Gräber nicht freigegeben werden. Laut berlin.de soll die letzte Bestattung 1989 stattgefunden haben. Im RBB wird berichtet, dass doch gelegentlich Bestattungen stattfinden – aber eben nur dann, wenn Grabstellen wieder freigegeben werden. Wenn Grabstellen nach einer bestimmten Zeit nicht wiederbelegt werden dürfen, läuft jeder Friedhof in absehbarer Zeit über.

Ilkin Özɪşɪk (SPD) bedauerte den Ausgang des Volksentscheid zum Tempelhofer Feld. Der Senat plante schon die Ausweitung der Flächen auf dem Tempelhofer Feld. Auch auch hier gilt meine Kritik nach wie vor: ich lasse aus Sicht der Regierungskoalition nur Argumente gelten, die auch in den Paragrafen des Gegengesetzentwurfes enthalten sind – ein Friedhof stand beim Volksentscheid nicht zur Debatte.

Fazit: Anstelle weitere konfessionsgebundene Friedhöfe zu schaffen, sollten lieber alle Friedhöfe jeden beerdigen können!

Bisherige Kommentare (1)

Kommentar von René

Für meinen Artikel spielte es keine Rolle, aber im Rahmen der Recherche dennoch mit beschäftigt: Es ist in Berlin nicht unüblich, vor den Toren der Stadt zu beerdigen. Die beiden mit Abstand größten Friedhöfe sind vor der Stadt angelegt, der drittgrößte liegt fast an der Stadtgrenze:

Nr. Friedhof Lage Konfession Größe
1. Südwest Friedhof Stahnsdorf Stahnsdorf, außerhalb Berlin Evangelisch 2.060.000
2. Ostfriedhof Ahrensfelde Ahrensfelde, außerhalb Berlin Evangelisch 1.080.000
3. Friedhof „In den Kisseln” Spandau, fast Stadtgrenze ohne 605.422
4. Friedhof Weißensee Weißensee jüdisch 392.362
5. Waldfriedhof Zehlendorf Zehlendorf ohne 375.794
6. Friedhof Baumschulenweg Baumschulenweg ohne 310.787

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