Nun bin ich also Bezirksverordneter
Am 27.10. fand die konstituierende Sitzung im Rathaus Treptow statt. Erfahrungsgemäß und laut Einladung werden in der ersten Sitzung keine inhaltlichen Dinge besprochen, sondern – grob zusammengefasst – nur die Geschäftsordnung und die Wahl verschiedener Ämter der BVV und des Bezirksamtes.
Zunächst wurden alle Mitglieder mit Namen aufgerufen und gefragt, ob sie das Mandat annehmen.
Mit der Geschäftsordnung haben wir uns die letzten Wochen doch sehr intensiv auseinandergesetzt – und haben sehr viele Änderungsvorschläge (genannt -anträge) eingereicht. Die Punkte betrafen u.a. Anforderungen an die Transparenz der Ausschüsse, die Funktionen des Vorstehers oder auch aus unserer Sicht unlogische Dinge. Oder Dinge, die man bereits schon anders macht, aber sie einfach noch nirgend stehen. Die Hülle und Fülle, wem es genau interessiert, kann sie hier nachlesen.
Im Vorfeld signalisierten die anderen Fraktionen, unsere Änderungswünsche in den entsprechenden Ausschuß zu verweisen, stimmten aber unserem Vorschlag zu, die Geschäftsordnung zunächst auf sechs Monate zu befristen. Zur Sitzung kam seitens der SPD-Fraktion nun ein abweichender Vorschlag, nach dem solle die GO nicht befristet werden, sondern die in den GO-Ausschuß verwiesen Dinge nach sechs Monaten behandelt werden.
An der Stelle kam dann meine Feuerprobe am Saalmikrofon – mein Hinweis, daß nachträgliche Änderungen beim Beschluß einer 2/3-Mehrheit unterliegen – und das nicht in unserem Sinne ist. Letztendlich wurde eine Ergänzung aufgenommen, nach der mit einfacher Mehrheit dennoch über diese Anliegen entschieden werden kann.
Etwas unglücklich bin ich über einen Änderungsantrag der SPD, daß fraktionslose Mitglieder der BVV nur noch an einem Ausschuß teilnehmen können (mit Rede- und Antragrecht). Bisher können sie es mit drei. Die Handschrift dieses Antrags liest sich sehr deutlich, zumindest muß man sich eigentlich nur anschauen, wer gegenwärtig fraktionslos ist. Meine Befürchtung ist eher, daß man mit solchen Beschlüssen ihnen ein Werkzeug in die Hand gibt, gegen die „demokratische Front” Stimmung zu machen.
Andererseits sind wir als Piraten derzeit die schwächste Fraktion in der BVV. Durch fehlende Nachrücker besteht bei uns die Gefahr, daß die Fraktion zerbrechen könnte. Nicht zu vernachlässigen ist auch der Faktor, daß einzelne Bezirksverordnete in einigen Jahren mit ihren Gewissen nicht mehr vereinbaren können, das Parteibuch weiter zu tragen, mit dem sie zur Wahl angetreten sind und fraktions- bzw. parteilos werden.
Für meine Gewissensentscheidung durfte ich mir von einem SPDler anhören, womöglich die Intension dieses Antrags nicht verstanden zu haben. Ich ärgere mich nur, nicht vorab meine Argumente in die Debatte geworfen zu haben.
Ein weiterer Diskussionspunkt war die Erweiterung des BVV-Vorstandes. Derzeit sind es 5 Mitglieder, die SPD würde ihn gern auf 7 erweitern und damit den Grünen und den Piraten einen Posten zu ermöglichen. Der Gegenvorschlag der Linken war die Größe des Vorstandes zu belassen und von Seiten der SPD und der Linken auf je einen Sitz zu gunsten von Grünen und Piraten zu verzichten.
Wir als Piraten wollen uns zugegebenermaßen auf inhaltliche Dinge konzentrieren – und erst einmal (salopp gesagt) den Laden von Innen heraus kennenlernen. Für die Erweiterung des Vorstandes fehlte uns eine sachliche Begründung. Es gab natürlich einen: die Grünen sind in der Zählgemeinschaft für die Wahl des Bürgermeisters mit eingestiegen. Beschlossen wurde am Ende die Erweiterung auf sechs Mitglieder.
Nach dem die Geschäftsordnung beschlossen worden ist, ging es zur Wahl der Ämter.
Siegfried Stock als Vorsteher schien einen sehr hohen Zuspruch zu haben: mit 48 Stimmen ist das Ergebnis eindeutig.
Bei der Wahl des Stellvertreters und des Schriftführers gab es „Kampfkandidaturen”. Die Linke als zweitstärkste Partei trat erst gegen die CDU, anschließend gegen die Grünen an – und verlor beide. Auch der erste Stellvertreter des Schriftführers ging erneut an die SPD, der zweite Stellvertreter an die Linke. Die Linke hatte keinen weiteren Kandidaten vorgeschlagen.
(An der Stelle kann ich durchaus sagen, daß ich Bauchschmerzen habe. Eine Argumentation für den Vorsitzenden war u.a. daß die stärkste Partei auch den Vorsitzenden stellen sollte. Doch nach dieser Logik ist es etwas befremdlich, wenn die zweitstärkste Partei erst den fünften im Podium stellt. Das soll einer mal einer sachlich und rationell den Wählern erklären, wie das deren Willen entspricht…)
Mit dieser Wahl ist die Konstituierung abgeschlossen.
Direkt im Anschluß ging es zur Wahl des Bezirksbürgermeisters und der Bezirksämter. Zur Wahl des Bürgermeisters haben wir auf einer Gebietsversammlung zwei Tage vorher unsere Mitglieder befragt. Bei einer Abstimmung stimmten sehr viele Mitglieder gegen ihn bzw. enthielten sich ihrer Stimme. Das ist eine schlechte Ausgangssituation – denn eine Frage blieb offen: was wollen wir eigentlich? Wollen wir aus der SPD einen anderen Kandidaten? Einen Kandidaten einer anderen Partei? Oder wollen wir noch etwas heraushandeln?
Das Ergebnis fiel äußerst knapp aus. Viel knapper als ich erwartet habe. Vergleicht man die tatsächlichen Ja-Stimmen mit der Zählgemeinschaft, so gab es mehrere Abweichler. Letztendlich das Ergebnis zählt: Herzlichen Glückwunsch, Oliver Igel!
Die Wahl der Posten für die nächsten drei Bezirksämter verlief geräuscharm. Die Stellvertretende Bürgermeisterin wurde Ines Feierabend (Linke), zwei weitere Stadträte Svend Simdorn (CDU) und Rainer Hölmer (SPD). Die letzte Wahl hatte es dann in sich: Marko Tesch wurde von den Linken als zweiter Stadtrat vorgeschlagen. Und fiel in vier Wahlgängen durch. Das kostet – mit den einberufenen Pausen zwischendurch – viel Zeit.
In den Pausen wurde über den umstrittenen Kandidaten gesprochen, ich hörte vor allen von seiten der SPD viel Kritik, doch konnte ich dafür keine Belege finden. Daher bleibt es immer offen, ob der Kandidat wegen seiner Eignung (dann wäre die Kritik gerechtfertigt) oder wegen seiner möglicherweise unbequemeren Art abgelehnt wird. Einen möglicherweise unfähigen Kandidaten kann eine stärkere Partei (auch mit Zählgemeinschaft) stärker durchdrücken, als eine schwächere Partei. Etwas Böswilligkeit unterstellt könnte man auch jeden Kandidaten ablehnen. Denn welche Parteien letztendlich Vorschläge für das Bezirksamt machen, ist durch das Wahlergebnis vorgegeben.
Im Ergebnis wird wohl nun die Linke zu entscheiden haben, ob sie in der nächsten Sitzung mit diesem oder einen anderen Kandidaten antreten werden.
Damit ging die erste BVV-Sitzung ihrem Ende entgegen. Für die zweite können wir uns nun in die inhaltlichen Punkte stürzen! Ein äußerst schlecht strukturiertes Dokument mit 270 Seiten liegt vor uns – mit Dingen, die in der letzten Wahlperiode offen geblieben sind.
Anschließend gab es noch einen kleinen Pressetermin. Hier das Ergebnis.
(Anmerkung: ich verwende die Begriffe Wahl und Kampfkandidatur im Sinne des Kabaretisten Volker Pispers.)
Bisherige Kommentare (2)
Kommentar von Christian
Anschließend gab es noch einen kleinen Pressetermin. Hier das Ergebnis.
Bereits in der ersten Zeile ist ein interessanter Fehler drin. Die Piratenpartei hat also schon vor über 10 Jahren das Rathaus erobert. Mit vielen Grüßen an Joachim Schmidt.
Kommentar von René
In der Schwesterzeitung Kiezblick, die ca. 1 Woche später erscheint, ist der Fehler auch noch enthalten gewesen. Aber gut, das ist ein offensichtlicher Fehler ;-)
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