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Overnight-delay

Mitte Juni stand ein Flug von Hamburg nach Manchester an. Reguläre Abflugszeit 21:50 Uhr. Mitten in der Nacht ging es mit dem Taxi nach Hause. In Hamburg. Der Flug konnte nicht mehr starten. Für mich war es das erste Mal, dass ich am Abflugsort aus einem Flugzeug ausstieg. Und so organisiert, wie alles ablief, hatte ich den Eindruck, als wäre es dem gesamten Personal rund um den Flughafen auch das erste Mal passiert.

Kurz nach der Gepäckaufgabe zeigte uns der Bildschirm an, dass der Flug Verspätung von 70 Minuten hätte. Auf den großen Anzeigetafeln im Flughafen steht dazu noch nichts.

(Erklärung vor Ort: Die Fluggesellschaft kennt Verspätungen schon im Vorfeld. An den Flughafen werden sie erst gemeldet, wenn die Maschine auf dem Weg nach Hamburg ist. Irgendwie scheint diese Erklärung nicht ganz einleuchtend zu sein, denn der Abflug des Vorfluges könnte auch nach dem eigentlichen Abflug erst starten)

Also mussten wir auf einem Flughafen, der derzeit unterdurchschnittlich in Schuss gehalten wird, warten. Die Sitzbänke in den Cafés waren völlig verdreckt. Über die Toiletten reden wir lieber nicht. Oder doch: Als ich den Hebel am Seifenspender nach vorne drücken wollte (und noch nicht erkannte, dass dieser drucklos funktioniert), hatte ich den Spiegel in der Hand. Also auch in Sachen Flughafen sollten Hamburger ganz klein sein, wenn sie schadenfreudig nach Berlin schauen.

Da das Vereinigte Königreich immer noch nicht am Schengen-Abkommen teilnimmt, wird vor Betreten des Gates eine Ausweiskontrolle vorgenommen. Diesen Sicherheitsbereich sollte man nicht früher als unbedingt nötig betreten. Draußen Luft und Platz. Drinne viele Leute, die sich die Beine in den Bauch treten.

Dann Einstieg ins Flugzeug. Es gab eine Person mit Nussallergie, deshalb werden im gesamten Flugzeug keine Nüsse verkauft, der Eigenverzehr sollte unterbleiben.

Und dann sollte es losgehen. Aus den 70 Minuten Verspätung wurden nun schon 90 Minuten, weil das Boarding einfach länger dauerte. Doch es ging nicht los: es zog ein Gewitter über dem Flughafen auf.

Um 0:15 Uhr kam dann die Botschaft, dass der Flughafen nun entgültig geschlossen ist – und nichts mehr starten wird. Man sollte zum Terminal 1 zurück, dort würde ein Schalter aufgemacht werden. Neben diesem Flug war auch ein Flug nach London betroffen. Nun machten sich zwei volle Flugzeugladungen auf den Weg zurück ins Terminal 1. Also raus aus dem Flugzeug. Durch die Passkontrolle (Wiedereinreise nach Schengen), die allerdings allerdings nur vereinfacht durchgeführt wurde. Ich glaube, sie wollten nur sicherstellen, dass niemand ohne Pass/Perso das Flugzeug verlässt. Die Gänge entlang. An der Gepäckausgabe vorbei. Über Terminal 2 raus. In die Abflughalle. Rüber zu Terminal 1. Nun bildete sich eine Schlange, die bis ans Ende des Terminalgebäudes reicht. Gut 200 Leute. Das geordnete Chaos.

Es gab nun zwei Angestellte, die das ganze abwickeln durften. An einem Schalter. Und jede Menge Unbekanntes. Es war weder klar, ob und wann geflogen wird. Ob umgebucht wird. Was mit dem aufgegebenen Gepäck passiert. Und was man nun dreiviertel Eins auf einem Flughafen macht.

Nun war es hilfreich, dass wir in Reihe 4 saßen, also auch weit vorne in dieser Schlange waren. Der eine Mitarbeiter gab einige Hinweise. Aber davon bekommen schon die Menschen, die 10 Meter hinter uns standen, wohl nichts mehr mit. Gibt es keine Lautsprecher am Flughafen? Oder Megafone? Ist hier nix organisiert?

Nach und nach trudelten die wichtigen Informationen ein: der Flug sei nicht ausgefallen, es handelte sich um eine Übernacht-Verspätung. Sprich: der Flug würde am nächsten Tag nachgeholt werden und die Tickets behielten ihre Gültigkeit.

Die riesige Schlange war eigentlich nur zur Abwicklung von Auswärtigen gedacht, damit diese ein Hotel bekommen. Da sie das regeln, darf man dann nicht selbst regeln. In Hamburg wohnende können wohl auch nach Hause. Erst auf Nachfrage hieß es, dass auch Taxi übernommen werde (da ja mittlerweile keine S-Bahn mehr den Flughafen ansteuert).

Damit könnten wir auch nach Hause. Aber es war noch nicht klar, wann der Flug nachgeholt wird. Wenn er bspw. schon um 7 Uhr starten würde, würde sich eine Rückfahrt kaum lohnen. Dann wäre ich wohl um 3 Uhr ins Bett gegangen und um 3 Uhr wieder aufgestanden. Irgendwann fand ich online die Botschaft, dass es 14:00 Uhr losgehen sollte. Vom Schalterpersonal hörte ich, dass man sich auf diese Aussage noch nicht verlassen sollte. Aber genau diese Information hörte ich eben nur, weil ich weit vorne stand.

Auch wenn man hierüber nachdenkt: Auch die Crew und der Pilot haben ihre Ruhepausen. Und da der Flugverkehr so unheimlich detailliert durch reglementiert und organisiert ist, würde ich wetten, dass jede Maschine auch einen Notfallfahrplan für den Folgetag haben wird. Denn was soll man 1 Uhr nachts, wo nahezu jeder Flughafen dicht ist, noch klären?

Eher durch Zufall bekam ich mit, dass auch das aufgegebene Gepäck wieder ausgeworfen wurde. Juhu. Wenn man in Ruhe darüber nachdenkt, macht das voll Sinn (wer eh übernachtet, braucht mehr als nur Handgepäck). Aber genau solche Informationen fehlten im entscheidenden Moment.

Also den Weg zurück zu Terminal 2. Am Ausgang gibt es eine Klingel, wo man im Ausnahmefällen zurück zum Gepäckband kommt. Wir klingelten. Es passierte nichts. Durch eine herumlaufende Security erfuhren wir, dass nur der Ausgang am Terminal 1 besetzt sei. Also wieder zurück zu Terminal 1. Wir klingelten – und die Tür öffnete sich. Gegen Vorzeigen des Boarding-Passes durften wir rein. Wir liefen innen zurück bis wir vor dem Gepäckband Numero 4 ca. 10 Koffer aufgestaut fanden (das war in etwa in Höhe der Tür, wo wir zuvor draußen standen). Offensichtlich wurden alle anderen schon abgeholt.

Unter der Annahme, dass es wohl irgendwann in der zweiten Tageshälfte losgehen wird, waren wir raus zu den Taxis gegangen. Zum Glück fuhren noch einige den Flughafen an. Und irgendwann um 2:00 Uhr kamen wir wieder an.

Mittlerweile bekam ich eine E-Mail vom Flugbetreiber. Dort wurde die Abflugszeit von 14:00 Uhr bestätigt. Aber anders als die Aussage auf dem Flughafen mussten neue Boarding-Pässe gedruckt werden. Es war in dem Falle wohl nicht das Problem, diese am Flughafen zu drucken. Glücklicherweise las ich es – und hatte die Möglichkeit gehabt, diese noch zu drucken (und habe es auch getan). Am Flughafen gab es dafür einen Schalter mit einer gigantischen Schlange.

Als wir wenig später das Flugzeug betraten, trafen wir – welch Zufall – die selben Leute neben uns. Ein paar wenige Sitze blieben leer. Es gab wieder die Warnung mit der Nussallergie. Der Rest verging wie im Fluge.

Update: Im Nachgang spielten wir das Spiel der EU-Fluggastrechte einmal durch. Doch easyJet lehnte ab, weil das Gewitter höhere Gewalt sei. Dem konnten wir nicht folgen. Zwar war das Gewitter dafür ursächlich verantwortlich, dass nicht mehr gestartet werden konnte – zur regulären Abflugszeit war das noch möglich, die Verspätung resultierte auch aus diesem Vorflug.. Ich wandte mich an die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr e.V., was in jedem Fall eine gute Idee war. Dort schilderte ich noch einmal diesen Sachverhalt. Dann dauerte es gut zwei Monate, bis diese zu einem Schlichtungsvorschlag kamen – in dem Falle 2/5 der regulären 250 Euro gemäß dem EU-Anspruch bei Verspätungen. Diesen Vorschlag nahmen wir auch an – und ist in jedem Fall der schönere Ausweg. Im Falle eines Gerichtsverfahrens wüssten wir nicht, wo wir landen. Möglicherweise gab es auch höhere Gewalt bei den vorhergehenden Flügen – und die Debatte wäre dann, was vermeidbar oder steuerbar gewesen wäre. Genau diese Abwägungen führte die Schlichtungsstelle auch in ihrer Begründung aus, also die Abwägung zwischen dem eigentlichen Anspruch und dem Haftungsausschluss.

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