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Die Abgeordnetenehe Sachsen-NRW

Gleich und Gleich gesellt sich gern – das Sprichwort gilt wohl auch für Menschen mit extrem befremdlichen Positionen. Nun haben sich zwei Abgeordnete aus zwei verschiedenen Bundesländern zusammengefunden und haben die Heirat bekannt gegeben.

Nun lese ich bei Correctiv, die sich auf Recherchen vom ZDF-Magazin Frontal 21 berufen:

Verheiratete dürfen nur einen Hauptwohnsitz haben. Damit können sich Petry und Pretzell nicht gleichzeitig in Sachsen und NRW in den jeweiligen Landtag wählen lassen. Einer von beiden müsste abtreten.

Die Konsequenz dieses Artikels sei, dass ein Mitglied der künftigen Ehe auf das Landtagsmandat im jeweiligen Bundesland verzichten muss, weil das Mandat an die Existenz des Hauptwohnsitzes (oder korrekter: Hauptwohnung) gebunden ist – und der würde dann wahlweise nach Sachsen oder NRW schwenken.

Diese Information ist leider nicht zutreffend!

Das Problem dieser Rechtsauffassung ist: sie greift nur, wenn die beiden jeweils in die Wohnung des anderen ‚einziehen’. Und auch nur, wenn es eine „vorwiegend benutzte Wohnung der Familie” gibt.

Nach §17 Bundesmeldegesetz muss derjenige eine Wohnung melden, der in sie einzieht. Einen Einzug kann man sich auch im juristischen Sinne so mit Möbeln und Einrichtungsgegenständen vorstellen.

Wenn also Frau Pe. nicht in die Wohnung von Hr. Pr. einzieht und umgekehrt, haben beide nur jeweils eine alleinige Wohnung. Frau Pe. in Sachsen, Herr Pr. in NRW. In diesem Fall greift die Bestimmung nach §22 Bundesmeldegestz nicht. Denn dieser Paragraf regelt nur, welcher die Hauptwohnung ist – wenn mehrere vorliegen.

Ferner sagt §22: „vorwiegend benutzte Wohnung der Familie”. In diesem Falle werden wohl beide Partner glaubhaft machen können, dass diese Familie – eben auch durch die Wahrnehmung ihrer Mandate – keine Wohnung vorwiegend nutzt.

Eine Pflicht zum Zusammenziehen existiert nicht – und würde Artikel 6 Grundgesetz zuwiderlaufen.

Ich zitiere aus den Verwaltungsvorschriften zum Bundesmeldegesetz

Unterhalten Ehegatten oder Lebenspartner je eine eigene Wohnung, von denen keine vorwiegend gemeinsam benutzt wird und haben sie auch keinen gemeinsamen Schwerpunkt der Lebensbeziehungen, ist § 22 Absatz 1, 3 und 4 BMG nicht einschlägig. In diesem Fall ist für jeden Ehegatten oder Lebenspartner eine alleinige Wohnung im Melderegister einzutragen.

Mit der Fragestellung haben sich übrigens auch schon Gerichte beschäftigt, z.B. der bayrische Verwaltungsgerichtshof:

In besonders gelagerten Einzelfällen ist auch bei nicht getrennt lebenden Ehepaaren anzuerkennen, dass diese melderechtlich jeweils eine alleinige Wohnung haben können.

In eigener Sache: Ich betreibe seit 2005 die Webseite zweitwohnsitzsteuer.de – und beschäftige mich seitdem unweigerlich mit dem Meldegesetz. Zum Bundesmeldegesetz habe ich einen Kommentar verfasst

Update, 02.02.: Nun geistert die Rechtsauffassung von Frontal 21 durch alle Medien – und schürt falsche Hoffnungen. Mitunter führt diese Meldung auch zu völlig falschen Schlussfolgerungen wie bei Katalin Gennburg, Mitglied des Abgeordnetenhauses:

Sich wählen lassen wo man wohnt, Politik macht und Ahnung hat? Nicht mit diesen AfD-Eliten, pfft! Fern von den Menschen.

Aus der falschen These, dass Familien zwingend eine gemeinsame Wohnung benötigen, wird nun geschlussfolgert, dass die beiden nicht da Politik machen, wo sie wohnen.

Update, 03.02.: Wenn ich die §§-Brille des Meldegesetzes ablege, frage ich mich, wie dieses Musterbeispiel der modernen Patchworkfamilie und mit getrennten Wohnungen zum angestaubten und extrem rückständigen Menschenbild ihrer Partei passt.

Update 05.02.: Diese Fehlinterpretation des Gesetzes stammt von Joachim Wieland, Professor für Öffentliches Recht an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer. Frontal 21 gab eine weitere Pressemitteilung heraus, in dem dieser Professor erklärt:

Eine Allgemeine Verwaltungsvorschrift kann nach dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vorrangs des Gesetzes die gesetzliche Regelung nicht abändern

Das mag ja sein. Nur erklärt diese Verwaltungsvorschrift nur das, was zuvor in Paragrafen schon im Gesetz steht. Ich finde es ungeheuerlich, wenn Rechtsprofessoren mit eigensinnigen Argumentationen ins Rennen gehen.

Anmerkung: Mein Beitrag geht von der Annahme aus, dass der Schwerpunkt von Hr. Pr. tatsächlich in NRW liegt. Ich erwarte von den Meldebehörden, dass sie die Meldung auch prüft – insbesondere hinsichtlich der Tragweite der Konsequenzen bei Falschmeldung.

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