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Den Equal-Pay-Day verschlafen?

Gleicher Lohn für gleich(wertig)e Arbeit? Ja. So sollte es sein. Unabhängig von Geschlecht, Herkunft, Körpergröße und Alter. Soweit die Theorie und das hoffentliche konsente Ziel.

Mir ist klar, dass Theorie, Wunsch und Praxis nicht immer übereinstimmen.

Es gibt seit 2008 eine markante Zahl vom Statistischen Bundesamt, den sogenannten Gender-Pay-Gap, der auf Basis der vierteljährlichen Verdiensterhebung ermittelt wird:

Der Gender Pay Gap beschreibt den prozentualen Unterschied zwischen abhängig beschäftigten Männern und Frauen mit durchschnittlichem Bruttostundenverdienst.

Laut dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ist diese Lücke von 22% im Jahr 2014 auf 21% im Jahr 2015 gefallen.

Und auf diese Zahl stützt sich der sogenannte Equal-Pay-Day des Vereins BPW Germany:

Angenommen Männer und Frauen bekommen den gleichen Stundenlohn: Dann steht der Equal Pay Day für den Tag, bis zu dem Frauen umsonst arbeiten, während Männer schon seit dem 1.1. für ihre Arbeit bezahlt werden.

Bei einer Differenz von 21% würden Frauen also 79 Tage des Jahres umsonst arbeiten. Und der 79. Tag eines Schaltjahres ist der 19. März.

(Wer genau nachrechnet, wird bei 21% den 17. März ermitteln. Ich will nicht kleinlich sein).

Und wer nicht völlig blind für Statistik ist, wird erkennen, dass der Equal-Pay-Day mit dem Gender-Pay-Gap nicht direkt etwas zu tun hat. Denn das Gender-Pay-Gap berücksichtigt nicht Qualifikation und Tätigkeit. Die ist aber notwendig, wenn die Forderung „Gleicher Lohn für gleich(wertig)e Arbeit” lautet – und nicht „Gleicher Lohn für Alle”! Das eine ist Geschlechtergerechtigkeit, das andere Kommunismus.

(Wer Kommunismus fordert, sollte das Kind auch so nennen!)

Auch das Statische Bundesamt klärt auf:

Weiterführende Berechnungen für 2010 zeigten, dass Frauen auch bei formal gleicher Qualifikation und Tätigkeit häufig schlechter entlohnt wurden. Auch bei gleicher Arbeit blieb im Durchschnitt ein Abstand von etwa 7 % zu Lasten der Frauen. Eine wichtige Rolle spielen dabei vermutlich die Unterschiede in den Erwerbsbiografien. Bei Frauen entstehen oft Lücken oder Brüche durch Teilzeitarbeit wegen Kindererziehung oder anderer familiärer Verpflichtungen (siehe 3.6 und 3.7), die zu einem geringeren Verdienst führen.

Ich begegne diesen Zahlen grundsätzlich mit Skepsis. Auch bei dieser Zahl.Und auch bei den 2%, die das Instituts der deutschen Wirtschaft ermittelte. Wann ist denn eine Arbeit formal gleich und wann ist sie es nicht? Es können tausende Gründe an den Haaren herbeigezogen werden, warum zwei Löhne nicht direkt verglichen werden können.

Setzen wir 7% als realistisch an: der Equal-Pay-Day würde am 26. Januar liegen. Im Jahr 2014 (die Zahlen werden nur alle 4 Jahre aktualisiert) waren es nur 6%, das wäre dann der 22. Januar.

Aber: diese Lücke wird nicht über alle Arbeitenden gezogen, sondern nur auf abhängig Beschäftigte mit folgender Einschränkung:

Beschäftigte in der Landwirtschaft, in der öffentlichen Verwaltung sowie in Betrieben mit bis zu zehn Beschäftigten werden nicht berücksichtigt. Und das sind auf allen Ebenen auch mehrere Mio Beschäftigte.

Sprich: Mehrere Millionen Beschäftigte verdienen dank stringenter Tarifverträge das gleiche, sind aber nicht mit eingerechnet worden.

Und mit diesen Erkenntnissen im Nacken sollte man den unzähligen Statements (insb. von Gewerkschaften, Initiativen aber auch Parteien) begegnen.

Warum ist diese Unterscheidung wichtig? Weil es unterschiedliche Ursachen gibt und unterschiedliche Werkzeuge! Und weil es verschiedene Diskussionen sind. Und möglicherweise auch unterschiedliche Ziele.

Häufig klingt eine niederschmetternde Kritik gegenüber Arbeitgebern mit. Die Buh-Männer schlechthin. Dieses „Warum-zahlt-ihr-nicht-einfach-gleich?”. Und für diese unmittelbaren Ungleichheiten (diese pimaldaumen 7%) hilft mit Sicherheit das geplante Gesetz für mehr Lohngerechtigkeit. Das Gesetz könnte uns auch bessere Zahlen für weitere Debatten liefern.

Über die anderen ca. 14% werden wir diskutieren müssen. Nicht nur Feministen. Alle!

Ist diese Anpassung nur in Fahrtrichtung „Frauen fordern mehr” zu erreichen? Und ist eine vollständige Anpassung überhaupt realistisch?

Zu letzteren ist zu beachten, dass es in unserem Land immer noch einen Anteil Menschen mit extrem konservativen Familienbild gibt. Der Staat kann zwar Anreize (z.B. Kita-Angebot) setzen, aber er kann mittels Gesetzen hier nichts erzwingen. (Ich bin nur der Bote!) Glücklicherweise wandelt sich ja auch dieses Bild mit der Zeit, auch wenn gegenwärtig eine blau-braune Partei dagegen ankämpft.

Andererseits gibt es alternative Entwürfe gegen das Idealbild der Vollzeitbeschäftigung. Vor sechs Jahren stellte ich hier im Blog die Halbtagsgesellschaft vor. Es gibt viele andere, spannende Modelle. Über die Chancen, die ein bedingungsloses Grundeinkommen böte, ganz zu schweigen. Daneben gibt es noch unzählige andere Dinge, über die man reden muss. Über die gläsernen Decken. Über Berufsbilder, die üblicherweise mit nur einem Geschlecht verbunden werden. Überhaupt, was uns als Gesellschaft soziale Berufe wert sind. Und wie Alleinerziehende unterstützt werden. Auch der immer noch gravierende Unterschied zwischen den alten und neuen Bundesländern (23% vs. 9% im Jahr 2014) hinterlässt Fragen.

Und für all diese Auseinandersetzungen hilft dieser bewusst falsch datierte Equal-Pay-Day nicht weiter. Es geht nicht nur um die Bezahlung geleisteter Arbeit.

Fun-Fact: Eine Forderung, der ich mich absolut nicht anschließen kann, ist die des Deutschen Gewerkschaftsbundes: sie wollen, dass Frauen praktisch gar nichts mehr verdienen:

Bisherige Kommentare (1)

Kommentar von René

Noch mal ein ergänzender Gedanke aus Sicht der Marktwirtschaft:

Stelle dich mal in die Rolle eines Firmenchefs vor. Du bist durch und durch Kapitalist. Nun bekommst du mit, dass eine konkurrierende Firma Frauen eines Berufszweig 21% weniger Stundenlohn zahlt als Männern (bei vergleichbarer Arbeit).

Was machst du dann?

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