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Ikea Altona

In Hamburg Altona öffnete im Juni der erste Innenstadt-Ikea. Diesen habe ich mir nun angeschaut – und möchte aus stadtentwicklungspolitischen Aspekten einige Gedanken niederschreiben!

Dieser Artikel betrachtet keine sozialen und umweltpolitischen Aspekte der Möbelherstellung. Siehe dazu bspw. den Artikel Ikea Möbel aus Weißrussland

Vorwort

Jeder kennt sicherlich diese klassischen Ikea-Baumärkte: sie wurden häufig auf grüner Wiese errichtet – in der Nähe der Autobahn. Nur selten befinden sie sich am Rand der Innenstadt (wie bspw. in Essen) oder im direkten Umfeld zu einem Fernbahnhof (Berlin-Südkreuz). Die Bauwerke sind zweigeschossig. Hinzu kommt i.d.R. ein großer Parkplatz kombiniert mit Hoch- und Tiefgaragen.

Wer Möbel kaufen will, muss also ‚raus’ fahren. Ohne Auto oder zumindest einer Fahrerlaubnis sieht es schwierig aus. In vielen Städten haben sich sogenannte Möbeltaxis angesiedelt (siehe auch der Streit über die Berliner Möbeltaxis).

Und nun macht Ikea einen sehr intelligenten Schachzug: Sie wollen die Möbel da verkaufen, wo Leute wohnen: in der Innenstadt! Dieser Schritt ist mutig. Und aus stadtentwicklungspolitischer Sicht innovativ! In Berlin heißt es beispielsweise:

Nahversorgungssortimente wie Lebensmittel sind wohnungsnah zu sichern und zu entwickeln. Angebote wie Bekleidung, Bücher und Haushaltswaren sind als zentrenrelevante Sortimente in den städtischen Zentren zu halten und an diesen Orten mit neuen Entwicklungsperspektiven zu versehen. Fachmärkte wie Möbelhäuser, Bau- und Gartenmärkte mit nicht-zentrenrelevanten Sortimenten, die sich aufgrund ihrer Flächenansprüche vielfach nicht in die städtischen Zentren integrieren lassen, sind auf Komplementärstandorte zu lenken.

Flächenverbrauch

Die wohl größte Herausforderung ist, mit der zur Verfügung stehenden Fläche auszukommen. Auf der Fläche des Ikeas in Hamburg-Moorfleet habe ich die Fläche des Altonaer Ikeas (rot) projiziert:

Diesen Größenvergleich finde ich bemerkenswert. Natürlich haben sie sich ins Erdreich und in die Höhe ausgedehnt. So gibt es die Logistik in den Untergeschossen, dann drei Verkaufsebenen und obendrauf vier Parkebenen. Der Verkaufsfläche fällt geringfügig kleiner aus. Die Anzahl der Parkplätze ist deutlich reduziert – hier nur 730 (andere Filialen haben teilweise mehr als 2000).

Bürgerentscheid

Politisch hat diese Filiale einen verhältnismäßig hohen Stellenwert. So wurde ein eigener Ausschuss in der Bezirksversammlung Altona gegründet. Der Hamburger Senat evozierte das Projekt (zu Deutsch: erklärte es zur Chefsache und entriss dem Bezirk die Zuständigkeit). Und es folgte ein Bürgerentscheid mit folgender Fragestellung:

Sind Sie dafür, dass in Altona – Altstadt ein IKEA Möbelhaus gebaut wird und der Stadtteil dadurch nachhaltig belebt und attraktiver wird?

Die Frage ist extrem suggestiv und manipulierend. Vor allem erwartet sie von einem Möbelhaus Dinge, die es gewöhnlich nicht kann (oder sollen künftig in der Walpurgisnacht Billy-Regal-Lagerfeuer auf der Großen Bergstraße stattfinden?) Die Seite „Sommer in Hamburg” bemängelt, dass kein gemeinsamer Bürgerentscheid mit der Gegen-Ini durchgeführt wurde. Leider finde ich von der Gegen-Initiative kaum Hinweise im Netz (könnte ggf. mit der Teilung der Initiative zusammenhängen). Im Ergebnis stimmten 77% der obrigen Fragestellung zu (bei einem Briefwahlanteil von 99,8% – Hilfe!).

Bisheriger Bebauungsplan und Bebauung

In den 60ern wurde ein Bebauungsplan festgesetzt, der das Gebiet zum Kerngebiet erklärte und großflächigen Neubau zu Lasten der kleinen Gebäude (wie sie noch auf der nördlichen Straßenseite der Großen Bergstraße anzufinden sind) zuließ. Dabei entstand eine Karstadt-Filiale:

(Anmerkung: die einst festgesetzten Vollgeschosse stimmen mit dem Bild nicht überein. Wer sachdienliche Hinweise hat – bitte in den Kommentaren!)

Dieses Gebäude wirkt nicht unbedingt erhaltenswert – allerdings beherbergte das Gebäude auch 120 Wohneinheiten. Karstadt schloss. Und Überlegungen zur Nachnutzung standen auf der Tagesordnung. Der Investor k-Werkstatt wollte das Gebäude für 11,5 Mio Euro übernehmen. Da das Gebiet als Sanierungsgebiet ausgewiesen war, hatte der Bezirk die Möglichkeit eines Vetos und nutzte sie.

Zu massiv und zu viel Ladenfläche statt Wohnungen”

So die Begründung des Bezirksamtsleiters Hinnerk Fock (In Berlin wäre dies der Bezirksbürgermeister)

Also noch mal langsam: Bei der Sorge, dass aufgrund eines zu hohen Verkaufspreises eine bestimmte Anzahl Wohnungen verloren gehen könnte, spielten dieselben Argumente keine Rolle wenn ein Möbelhaus kommt und von vornherein überhaupt keine Wohnungen vorsieht. Irre! Aber für diese bahnbrechende Logik kann Ikea wohl nichts.

Verkehr

Die Angst, dass in Folge eines Bauvorhabens mehr Autos als bisher die eigene Haustür passieren, ist auch in diesen Vorhaben ausgeprägt vorhanden gewesen. Dabei hatte schon das vorherige Karstadt-Warenhaus 550 Stellplätze. Die Bezirkspolitiker fordern von Ikea ein Verkehrskonzept mit einem Modal-Split von 60% autofreien Verkehr. Soll Ikea zaubern? Soll Ikea die hausgemachten Probleme der Hamburger Verkehrspolitik ausbügeln? Ich erinnere, dass Bürgermeister Olaf Scholz die Straßenbahnpläne eingestampft hat!

Natürlich ist auch Ikea gefordert. Im Mobilitätskonzept werden die verschiedenen Möglichkeiten und Maßnahmen vorgestellt:

  • Keine (kostenfreien) Stellplätze für Mitarbeiter
  • Logistikzentrum außerhalb des Altonaer Zentrum, so dass von da LKWs gezielt nach Altona fahren können. Folglich: keine wartenden LKWs vor Ikea
  • Diverse Ideen wie der Verleih von Sackkarren und Lastenrädern

Zudem wurden einige Kreuzungen mit entsprechenden Abbiegespuren optimiert (für die laut städtebaulichen Vertrag Ikea festgesetzte Gelder bezahlen muss).

Als ich an einem Samstag vor Ort war, konnte ich die Aufregung vor dem Verkehrschaos nicht nachvollziehen.

Öffnungszeiten

Die Ladungsöffnungszeiten sind recht ungewöhnlich – zumindest schließt die Filiale gegen 19:30 Uhr. Hierzu die Vorgeschichte:

(In Hamburg liegen städtebaulichen Verträge schon im Netz, wenn auch noch nicht in der Transparenz-Datenbank. In Berlin wurde mir selbst als Bezirksverordneten schon erklärt, dass ich keinen Einblick bekomme.)

Bau

Der Bau in Zeitlupe:

Fazit

Aus Aspekten des Flächenverbrauchs und der innenstadtnahen Versorgung mit Möbeln begrüße ich dieses Vorhaben. Aus verkehrlichen Aspekten wäre es spannend zu erfahren, wie viele Fahrten an den Stadtrand eingespart werden (und damit zur Stadtökologie beitragen).

Baulich hätte ich mir durchaus noch kleinteiliges Gewerbe an der Gebäudefront zur Großen Bergstraße gewünscht! Das muss nicht groß sein – aber eben zum Charakter einer Einkaufsstraße passen.

Warum ich mich so intensiv mit dem Bauwerk beschäftigte? Nun, dieses Vorhaben wird mit Sicherheit Nachahmer in anderen Städten finden. Zumindest sagt mit das meine Glaskugel.

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