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Hamburg

Fahrradboxen in Barmbek-Süd

Es wird zugegebenermaßen in Hamburg nicht gerade viel für den Radverkehr getan. Und Straßen, die gestern eine Zumutung waren, sind es in der Regel heute noch. Gelegentlich gibt es kleine Lichtblicke, wie zuletzt in der Louise-Schröder-Straße. Heute geht es um die neuen Fahrradboxen, also sichere Unterstellmöglichkeiten für Fahrräder im öffentlichen Raum. Hier testet die Stadt gerade verschiedene Modelle an verschiedenen Orten.

In Barmbek-Süd ist der Parkdruck sehr hoch – vor allem auch der Fahrradparkdruck. Einen freien Bügel am Straßenrand finden ist wahrlich schwer. In dem Gebäude, in dem ich wohne, gibt es keinen Fahrradkeller. Und die meisten der benachbarten Altbauten sind gar nicht unterkellert.

Ein wenig ließe dieser der Druck lindern, wenn die Stadt regelmäßig auch Fahrradleichen einsammelt. Das passiert sehr selten. Gerade mal seit ein paar Wochen sehe ich verstärkt rote Zettel. Dabei machte ich vor reichlich einem Jahr einen Feldversuch und meldete im Meldemichel alle Schrottfahrräder, die ich auf einem Straßenabschnitt auf einer Straßenseite auf der Schumannstraße entdeckt habe – es waren ca. 15 Stück. Außer der Eingangsbestätigung vom Melde-Michel ist aber nichts passiert. Ganz im Gegenteil zum gleichzeitig gemeldeten Schlagloch auf der Fahrbahn, wo die Asphaltschicht bereits absackte. Da war der Trupp keine fünf Tage später da.

Nun gibt es in der Umgebung einige dieser zwölfeckigen Fahrradhäuschen. Ich hatte mich dafür schon interessiert. Technisch sind es Karusselle, in denen man das Fahrrad reinhängt. Diese musste man selbst bewirtschaften. Sprich: man beantragt eine Sondernutzung, muss diese komplett selbst bezahlen (ca. 12.000€) – und es gibt/gab eine Förderung (ca. 3.000€) (vgl. eine alte und inzwischen veraltete Seite vom VCD). Und dann muss man sich reinteilen (je nach Modell) mit 9 bzw. 11 anderen. Mein Versuch, auch ein solches zu installieren, scheiterte beim Finden von Leuten. Denn die Lage ist maßgeblich (ich traf einige, die dann lieber vor der eigenen Haustür was hätten – verständlich). Häufig war der Kostenaspekt ein Grund. Einige hatten Interesse, sind aber verzogen.

Nun ist das Projekt der Fahrradboxen gestartet. Und diese Gegend gehört zu den Auserkorenen mit drei Standorten: Schumannstraße, Mozartstraße und Imsted.

Es wurden dazu Flyer in den umliegenden Häusern verteilt – und man konnte sich bewerben. Das Los entschied – und ich hatte für die erste Phase Glück. Ein halbes Jahr kostet es 20 Euro. Das ist fair.

Während der Testphase ist man verpflichtet, Umfragen mitzumachen. Die erste Umfrage habe ich hinter mir – und diese war sehr allgemein und generisch gehalten. Es ist suboptimal, wenn ich nach konkreten Problemen beispielsweise gefragt werde – und dann dann nur vorgefertigte Antworten erlaubt sind. Dann landet am Ende alles im abschließenden Kommentar. Und daher nutze ich die Gelegenheit, auch darüber zu berichten – damit sich auch Unbeteiligte ein Bild machen können.

Zunächst gibt es diese Projektseite, die betrieben wird von der Hamburger Behörde für Verkehr und Mobilitätswende – in Zusammenarbeit mit einer GmbH. Im Gesamtprojekt gibt es 12 Standorte mit 20 Boxen für insgesamt 100 Fahrräder. Dabei kommen verschiedene Modellen zum Einsatz:

Modell Schumannstraße:

Modell Mozartstraße:

Modell Imsted:

Ist teste das Modell Schumannstraße.

In den Boxen ist Platz für unterschiedlich viele Räder. In den beiden Boxen hier sind es 4 Stück je Box. Bei der Mozart sind es 6, bei Imsted 5. Ferner sind auch die Öffnungen verscheden: in der Mozartstraße wird es wie bei einem Schiebetürenschrank geöffnet, während die anderen beiden nach oben sich öffnen. Ferner gibt es in der Mozartstraße eine Luftpumpe – ob man diese integrieren muss, sei dahin gestellt: zum Glück funktioniert sie nach all den Monaten.

Allgemein werden benachbarte Fahrräder in unterschiedliche Höhen geschoben. Und in der Regel haben je 2 Fahrräder einen Bügel zum Anschließen. Auch wenn die Box insgesamt abgeschlossen werden kann, sollte das Rad gesichert sein.

Das Modell, was ich testen darf, ist vor allem rund. Das mag zwar besser aussehen als die etwas bauchigeren Modelle. Aber es ist allgemein zu klein. Nun habe ich Position 3 – die erhöhte Position. Hier kollidierte der Mittelbalken mit der Klingel – ich habe halt eine schöne Glocke. Daher schob ich das Rad leicht daneben rein

Da ich meinen Nachbarn in der Radbox nun kenne, haben wir diese mal getauscht – und ich habe Position 2 probiert: die niedrigere Aufhängung. Da passt die Klingel rein, aber sie wird dann jedes Mal vom Lenker aus Position 1 heruntergerissen. Umgekehrt konnte der Nachbar nun in Position 3 auch nur rückwärts einparken, da es auch beim ihm eng wurde. Und auch rückwärts liegt sein Sattel direkt an der Mittelstange der Box. Hier sind die anderen beiden Modelle bauchiger – und müssten mehr Platz bieten (bis jetzt habe ich da aber noch keinen getroffen).

Allgemein ist das rückwärts einparken aber wohl der bessere Usecase: die breiteste Stelle ist nun mal der Lenker. So gibt es weniger Konflikte beim Rein- und Rausschieben (Theoretisch wären auch breitere Boxen eine Lösung – aber ,man nutzt lieber die Höhe als die Breite. Und fünf Zentimeter können dann schon Wunder bewirken.)

Die Öffnung geht nach oben auf. Das ist bei Regen praktisch. Man kann dann in Ruhe das Fahrrad im trockenen abschließen. Nur im Regen muss man die Box wieder verschließen. Das ist im Modell Mozartstraße anders – denn dort schiebt man das Tor seitlich auf, ähnlich wie so ein Aktenschrank.

Die beiden Boxen in der Schumannstraße stehen so, wo vorher verkehrswidrig Autos quer parkten. Damit ging hier kein legaler PKW-Stellplatz verloren. Aber die Fläche ist nur bedingt ausgeschöpft: die beiden Boxen schauen sich sozusagen gegenseitig an. Würde man sie um 90° zum Fußweg hin drehen, wäre also Platz für 16 statt 8 Fahrräder.

Maßgeblich am Erfolg sehe ich die Nähe zur Wohnung. Zumindest sehe ich in meiner Box weder Stubenhocker noch einen dauerhaft unbelegten Platz. Ich selbst stelle es nun jedes Mal rein, wenn ich es abschließen muss – und suche auch beim Zehn-Minuten-Halt keinen Bügel.

Da das ganze ein Novum ist, kommt man auch immer wieder mal mit anderen Anwohnern ins Gespräch, die gerne auch mal unter die Haube blicken. Manche hätten auch gerne so einen Platz. Mit anderen tauscht man sich über Verbesserungen aus:

  • Was ich mehrfach hörte, war die optische Gestaltung. Die Boxen sind sehr dunkel und trist. Ich selbst bin dabei leidenschaftslos. Die SUVs nebenan sind nun auch keine Ausgeburt an Schönheit.
  • Ich hörte Kritik von der Aufopferung von Kfz-Parkraum. Das betrifft aber nicht die Schumann-Boxen, sondern die anderen beiden: hier wurde der Straßenrand aufgepflastert und die Box darauf errichtet. Dabei sind jeweils PKW-Stellplätze verloren gegangen – obwohl dort jeweils ausreichend Platz neben der Fahrbahn gewesen wäre.
  • Zugang zur Straße: Bei der Schumann wird davor (legal) geparkt. Das sah ich aber weniger kritisch: bei den Längsparken in Richtung Herderstraße kann man in der Regel den Fußweg verlassen.
  • Die Karusselle hätten mehr Kapazität für die Fläche. Das ist so. Aber man muss da das Fahrrad reinhängen. Das ist nicht für jede Personengruppe geeignet.

Allgemein bin ich zufrieden. Ich würde gerne die Auswertung sehen, wie die Leute der anderen Boxen ihren Platz bewerten. Und allen voran: wie viele dieser Häuschen wird es dann produktiv geben – und was werden die dann kosten?

Update 26.11.2024:

  • Die Tage wurden kürzer und dunkler. Stehst du unter dem Deckel, siehst du kaum noch Straßenbeleuchtung und schließt fast in totaler Dunkelheit dein Fahrrad an und ab. Das geht schon irgendwie – besser wäre, wenn ein LED-Licht-Sensor beim Öffnen bei Dunkelheit reinleuchtet. Das habe ich den Anbieter auch mal vorgeschlagen, zeitweise war ein Licht an den Seitenwänden per Knopfdruck installiert. Nicht optimal – aber mit wenig Aufwand wurde eine Verbesserung herbeigeführt. Das war nur von kurzer Dauer, denn:
  • Die Seitenteile wurden ausgewechselt. Das sind Maßnahmen, die ich nicht nachvollziehen kann. Selbst wenn die Box nicht dem StyleGuide entsprechend gestaltet war: Who Cares? Da sprangen zwei Leute nen halben Tag herum und wechselten die Seitenteile aus. Und zwei Tage später kam noch mal wer, der mit viel Mühe Fahrradpiktogramme aufklebte
  • Die Fahrradboxen werden von der Stadtreinigung sogar gereinigt. Dazu kommt einer mit dem Laubbläser und pustet den Dreck einfach raus. Mal sehen, wann die Straßenreinigung es wieder von draußen reinpustet…

Kunstparker-Awards 2023

Das Ende des Jahres schreitet voran – und dann beginnt die Zeit der Auszeichnungen. Heute feiern wir die Kunstparker des Jahres. Kunstparken ist eine Street-Art-Form und hat eine lange Tradition in Deutschland, auch und vor allem in Hamburg. Es ist eine geistig schöpferische Leistung, ein Kraftfahrzeug so im öffentlichen Straßenraum abzustellen, dass man auf subtile Art und Weise mehr Parkraum im öffentlichen Raum einfordert oder gleich einnimmt. In Barmbek und einigen anderen zentralen Ortsteilen gibt es etablierte Künstlerszenen, die auch in diesem Jahr zahlreiche Artefakte geschaffen haben.

Heute werden die drei besten Werke des Jahres in der Hamburger Regionalliga für Barmbek gekürt.

Platz 3: Der Radweg im Schnee (2023, Blech auf Schnee/Beton)

Der dritte Platz geht an das Kunstwerk “Der Radweg im Schnee”. Auf den ersten Blick erweckt es den Eindruck, es würde niemand gestört und behindert werden. Dem aufmerksamen Betrachter entgeht jedoch nicht, dass das Kunstwerk zum überwiegenden Teil auf einem Radweg installiert wurde. Der Künstler drückt damit volle Unterstützung zur Hamburger Strategie aus, dass Schneeräumung auf Radwegen keinerlei Priorität genießen sollte. Die besondere Originalität dieses Werkes erweist sich aber dadurch, dass durch dieses Kunstwerk eben auch die Schneeräumung auf dem Radweg vereitelt wird. Dafür gibt es 2023 Bronze!

Platz 2: Zwischen Baum und Bügel (2023, Blech auf Erde)

Der zweite Platz geht in diesem Jahr an das Kunstwerk “Zwischen Baum und Bügel”. In der Kunstparkerszene werden Bäume als völlig nutzlos angesehen – es kann ja nicht auf einem Baum geparkt werden. Von Laub, Vogelkot oder Lindenblüten ganz zu schweigen. Es ist jedes Mal aufs Neue eine Frevelei, wenn das Grünflächenamt einen neuen Straßenbaum pflanzt. Was liegt da näher als Bäumen Wurzelschäden hinzuzufügen, damit perspektivisch wieder ein Parkplatz nachwachsen kann? Leider werden viele Bäume deshalb mit Bügeln gesichert – und die hinterlassen leider Kratzer auf dem heiligen Blech. In diesem Falle hat eine Unachtsamkeit des Grünflächenamtes dazu geführt, dass ein Kunstparker direkt zwischen Baum und Bügel posieren konnte. Allein der Mut und das Manövriergeschenk zollen Respekt. Daher ein wohlverdienter zweiter Platz!

Platz 1: Triptychon (2023, Blech auf Beton/Asphalt)

Das Parken in zweiter Reihe ist in der Kunstparkerszene allgemein sehr beliebt, allerdings machen sich die Aktivisten damit ähnlich viele Freunde wie die Letzte Generation auf der Köhlbrandbrücke. Die Zugeparkten, meist Amateure der Szene, fangen an, heftig zu hupen und zu fluchen – und zeigen überhaupt kein Verständnis für diese Kunstform. Oftmals bauen dann die Kunstparker ihre Kunstwerke freiwillig wieder ab.

Und genau das Problem hat der Schöpfer des Kunstwerkes “Triptychon” sehr elegant gelöst – und damit sich einen Traum innerhalb der Kunstparkerszene geschaffen: die Gewissheit, stets eine dauerhaften Galeriestandort zu beanspruchen, ohne dafür Unsummen bezahlen zu müssen. Dazu brauchte es eine Kombination aus Längs- und Schrägparken innerhalb eines Straßenabschnittes. Dabei werden zunächst zwei benachbarte Quer-Parkplätze belegt. Bei der Wahl der Artefakte sollte man stets solche wählen, die nur selten in auswärtigen Ateliers präsentiert werden. An der Stirnseite kann nun sehr entspannt in zweiter Reihe das zentrale Kunstwerk aufgestellt werden. Kein Zweifel, dass der Künstler ein Profi ist: zwei Teile des Triptychons gehören zur selben Fahrschule, das rote Fahrzeug steht seit mindestens Monat unverändert an dieser Stelle. Damit wird Triptychon zum Sieger des Jahres gekürt.

Herzlichen Glückwunsch allen Gewinnern!

Monstertunnel

Hamburg braucht dringend neue Schieneninfrastruktur, denn der Norden Deutschlands hängt komplett an wenigen Fäden. Es gibt viele Nadelöhre in und rund um Hamburg. Viele Punkte, die im Falle von Störungen auch den kompletten Norden zum Erliegen bringen können. Und es gibt ebenso viele Hinderungsgründe, damit der Deutschlandtakt im Norden errichtet werden kann.

Das merkt auch der Bund – und treibt gerade vor allem ein einzelnes Schienenprojekt voran: die S-Bahn zwischen Hauptbahnhof und Altona bzw. Diebsteich soll in einen Tunnel verlegt werden, damit auf der sogenannten Verbindungsbahn (das ist die Hauptstrecke zwischen Hauptbahnhof und Altona) künftig vier Gleise für Regional- und Fernverkehr verlaufen. Der derzeitige Projektname des Tunnelprojektes ist der Verbindungsbahn-Entlastungstunnel (kurz VET).

Ich selbst habe noch keine abschließende Meinung, bin dem Vorhaben allgemein offen eingestellt. Ich sehe es als ein Puzzlestein von vielen, damit die Defizite des Nordens gelöst werden. Nun gab es dieser Tage eine Pressemeldung seitens der Initiative Prellbock Altona. In der Taz ist dann folgende Schlagzeile geworden:

„Monster-Tunnel“ ohne Nutzen

Man hätte der Verkehrswende keinen größeren Bärendienst erweisen können. Zerlegen wir aber zunächst diese Headline in ihre beiden Kernaussagen: “Monster-Tunnel” und “ohne Nutzen”.

Monster-Tunnel

Was ist dem Schöpfer dieser Metapher hier in den Sinn gekommen? Wenn man von den Arbeiterpalästen der Moskauer U-Bahn und der einen oder anderen Berliner und Wiener U-Bahn-Station absieht: die meisten Tunnelstationen werden keinen Wettbewerb in Schönheit gewinnen. Aber wir sind froh, dass wir U-Bahnen haben. Nicht weil da immer erst Leute in den Untergrund müssen oder Mobilitätsbeeinträchtigte auf einen Fahrstuhl angewiesen sind: wir haben im Untergrund andere Flexibilitäten gerade im urbanen, dichten Bereich. Wenn etwas im Untergrund im Weg ist, dann wird es über- oder unterbaut. Der Schall ist besser als auf aufgeständerten Trassen. Vor allem haben wir da Platz, den wir oberirdisch nicht haben. Richtig ist aber auch: es ist aufwändiger und ressourcenintensiver.

Warum nun genau diese Trasse ein “Monster-Tunnel” sein soll, und nicht etwa der schon bestehende S-Bahn-Tunnel, der Harburger S-Bahn-Tunnel oder die auch von Prellbock gewünschte zweite Elbquerung in unterirdischer Ausführung? Es erschließt sich mir nicht. Allenfalls die räumliche Nähe zum geplanten Ersatzneubau der Sternbrücke, die einige zur “Monster-Brücke” erklärt haben.

Im Artikel kommt dann ein wirklich bahnbrechendes Argument:

Der neue Tunnel ist für Hamburg-Fans schon ästhetisch ein Problem. Soll doch mit ihm die schönste S-Bahn-Strecke, die aus Altona über Dammtor direkt über die Alster führt, 30 Meter tief unter die Erde gelegt werden.

Aua! Was haben diese Hamburg-Fans in den 70er Jahre bluten müssen, als einige S-Bahnen plötzlich im Tunnel verschwanden und ganz andere Stationen anbanden? Und ehrlich: wer fährt für diese Stationen extra nach Hamburg? Da macht zum einen die Berliner Stadtbahn mehr her, und auch in Hamburg werden wohl wesentlich mehr Fans die U3 nutzen. Und zum anderen können diese Hamburg-Fans dann die Regionalbahn doch nutzen.

Ohne Nutzen

Aber jenseits der Ästhetik von Tunnelbauwerken, wird der Nutzen in Gänze in Frage gestellt. Also nicht die Frage, ob der Aufwand den Nutzen rechtfertigt oder ob die Prioritäten stimmen, sondern der Nutzen als solches. Dies wird auch im Text noch einmal unterstrichen:

“Wir halten das Gesamtprojekt für schädlich.”

Für diese scharfe Formulierung halte ich die Argumente zu schwach. Viele Argumente betrachte ich auch nicht wirklich als Argumente:

An der Überfüllung der beiden S-Bahn-Bahnsteige am Hauptbahnhof mit ihren vier Gleisen zum Beispiel wird sich gar nichts ändern, da die heutigen Gleise 3 und 4 lediglich verlagert würden.

Das ist auf jeden Fall zutreffend. Aber es ist ja auch gar nicht das Ziel der Maßnahme. Für den Regional- und Fernverkehr sollen zusätzliche Kapazitäten geschaffen werden.

Gegenvorschläge: Zweite Elbquerung und Ring

Im Teaser werden zwei Gegenvorschläge gemacht:

Besser wäre eine zweite Elbquerung und eine Ring-Bahn, die den Hauptbahnhof entlastet.

Unbestritten brauchen wir auch die beiden Gegenvorschläge – es sind auch piratige Forderungen. Aber doch nicht als Entweder-Oder, sondern zusätzlich. Auch mit den zusätzlichen Gleisen zwischen Altona und Hauptbahnhof besteht immer noch das Risiko des Single-Point-of-Failures. Auch wenn ich vier Regionalbahngleise dann habe, reicht ein schräger Typ aus, der sich auf die Gleise legt.

So könnte die zweigleisige Strecke auf der Verbindungsbahn mit moderner Signaltechnik so aufgerüstet werden, dass dort problemlos die Fern- und Regionalbahn im engeren Deutschlandtakt fahren. Auch wäre der Ausbau des Dammtorbahnhofs von vier auf sechs Gleisen sinnvoll, damit die dort haltenden Regionalzüge die Strecken nicht verstopfen.

Es sind und bleiben zwei Gleise. Unbestritten ist wohl, dass man mit einigen Maßnahmen wie ETCS noch etwas mehr herausholen kann.

Klimabilanz

Auch fürs Klima sei der Bau schädlich. So werden nach Schätzung der Initiative für die insgesamt 16 Kilometer Tunnelröhre und die Bahnhöfe weit über eine Million Kubikmeter Stahlbeton verbaut und etwa 1,35 Millionen Tonnen CO2 freigesetzt, was vom Klimaeffekt her erst nach 250 bis 300 Jahren Bahnverkehr ausgeglichen wäre.

Ich kenne diese konkrete Prognosen nicht. Ich kenne sie für die U5. Wenn diese genauso sind, dann sind sie für die Tonne. Vor allem darf ich dann auch nicht mehr über die zweite Elbquerung reden, wenn ich dieses Argument ernst nehme. Zugegeben: eine seriöse Rechnung wird in so einem komplexen Geflecht nur schwer möglich sein, da sich viele Effekte dann auch auf anderen Strecken wiederfinden. Andererseits muss man sich auch nichts vormachen: es braucht ohne Zweifel jede Menge Beton, allein schon für die Tübbinge.

Kosten

Eine Vorgänger-Studie schätzte 2020 die Kosten auf drei Milliarden Euro. Jung prognostiziert eine ähnliche Steigerung wie in München.

Ja, klar: das wird Milliarden kosten. Aber es sollte uns das wert sein. Jedes Bauprojekt wird erst sehr optimistisch gerechnet, dann wird es teurer. Etwas mehr Ehrlichkeit im Vorfeld wäre immer von Vorteil. Aber wenn es hilft, dann sagen wir eben 20 Mrd.? Dann lasst es uns tun. Die Frage ist immer, was das nichts tun uns kostet. Die Defizite des Nordens lösen sich ja nicht mit Fingerschnipsen.

Profitieren würden vor allem Tunnelbauunternehmen.

Es mag einige überraschen, aber bei jedem Bauvorhaben gibt es Branchen, die davon profitieren. Was sind das für Argumente?

Bauphase

Die ganze östliche Seite des Hauptbahnhofs werde vom Stadtteil St. Georg aus gar nicht mehr zugänglich sein, prophezeit Jung. „Der Hachmannplatz ist zehn Jahre dicht“.

Ein weiteres Argument, was bei mir gar nicht zieht: jede Baumaßnahme hat eben Beeinträchtigungen zu Folge. Es ist eine Frage des Geldes, wieviel man kaschieren möchte und wie die Logistik beim Bau gestaltet wird.

Fazit

Die Debatte, ob wir dieses Verkehrsprojekt brauchen oder nicht, sollten wir führen. Die Argumente, die Prellbock hier ausführen, überzeugen mich leider nicht – vor allem weil sie überspitzt und überzogen sind.

Ich erkenne zweifelsfrei einen Nutzen dieser Maßnahme, bin aber noch nicht überzeugt, ob hier Aufwand und Nutzen im Verhältnis stehen, oder ob andere Lösungen zielführender sind. Teilweise fehlt mir dazu aber auch das Wissen, was exakt hier nötig ist, damit wir ein bestimmtes Niveau dann haben, was für die nächsten Jahrzehnte ausreicht. Das macht es beispielsweise auch schwierig für Bürgerbeteiligung: du kannst eine Umfrage machen, ob mehr Züge von Hamburg in den Norden fahren sollen – oder ob eben diese durch den sogenannten Monster-Tunnel fahren sollen. Die Ergebnisse werden konträr ausfallen.

Neben der Verlegung der S-Bahn könnten aber auch zwei Regionalbahngleise in den Untergrund gelegt werden – vielleicht ist das eine günstigere Maßnahme (da dann bspw. keine Bahnhöfe festgelegt werden müssen).

Allgemein bin ich Freund von konstruktiven Vorschlägen. Also lehne das Vorhaben nicht ab, sondern stelle Anforderungen so, dass du mit dem Ergebnis besser leben kannst oder manchen Kritikpunkt zum Pluspunkt umwandeln kannst. Und Vorschläge zur Stationsgestaltung sind Willkommen, aber beispielsweise auch, wie am Dammtor die künftigen Umstiege verbessert werden können.

Das Werden einer Wohnstadt

Ein Hoch auf das Ende des Urheberrechts 70 Jahre nach dem Tod – so ist nämlich folgende Perle nun gemeinfrei:

Es zeigt, wie einige Gebiete in Hamburg (Jarrestadt, Dulsberg, …) in den 20er Jahren geplant worden sind. Und vor allem, wie sie sich von den Altbauten unterschieden. Im Fokus war damals – wie auch heute – auf einer überschaubaren Fläche möglichst viele Wohneinheiten zu schaffen. Und dabei auch Aspekte wie Licht nicht vernachlässigen. Im Buch sind viele Karten, die das Entstehen einiger Ortsteile besser erklären.

Mehr zur Historie der Jarrestadt

Kurz vor Erfindung des Stadtplanes

Ich habe das Gefühl, Hamburg steht kurz vor einer wichtigen Erfindung. Was könnte es wohl sein?

Hier in der Nähe wird eine Straße saniert. Dazu sind Sperrungen und Umleitungen nötig. Umliegende Gebiete wurden nun informiert, im Briefkasten fanden wir folgenden Zettel:

Zwei DIN-A4-Seiten voll mit Fließtext, die messerscharf genau erklären, wann wie wo an welchem Tag eine Straße oder Kreuzung nicht passierbar ist. Und das in einem Gebiet, wo die Straßennamen nicht den Hauptstraßen folgen und die Hauptstraßen alle paar Meter den Namen ändern. Wer nicht die genauen Hausnummern der Straßen im Blick hat, sollte also die Straßen mal bei Gelegenheit ablaufen.

Wenige Tage später entdecke ich an einer Bushaltestelle folgenden Zettel:

Die Verkehrsbetriebe untermauern die Umleitungen immerhin mit Bildern. Wenngleich der Text maximal unverständlich ist. Was meinen sie mit “Zurück”? Und wo finde ich eine verlegte Haltestelle? Und welchen Zweifel hegen die Verkehrsbetriebe, wenn sie “voraussichtlich” vier Tage schreiben?

Man könnte also sagen: Wir stehen in Hamburg kurz vor der bahnbrechenden Erfindung: der Stadtplan.

Im Studium bläute man mir schon im ersten Semester ein, dass ein Bild mehr sagt, als Tausend Worte. Bei einem Stadtplanausschnitt lassen sich Pfeile einzeichnen, an denen Zeiträume und Besonderheiten beschrieben sind. Und vor allem habe ich auf einem Blick, wann genau mich welcher Teil dann betrifft.

Diese Umbaumaßnahme scheint aber auch andere typische Hamburger Besonderheiten zu haben:

  • Der Landesbetrieb für Straßen fühlt sich nicht zuständig, die Busumleitungen abzuklären und mit anzukündigen. “Es wird rechtzeitig auf Änderungen im Busbetrieb hingewiesen.”
  • Ergeben sich beim Lesen der zwei Seiten Fließtext Fragen, so gibt es vorderseitig eine E-Mail-Adresse. Eine Antwort scheint es da nicht zu geben. Wozu auch?
  • Die Fahrbahndecken entsprechen nicht mehr dem heutigen Verkehrsaufkommen – die Radwege entsprechen dem auch nicht. Da passiert aber nichts.
  • Durch Straßensperrungen ist ein Abschnitt entstanden, der in Gänze zur Sackgasse wurde – ohne Warnhinweis.

Wer immer Berlin als Failed State bezeichnen mag: Hamburg steht dem in Nichts nach!

Veloroute 5 - Hamburger Hilfslosigkeit für Radverkehr

Die kostenlose Wurfzeitung “Hamburger Wochenblatt” hat in einem kurzen Artikel über den geplanten Umbau von Reese- und Hufnerstraße berichtet. Und was vielleicht wie ein großer Wurf klingen mag, fasst eigentlich die Plan- und Hilflosigkeit der rot-grün-regierten Stadt Hamburg in Bezug auf Radverkehr sehr gut zusammen:

200 Meter Protected Bike Lane und zweimal 750 Meter Radfahrstreifen sieht die fertige Planung für einen knapp 1000 Meter landen Abschnitt der Veloroute 5 vor. [..] Unter unterhalb der Eisenbrücke soll es dann einen “Kopenhagener Radweg” mit einer niedrigen Kante zwischen Auto- und Radspur geben – gegen Konflikte zwischen Fußgängern, Radfahrern und Autofahrern.

Kopenhagen wäre nicht Kopenhagen, wenn es den “Kopenhagener Radweg” nur unterhalb von Eisenbahnbrücken – und es wie in Hamburg ständig Flickschusterei mit häufig wechselnden Radverkehrsführungen gäbe.

Auf dem überwiegenden Abschnitt haben wir heute einen Radweg, der in Worten von Olaf “CumEx” Scholz “mittlerweile ziemlich verformt” sei, also ganz normaler Hamburger Standard. Sprich: Verbindungen, die ich entweder versuche zu umfahren oder auch auf der KfZ-Fahrbahn passiere. Stattdessen entstehen nun Radfahrstreifen zwischen Fahrbahn und Längsparkplätzen, genau jenes Konstrukt, was in Hamburg besonders gerne zugeparkt wird.

Ein kleines besonders Detail ist die Hufnerstraßenbrücke, wo die Radinfrastruktur sogar zurückgebaut (!) wird:

In Fahrtrichtung Nord gibt es derzeit noch einen Radweg. Im Kreuzungsbereich zur Poppenhusenstraße soll ein Kreisverkehr entstehen. Nun sollen wohl Radfahrende die Fahrbahn bereits benutzen, um dann in die weitere Hufnerstraße links (also Kreisverkehr, 2. Ausfahrt) einzubiegen. Warum man aber in der Verbindung zum S-Bahnhof die bestehende Verbindung ebenso killt – ich weiß es nicht. Damit jedenfalls dieser Fehler nicht so schnell wieder behoben werden kann, wird auch passend eine Straßenlaterne installiert.

(Wozu hier eigentlich ein Kreisverkehr?)

(Und Nein, ich erwarte in Hamburg keine besseren Lösungen. Die Leute kannten dieses Flickwerk mit Rot-Grün und haben genau das wiedergewählt. Warum sollten sie nun ernsthaft Verkehrswende nun vorantreiben?)

Die vollständigen Planungsunterlagen von Nord nach Süd (jeweils auf Anlage klicken):

Kappung der Blumenau

Eine der gefährlichsten Kreuzungen in Hamburg-Eilbek ist die Kreuzung Wagnerstraße/Blumenau:

  • Wer als Fußgänger die Wagnerstraße quert, hat auf der einen Seite Geländer. Folgt er dem Geländer, hat er keine Sicht mehr. Im Grunde kann man die Wagnerstraße nur so queren, dass mann gleichzeitig die Blumenau ebenso quert – und muss dabei vier Straßen in Blick behalten.
  • Für Kfz-Verkehr gilt derzeit Tempo 50 – was insbesondere durch die Kurvenlage unangemessen ist.
  • Wer die Wagnerstraße auf der Ostseite von Süden kommend in Richtung Eilbekkanal läuft, wird in der Blumenau geführt. Die Mittelinsel mit Gehweg ist quasi nicht erreichbar.
  • Als Radfahrer ist der Abschnitt völliges Desaster: In Fahrtrichtung Nord löst sich der ohnehin unzureichend schmale Radstreifen in der Kreuzung auf. In Fahrtrichtung Süd hinter der Blumenau ist nicht ersichtlich, ob unter den parkenden Autos mal historisch ein Radweg gewesen sein könnte.

Daher meine Anregung für eine Veränderung:

  • Die Blumenau wird zur Wagnerstraße an beiden Seiten gekappt – und zwar von Osten mit einem Wendehamner und von Westen mit Übergang in die Sonnenau
  • Es gibt dann keine Kreuzung mehr für KfZ-Verkehr, der Radverkehr soll dennoch passieren können
  • in Höhe der heutigen Blumenau ein Zebrastreifen (Optional auch Fußgängerampel)
  • Tempo 30 zwischen Eilenau und Eilbeker Weg (Keine T30-Zone) – aufgrund der unübersichtlichen Straßenweise.
  • Die große Platzfläche kann je nach Präferenz entweder begrünt werden (Sitzbänke?), ansonsten auch der eine oder andere Stellplatz.

Visualisiert sieht es so aus:

Mini-Schneemänner

Auf einer Straßenbrücke hier in der Nähe wurde der Schnee genutzt, kleine putzige Mini-Schneemänner zu kreieren. Das hat etwas von StreetArt. Leider nach einem Tag schon wieder weg – aber es erfreute doch die Passanten im Vorbeigehen. Und zeigt, wie mit ganz wenigen Handgriffen Leute zum Schmunzeln und Fotografieren eingeladen werden. Auch in Corona-Zeiten.

Opferbeschuldigung bei Verkehrsunfällen (Ritterstraße)

Was stimmt mit manchen Menschen in diesem Viertel nicht, die so einen Quatsch hier an die Laternen kleben?

Da wurde vor vier Jahren eine Neunzehnjähige von einem rechtsabbiegenden LKW tödlich überrollt, weil ein LKW-Fahrer nicht aufpasste und die Vorfahrt nahm. Unsere Politik bekommt es immer noch nicht auf die Kette, Abbiege-Assistenten verbindlich vorzuschreiben. Die Stadt bekommt es ebenso nicht auf die Kette, die Radwege besser an Kreuzungen zu führen. Und nun schiebt hier jemand die Verantwortung den schwächeren Verkehrsteilnehmern zu – inklusive der Andichtung von Musik beim Fahren hören.

Sorry, wer am Steuer eines LKWs sitzt, muss sich den von ihm ausgehenden Gefahren bewusst sein. Und wer dazu nicht in der Lage ist, muss sich halt einen anderen Job suchen.

Die Fahrradspur im Sievekingdamm

In Sachen Radinfrastruktur ist Hamburg alles andere als eine Vorzeigestadt, eher das abschreckende Beispiel. Schaut man sich die Straßen kann, so bekommt man nicht gerade den Eindruck, als hätten im letzten Jahrzehnt die Grünen sechs Jahre mitregiert. Das aktuelle Beispiel der geschützten Radspur im Sievekingsdamm ist wieder ein halbgarer Ansatz – und das hilft niemand weiter.

Geschützte Radspuren (Protected Bike Lanes) erleben derzeit einen Trend. Mittels Poller werden einzelne Fahrspuren abgetrennt – der Radverkehr ist darin geschützt. Da dafür Fahrbahnen nicht umgebaut werden müssen, ist diese Maßnahme schnell und günstig realisierbar. Und das dachte sich wohl auch der rot-grüne Senat in Hamburg – und ließ im nördlichen Teil einen Abschnitt von ca. 300 Meter einrichten. Das habe ich nun einmal live angeschaut.

Wie war die Lage vorher? Es gab einen breiten Fußweg – auf dem Längsparken erlaubt war – und der Radweg führte genau dahin. Da allerdings fast alle neben dieser Spur querparkten, war die eigentliche Spur sogar für Radfahrende in der Regel befahrbar.

Ich stand also in der Kreuzung zu Saling. Ich wurde auf den Fußweg nun geführt – mit gelbmarkierten Strichen. Da fehlten – wie überall in Hamburg – ein paar Platten. Also wurden diese notdürftig aufgefüllt. Der reinste Flickenteppich:

Nach einigen Metern wird dieser Radweg recht abrupt auf die geschützte Radspur überführt:

An der Kreuzung Auf den Blöcken ist dann Schluss:

Wo soll ich als Radfahrer nun optimalerweise fahren? Soll ich

  • auf den schmalen Radweg fahen – in der Dooring-Zone der Falschparker, wo ich am Ende schon einen halb auf dem Radweg stehen sehe? Ein blaues Schild finde ich hier nicht…
  • oder soll ich auf der Fahrbahn fahren?

Man wird hier von der geschützten Radspur in den Mischverkehr auf einer Hauptstraße entlassen. Die schlechteste aller Optionen. Und damit verpufft die gesamte Idee. Unsichere Radfahrer werden diese Strecke wohl nur einmal fahren.

Wer nun aber auf die Grünen schimpft, sollte aber bitte schon auf die Wähler in Hamburg schimpfen. Dass Grüne grüne Politik in Hamburg schon lange aufgegeben haben, war vor der Wahl bekannt – und trotzdem gewannen sie an Zulauf.