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Warum Hamburg nicht diesen Radentscheid braucht

Im ersten Teil schrieb ich, warum Hamburg einen Radentscheid (und vor allem ein Mobilitätsgesetz) braucht, in diesem Teil beschreibe ich, warum es nicht diesen benötigt.

Nach gut eineinhalb Jahren Arbeit habe ich mich aus dem Team zurückgezogen. Als einstiger Gründer spricht so eine Entscheidung durchaus Bände. Ich war auch nicht der Erste, der sich zurückgezogen hat. Auch andere in der Hamburger Fahrradszene aktive zogen sich zurück. Während ich letztes Jahr auf Weltreise war, nutzte ich die Gelegenheit, von außen auf das Team zu blicken.

Möglicherweise habe ich es mir am Anfang zu einfach gedacht: Verglichen mit Berlin hat Hamburg noch mehr Bedarf an einen Radentscheid. Ich wollte den Impuls zünden – und das Ding mit möglichst vielen gemeinsam wuppen. Beim ersten Treffen kamen ca. 10 Personen, bei einem offiziellen Auftakt im Mai 2018 im centro sociale waren es an die 25. Doch diese blieben nicht, zuletzt waren wir wieder einstellig. Zwar kamen immer wieder neue Gesichter zu den Treffen. Viele, die sich für eine bessere Radinfrastruktur stark machen wollten, kamen ein oder zweimal und blieben dann fern oder organisierten sich in anderen Initiativen (wie z.B. ADFC, VCD oder Hamburg dreht sich)

Doch bestimmte Personen haben miteinander nie eine Arbeitsebene finden können. Dreh- und Angelpunkt des ganzen waren vor allem zwei Personen. Eine Person redete gerne und viel. Und vor allem wurde immer wieder das Mantra von sicheren Schulradwege wiederholt. Die persönliche Motivation habe ich gefühlt bei jedem Treffen drei Mal gehört. Die andere Person verfolgt eine sehr aggressive Diskussionskultur und diskreditiert gerne Personen des anderen Geschlechtes. Da ich erst nach Hamburg zog, kannte ich die Probleme der Aktiven untereinander nicht – und habe sie auch ein wenig unterschätzt.

Es ging bei den Debatten aber auch um Ziele. Wir hatten Anfangs die Berliner Ziele adaptiert und auf Hamburger Besonderheiten angepasst. Wir hatten den Gedanken des Netzes drin – in Kombination mit der Präferenz „für Alle” drin. Wir hatten bereits ein explizites Ziel für die Schulradwege. Aber wir hatten das Problem, dass die Ziele noch zu unkonkret waren – und vor allem auch zu schlecht kommunizierbar sind. Anstelle die Ziele nun zu konkretisieren, nahm sich die eine eben erwähnte Person der Sache an – und schlug einfach mal neue Ziele vor. Einiges wurde stillschweigend gestrichen, anderes wurde abgemildert und geschwächt. Vor allem wurden die Schulradwege in den Vordergrund gerückt. Und zu den Zielen gibt es nun teilweise Erklärungen in sehr unterschiedlicher Qualität – bis hin zum Punkt, dass man für die wissenschaftliche Begleitung den Wissenschaftlern schon Parameter vorschreibt.

Andererseits wurden auch zwei wichtige Dinge rausgestrichen, die mir wichtig waren:

  • es werden keine Radschnellwege (wie RS1 im Ruhrpott) mehr gefordert, sondern die Velorouten heißen nun Radschnellwege.
  • Und die Netzdichte ist draußen. Auf der Kommunikationsebene sind wir aber keinen Schritt weiter gekommen.

(Anmerkung: Die Netzdichte ist wieder drinnen – allerdings im Kontext zu Fahrradstraßen)

Mit dem Ziel 12 „Erhöhung der Verkehrssicherheit durch Trennung von planender und überwachender Behörde” wird für ein nur in Hamburg bestehendes Problem hingewiesen. Es ist wichtig, keine Frage. Aber gleichzeitig ist es kein radverkehrstypisches Problem. Vor allem ist es für Leute schwer vermittelbar, die sich nicht in der Hamburger Behördenstruktur auskennen. Während das Team gemeinsam daran tüftelte, wie wir dieses Thema ernsthaft angehen (auch wegen dem Kopplungsverbot von Themen in Hamburg für Volksentscheide), erklärten manche Personen in Endlosschleife warum das Ziel so elementar wichtig ist

Im Februar besuchte ich ein Treffen zwischen Hamburger ADFC und Radentscheid. Ziel war abzuklären, ob und wie eine Zusammenarbeit zwischen beiden Initiativen aussehen könnte. Nun gab es in den Reihen des ADFC zwar kritische Stimmen zu einzelnen Teilzielen. Aber das war nicht der entscheidende Punkt. Den ADFC interessierte vor allem nach die Strategie des Radentscheides, wie die öffentliche Meinung bewegt werden soll. Und ich gestehe: an der Frage nagte ich auch schon das gesamte letzte Jahr. Die Situation in Hamburg ist schwieriger. Die politische Leitung in Hamburg macht nicht die selben Fehler wie in Berlin. Es gibt hier keinen Senator Geisel, der sich als Gehwegradler bekannte, weil ihm die Fahrbahn vor seiner Haustür zu gefährlich sei. Die Stadt betitelt sich als Fahrradstadt – und eckt dabei schon an vielen Stellen an. Böse Zungen behaupten sogar, dies würde mit vollem Bewusstsein getan. Um Gegenwind zu erzielen. Kaum eine Maßnahme, bei der drei Parkplätze wegfallen und nicht irgendwelche NIMBYs zu Protesten aufrufen. Und nun gibt es eben als Antwort nur die persönliche Motivation mit den Schulkindern. Und leider auch persönliche Angriffe.

Der Radentscheid startete noch im März 2019. Auf dem Rathausmarkt standen ca. 10 Personen. Und von den drei Vertrauenspersonen waren zwei die besagten Personen. Ich hatte ja zugegebenermaßen gehofft, dass auch durch meinen Weggang bestimmte Personen zur Selbstreflexion fähig sind – und sich selbst in die zweite Reihe lieber setzen. Ob das nun aus Mangel an noch verbliebenen Aktiven oder aus Mangel an Selbstreflexion ausblieb, mag man spekulieren. Auf jeden Fall sind diese beiden Personen nun die Vertrauenspersonen. Man kann sich nun vorstellen, dass viele Initiativen sich zurückhaltend verhalten und das der Sache nun nicht unbedingt förderlich ist.

Zum Start gab es in Hamburg ca. 5 offizielle Unterschriftensammelstellen (Zum Vergleich: Ich hatte allein im Berliner Ortsteil Alt-Treptow fünf organisiert). Der Knaller war die Unterschriftenliste in der ersten Fassung – mit einer Begründung, die mit ganz vielen Worten erklärte, warum Streifen blöd sind. Zum Glück gab es noch einen Formfehler – das wurde genutzt, um das auch noch mal sauber ausformulieren.

Wie geht es nun weiter? Der Volksentscheid Fahrrad ist – trotz aller Warnungen – nun angemeldet. Das Verfahren läuft. Und es gibt ein Brexit-Gefühl. Viele aktive stehen außen – und können nur beobachten, was passiert. Aber die Auswirkungen werden trotzdem alle spüren. Noch ist unklar, was passieren wird. Das Worst-Case-Szenario wäre eine Gegeninitiative, die die Fahrradstadt gänzlich stoppen will und erfolgreicher ist. Wir kennen das ja vom Radweg am Elbstrand, der den Radfernweg Övelgönne entlasten sollte. Das zweite, denkbare Szenario ist, dass die Unterschriften nicht zusammenkommen. Als drittes Szenario ist denkbar, dass die Unterschriften zusammenkommen, aber mangels Kompromisslosigkeit der Vertrauenspersonen das ganze dann vor die Wand gefahren wird. Alle diese Szenarios wurden im Februar vom ADFC angesprochen und zu keinem war eine Strategie erkennbar, wie damit umzugehen ist.

Ob meine Entscheidung am Ende die richtige war? Ja, das war sie!. Das ändert aber nichts daran, dass ich auch nach wie vor mich für die Stärkung des öffentlichen Nahverkehrs sowie des Radverkehrs einsetzen werde.

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