Am 05. und 06. März sendete das ZDF einen Fernsehzweiteiler über die Bombardierung Dresdens. Vermutlich eines der größten Fernsehereignisse des Jahres: über 12 Mio Menschen schauten sich den Film an. Die Rahmenhandlung ist kurz beschrieben: einige Tage vor der Bombardierung Dresdens verliebt sich Anna, ein deutsches Mädchen, in einen abgeschossenen britischen Piloten Robert, obwohl sie mit Alexander verlobt war.
Es ist durchaus ein interessantes Experiment, aufbauend auf einem realen Ereignis eine zusätzliche Handlung anzudichten. Allerdings war sie in diesem Film übertrieben und unglaubwürdig: ein abgeschossener Pilot findet im Keller eines Krankenhauses ein Versteck. Der Beginn wirkte noch authentisch: er hat Durst und Hunger und leckt sogar Wassertropfen einer undichten Leitung ab. Dann beobachtet er Schwarzmarktgeschäfte des Chefarztes, während dessen Tochter ihn entdeckt und sich anschließend in ihn verliebt. Und als der Keller nach ihm durchsucht wird, gelang ihm eine unauffällige Flucht, die eher an eine neue Episode „Ein Käfig voller Helden”:http://de.wikipedia.org/wiki/Ein_Käfig_voller_Helden erinnert, als an die damalige Zeit. Und ich kann mir ebenso schlecht vorstellen, daß die Uniformierten sich von einem Pfarrer abgehalten haben, eine Kirche zu durchsuchen.
Die Szenen der Bombardierung wirkten dagegen etwas authentischer, auch wenn sie nur die Nebenhandlung war. Minutenlang (obwohl es eigentlich Stunden waren) bebte der Boden. Die Notbeleuchtung der Luftschutzbunker flackerte. Und die Luft wurde zunehmend immer knapper. Ein paar ältere Damen flehten um Erlösung. Und das Ende war noch lange nicht in Sicht. Viele Charaktere, die vor der Bombardierung gezeigt worden sind, wurden getroffen – aber scheinbar starben nur Statisten: die drei Hauptpersonen sind munter dabei – und scheinbar die einzigen, die sich beim zweiten Angriffs richtig frei durch die Stadt bewegen konnten, während die ersten eingeschlossenen in Luftschutzbunkern erstickten. Und in mitten des Angriffs treffen Alexander und Robert aufeinander und fangen eine kleine Schlägerei an.
Der Morgen kam und das neue Paar überlebte und konnte sich aus dem Keller befreien. Als sie das Tageslicht sahen, standen sie umrandet von Schutt und Asche. Kein Haus war komplett. Ein wenig Fassungslosigkeit. Aber die Anfänge der Aufräumarbeiten in diesem Chaos wurden nicht gezeigt. Auch A-Ha-Effekte des Vorher-Nachher fehlen: z.B. existierte das vorher sehr oft allerdings nur von Innen gezeigte Krankenhaus? Dafür wurde die Liebesgeschichte zu Ende erzählt: Anne bekam von Robert ein Kind, doch der starb bei einem Rückflug nach England. Und plötzlich wechselte die Zeit: Nachrichtenvideos über die Wiedereröffnung der Frauenkirche.
Der Film enthielt, wenn man von plötzlich auftauchenden Plattenbauten absieht, leider auch zahlreiche Filmfehler, die Fragen aufwerfen – und die bei solchen einem Thema nicht passieren sollten:
- Der Pilot ist in Magdeburg abgeschossen und ist bis Dresden gekommen. Respekt!
- In einer Klinik werden Soldaten und Zivilisten gemeinsam behandelt.
- Die Liebesszene im Schlafsaal des Krankenhauses: am Tag haben ca. 30 Männer massive Schmerzen. In der Nacht bemerkt das keiner (Tip an die Macher: wenigstens eine Besenkammer)
- Als der erste Angriff beginnt, rennen die Leute noch nicht um ihr Leben. War das wirklich so?
Der Pilot nahm einen kleinen Stein und durchschlug eine Wand zwischen zwei Kellern. Ist die Dresdner Bauweise damals wirklich so instabil gewesen? Aus eigener Erfahrung braucht man schon bei einer einreihigen Ziegelwand einen Hammer und ausreichend Schwung. Siehe Kommentar 2!
- Sie öffneten die Tür eines Bunkers und alle Menschen waren aufgrund Sauerstoffmangel bereits erstickt. Sie liefen durch den Raum, als wäre nichts passiert. Sie atmeten auch nicht anders. (Mal von der Frage abgesehen, warum man bei drohenden Sauerstoffmangel dann die Tür nicht von innen geöffnet hätte).
- Der Pilot wurde am Fuß verletzt, als es einen Einsturz gab. Trotzdem lief er am nächsten Tag wieder ganz normal.
Der Film hatte ein Budget von 10 Mio Euro gehabt und ist der bisher teuerste Film des ZDF, wurde also mit GEZ-Geldern bezahlt. Trotz des Dokumentaranteils bleibt allerdings ein fader Beigeschmack bestehen: einerseits werden solche Filme immer populärer, wie schon „Der Untergang” zeigte. Ein Dresdner Blogger (mittlerweile offline) dazu:
Der Drang der Unterhaltung, die gemütliche „War doch alles gar nicht so schlimm”-Stimmung in den Wohnzimmern und ein großer wirtschaftlicher Nutzen für die Medien-Industrie gehen Hand in Hand.
Andererseits wird der Blickpunkt verlagert: während die Deutschen in Ausschwitz die Täter waren, nahmen sie in Dresden die Opferrolle ein. Aus Telepolos :
Während im einen Ort Täter und Schuld zwangsläufig dominieren, ist Dresden ein Ort der unschuldigen Opfer. Endlich dürfen Deutsche hier vermeintlich Kollateralschäden sein und nicht Täter, die die gerecht Strafe ereilt. „Dresden” wird so zur Metapher der Relativierung.
Beim TV.scharfblog findet sich eine Meinung eines Zeitzeugens :
Es fehlte aber auch trotz der Überlängen nichts von den sattsam bekannten Klischees von zeitgeistigen Geschichtssimplifizierungen; nur die Wahrheit und die Menschen als tatsächliche Opfer kamen dabei zu kurz. Als Betroffener, der die schrecklichen Bombenangriffe auf die unschuldige Zivilbevölkerung als Kind selbst miterlebt hat, kann ich als abschließendes Urteil nur sagen: der Film ist für mich eine Verhöhnung der Opfer! So kitschig kann und darf man so ein Verbrechen nicht darstellen.
Und weitere Meinungen zum Film im Internet: