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De-Mail

Das Land Berlin möchte gerne De-Mail einführen. Die Piraten in Treptow-Köpenick fordern, dass die Einwohner künftig mit den verschiedenen Ämtern (wie bspw. das Jugendamt, Meldebehörden, Schulamt, …) vertraulich kommunizieren können. Diesen Antrag wurde in der Bezirksverordnetenversammlung angenommen. Im Rahmen des ersten Zwischenberichtes verweist unser Bezirksamt nun darauf, dass die Einführung für De-Mail eine Lösung unseres Vorschlages sei. Ich möchte aufzeigen, dass beides nichts miteinander zu tun, aber sich ggf. ergänzen kann.

De-Mail hat ein entscheidendes Feature, was die klassische E-Mail nicht kann: die förmliche Zustellung (auch bekannt als Verwaltungszustellung). Also eine Form der Versendung, bei der der Sender die Gewissheit und den rechtlichen Nachweis hat, dass eine Nachricht im Briefkasten des Empfängers angekommen ist. Im Verwaltungsrecht beginnen damit Fristen, z.B. für Widersprüche oder Berufungen.

Und genau das kann eben E-Mail nicht. Es gibt die Lesebestätigung. Das ist aber einerseits nicht offizielles, andererseits auch nichts garantierendes. Ich habe noch nie eine Lesebestätigung verschickt. Höchstens mal versehentlich. Viele Firmen, die den Datenschutz nicht so ernst nehmen, jubeln ihren Kunden in den Newslettern Prüfpixel unter, so dass bei Aufruf einer E-Mail eine externe Datei (Bild)geladen wird, deren Zugriff protokolliert und dem Versender den Abruf signalisiert. Aber auch hier ist jedem empfohlen, das externe Nachladen von Bildern beim Abruf von E-Mails zu unterbinden.

Weil E-Mail diese Garantie nicht liefern kann, hat De-Mail seine Daseinsberechtigung: die Verwaltung kann also einen Bußgeldbescheid elektronisch zustellen und kann sich auf dessen Empfang verlassen. Oder auch ein Mieter, der seine Hausverwaltung zur Beseitigung von Wohnungsmängeln auffordert. Oder ein Zeitungsleser, der sein Abi kündigt. Und genau für diesen Zweck sind die anfallenden Gebühren auch gerechtfertigt. Und sie sind um einiges günstiger als ein postalisches Einschreiben mit Rücksendeschein oder eine förmliche Verwaltungszustellung.

(Es mag sicherlich für genau diesen Zweck bessere Lösungen geben. Das möchte ich außen vor lassen, kann aber gerne in den Kommentaren ergänzt und diskutiert werden.)

Unsere Forderung war allerdings die verschlüsselte Kommunikation – und damit ist die verschlüsselte Kommunikation zwischen Sender und Empfänger gemeint. Ende-zu-Ende. Genau dafür bietet De-Mail keine Lösung. In De-Mail gibt es nur die Transportverschlüsselung: bildlich gesprochen wird die Übertragung im Kabel verschlüsselt, nicht aber an den Knotenpunkten zwischen den Kabeln. De-Mail sieht vor, dass eine Nachricht vom akkreditierten Anbieter des Senders zum akkreditierten Anbieter des Empfängers verschlüsselt wird.

(Randnotiz: Möglicherweise wären diese Probleme auch absolut vernachlässigbar, wenn wir nicht in einer Welt leben, in der ein Misstrauen gegenüber verschiedene in- und ausländischen Regierungsorganisationen, Geheimdienste und Großkonzernen sowie deren Datensammelwut besteht. Aber wir leben leider nicht in dieser schönen Utopie.)

Die also benötigte Ende-zu-Ende-Verschlüsselung gibt es nicht. § 5 Absatz 3 Satz 3 De-Mail-G schließt diese aber auch nicht aus:

Der Einsatz einer durchgängigen Verschlüsselung zwischen Sender und Empfänger (Ende-zu-Ende-Verschlüsselung) bleibt hiervon unberührt.

Rein vom Gesetz spricht also nichts dagegen, PGP oder andere geeignete Verschlüsselungsverfahren zusammen mit De-Mail einzusetzen. Da es sich bei Verfahren mit Verwaltungszustellung häufig um persönliche Angelegenheiten handelt, wäre das sogar zwingend notwendig. Im Rahmen einer Großen Anfrage zu De-Mail fragten wir das Bezirksamt, ob es im Bezirk möglich sein wird, ergänzend zu De-Mail auch PGP einzuführen.

Der Einsatz von Produkten aus der PGP-Familie (oder anderer Verschlüsselungssoftware) würde den Einsatz eines weiteren Produktes zur Erfüllung der gleichen Ziele bedeuten und einen entsprechend höheren Aufwand für Einrichtung und Betrieb darstellen. Es ist daher derzeit nicht geplant, weitere Lösungen zur Verschlüsselung anzubieten.

Diese Antwort machte deutlich, dass es noch viel Aufklärung bedarf.

Die De-Mail-Funktionalitäten werden nicht gebraucht, wenn lediglich eine verschlüsselte Kommunikation zwischen Sender und Empfänger gewünscht ist. Das ist sprichwörtlich der Kanonenschuss auf Spatzen. Und auch unter finanziellen Aspekten wird niemand eine ca. 30ct-teure De-Mail verschicken, wenn der Empfänger auch mit kostenfreien E-Mails erreicht werden kann. Das wird auch T-Systems noch lernen. Das lernt auch noch die Bundesregierung

Weitere Informationen:

(Anmerkung: Der Artikel ist im Sommer 2014 verfasst worden. Da er zeitlos ist, habe ich ihn nun veröffentlicht)

Sperrklausel in Hamburg: Verfassung ist kein Wahlrecht

Dass ich von Sperrklauseln auf der Bezirksebene der Stadtstaaten nichts halte, hatte ich schon mal geschrieben. Und während wir in Berlin dieses undemokratische Relikt noch in der Verfassung haben, gab es das in Hamburg nur im Wahlrecht.

Im letzten Jahr erklärte das Verfassungsgericht diese Sperrklausel für rechtswidrig. Und da im Mai in Hamburg die Bezirke neu gewählt werden, haben SPD, CDU und Grüne (!) die Sperrklausel in die Verfassung geschrieben.

Dagegen regte sich Widerstand in Form eines Referendumsbegehrens Faires Wahlrecht – Jede Stimme zählt. Bei Wahlrechtsänderungen können 2,5% der Wahlberechtigten einen Volksentscheid verlangen.

Nun sagte das Verwaltungsgericht (vereinfacht): die Veränderung der Verfassung ist keine Veränderung des Wahlrechts:

Der Verfassungsgesetzgeber wäre sogar berechtigt gewesen, die Bezirksversammlungen oder gar die Bezirke insgesamt abzuschaffen, ohne dass dies einem Referendumsvorbehalt unterlegen hätte. Ihm müsse es erlaubt sein, den Anwendungsbereich für ein Referendum auf einfachgesetzliche Wahlrechtsbestimmungen zu beschränken. Ebenso sei es ihm möglich, andere wahlrechtliche Vorschriften mit Verfassungsrang zu schaffen, die ebenfalls keinem Referendumsvorbehalt unterlägen, etwa zum Wahltag oder zur Bestimmung der Wahlperiode.

Manfred Brandt, einer der Vertrauenspersonen der Initiative:

Das heißt aber auch, dass eine Zweidrittel-Mehrheit der Bürgerschaft in Zukunft jedes unliebsame Ergebnis eines Volksentscheids und jedes unbequeme Verfassungsgerichtsurteils dadurch aushebeln kann, dass sie die Gegenposition in die Verfassung schreibt. Für Demokraten kann dies kein haltbarer Zustand sein.

Zum kompletten Urteilstext

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