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Bebauungsplan Makarenko-Quartier

Auf dem Gelände des ehemaligen Makarenko-Quartier sollen Wohnungen entstehen. Der dazu notwendige Bebauungsplan 9-61 VE liegt zur Beschlussfassung vor. Am 26. März wird die BVV darüber entscheiden. Der Stadtentwicklungsausschuss stimmte bereits einstimmig für diesen Bebauungsplan.

Ich möchte in dem Beitrag das Vorhaben und die Abwägungen vorstellen.

Wo wird geplant?

Auf dem Grundstück der Südostallee 132/134 wurde 1952/1953 ein Kinderheim unter dem Namen „A. S. Makarenko” errichtet (nach Anton Semjonowitsch Makarenko). Es war mit bis zu 600 Kindern das größte in der DDR. Diese Funktion hatte es bis Anfang der 90er Jahre. Seit dem steht ein überwiegender Teil der Gebäude leer. Ein kleiner Teil wurde zwischenzeitlich für Verwaltung (Gesundheitsamt) und Gewerbe genutzt.

(Die Karte umreist näherungsweise das Areal)

Mehr zur Historie des Areals.

Das Kinderheim steht als Gesamtanlage unter Denkmalschutz (Denkmal-Nummer: 09045231) und soll daher erhalten werden. Besonders markant ist die Anordnung der Gebäude, die sich zum Hauptweg hin spiegelt. Das zentrale Gebäude stellte die Schule am Ende der Mittelachse dar.

Quelle: Wikipedia / Bundesarchiv, CC-Lizenz

Was wird geplant?

Grundsätzliches Ziel dieses Bebauungsplanes ist der Erhalt der Gebäude und des Denkmals durch die Umwidmung zur Wohnbebauung. In den zu erhaltenden Gebäuden werden ca. 233 Wohneinheiten entstehen. Zudem entstehen 16 weitere Wohnungen in zwei Neubauten am östlichen Rand des Areals. An den bestehenden Gebäuden ist die nachträgliche Anbringung von Balkonen und Terrassen möglich.

Quelle: Drucksache VII/0925 zu Bebauungsplan 9-61 VE

Die nicht unter Denkmalschutz stehende Turnhalle wude bereits abgerissen. Auf der zu renaturierenden Fläche soll ein Zauneidechsenhabitat entwickelt werden.

Laut dem Bebauungsplan sollen in den beiden Pförtnerhäuschen Läden und Handwerksbetriebe sowie Einrichtungen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke möglich sein. Laut Vereinbarung im Durchführungsvertrag wird in einem der beiden Gebäude ein Dokumentations- und Ausstellungszentrum zur Geschichte des Standorts errichtet werden.

Behindertenparkplätze sind auf dem Areal untergebracht, alle weiteren Stellplätze können nur im Eingangsbereich und im Bereich der beiden Neubauten entstehen.

Das Areal soll vollständig an die Südostallee angeschlossen – und in der Richtung auch geöffnet werden. In Richtung Königsheide sind Einfriedungen vorgesehen.

Mit der Umwidmung müssen einige der versiegelten Flächen entsiegelt werden. Insbesondere um das Heizwerk, hinter der Schule und um das Krankenhaus sind die Flächen fast vollständig versiegelt.

Der Bebauungsplan ist ein „vorhabensbezogener Bebauungsplan”, d.h. der Eigentümer hat diesen initiiert.

Nutzungsalternativen

Bildquellen: Bürgerinitiative Königsheide, Stand: Januar 2013

Durch den Denkmalschutz ergibt sich faktisch ein Zwang einer baulichen Nutzung. Ein Verfall (wie bspw. die Beelitz Heilstätten) kann kein Ziel sein. Eine (Rück-)Überführung in die unmittelbar anschließende Königsheide ist daher ebenso ausgeschlossen.

Im Rahmen der Erörterung von Nutzungsalternativen im Umweltbericht wird auf den Erhalt zu musealen Zwecken eingegangen, der aus finanziellen Aspekten unmöglich erscheint. Nichts desto trotz hätte ich ein Museum zum Thema Kinderheime an diesem Ort für gut befunden (von der Dimension ähnlich zum Auswanderermuseum Ballinstadt).

Der Standort selbst wird für soziale Infrastruktur als zu dezentral eingestuft. Weder Sozial- noch Bildungsträger bekundeten Interesse am Standort. Daher erfolgte auch keine Sicherung als Gemeinbedarfsstandort.

Mit der Umwandlung zum Wohnen werden die Gebäude saniert und dauerhaft gesichert.

Abwägung

Verglichen mit anderen Bebauungsplänen gibt es hier kaum Konfliktpotentiale. Die meisten ergeben sich in Richtung Flora und Fauna. Bedingt durch den Leerstand entwickelten sich brachstehende Gebäude zu kleinen Biotopen. So gibt es im Areal Zauneidechsen (hier wird ein Ersatzhabitat geschaffen) sowie verschiedene Arten von Fledermäusen (hier sind Ausweichquartiere bereitzustellen) und Brutvögel.

Es wurden geschützte Moosarten festgestellt. Insgesamt müssen für das Vorhaben (insb. auch die Neubauten) 65 Bäume gefällt werden, dem stehen insgesamt 91 Neupflanzungen entgegen.

Die Grundwasserproblematik schränkt die Nutzung unter der Erdoberfläche ein. Zwar beträgt die Distanz derzeit vier Meter, bei Abschalten der Pumpen im Wasserwerk Johannisthal würde sich dies auf einen Meter reduzieren. Stellplätze in Form von Tiefgaragen sind daher nicht zu vorgesehen. Zudem ergeben sich Restriktionen hinsichtlich der Versickerungsmöglichkeiten von Niederschlägen.

Positiv ist zu sehen, dass ein Teil der Flächen auch entsiegelt werden muss – zumindest ist der Anteil der versiegelten Fläche derzeit höher als im Bebauungsplan festgesetzt.

Im Ergebnis stehen all diese Aspekte – auch vor dem Hintergrund des Denkmalschutzes – nicht entgegen.

Öffentliche Auslegung

Für das Verfahren hat eine frühzeitige und eine frühzeitige und eine reguläre Beteiligung der Öffentlichkeit stattgefunden. Die Beteiligung insgesamt hielt sich hier in Grenzen. Bei der frühzeitigen Beteiligung gab es fünf Stellungnahmen, bei der regulären drei. In beiden Fällen war eine Stellungnahme vom Verein Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Naturschutz.

Unter diesen Stellungnahmen gab es auch positive.

Begegnungsstätte / Dokumentationszentrum

Vor allem bei der frühzeitigen Beteiligung wurde der Wunsch nach einer Gedenkstätte deutlich, die insbesondere Bezug zur historischen Bedeutung das Areals nimmt. Im Rahmen des Durchführungsvertrages wird der Investor verpflichtet, dass in einem der beiden Pförtnerhäuschen ein Dokumentations- und Ausstellungszentrum eingerichtet wird. Bereits im Juli 2014 schloss der Investor einen Nutzungsvertrag mit dem Verein Königsheider Eichhörnchen e.V. ab, so dass ein solches Zentrum ab 2016 entstehen kann (siehe Info-Blatt der Initiative Rettet die Könisheide). Eine Anregung forderte einen zusätzlichen Lagerraum für Archivmaterialien. Auch wenn die Abwägung des Amtes darauf nicht explizit eingeht, so scheint dieser Raum in den Pförtnerhäuschen durchaus möglich zu sein.

Darüber hinaus gab es weitere Wünsche nach Info- und Gedenktafeln im Areal und an den Gebäuden sowie eine Markierung auf dem Mittelweg. Laut Bezirksamt obliegt dies dem Ermessensspielraum des Eigentümers.

Die weiteren Punkte bewerte ich als Wünsche, also Aufnahme in Touristenführern, Dokumentation des Umbaus und Führung mit Zeitzeugen. Ich bin aber zuversichtlich, dass der Verein hierfür gute Arbeit leisten wird. Die Grundlage ist jedenfalls durch den Nutzungsvertrag gegeben.

Erhalt von Vorhandenen

Bildquelle: Bürgerinitiative Königsheide, Stand: Januar 2013

Der Erhalt des Eingangstores mit den Eichhörnchen wird gefordert. In der Abwägung des Amtes wird darauf nicht eingegangen (Stadtrat Hölmer antwortete dazu, dass die Tore wohl erhalten bleiben, da sie Bestandteil des Denkmals seien)

Ferner gibt es einen Abenteuerspielplatz und in der Vergangenheit auch ein Planschbecken. Es wird angeregt, diese zu erhalten und wieder instand zu setzen. Da hierfür kein Denkmalschutz vorliegt, obliegt dieser Erhalt dem Eigentümer. Wie ich in Rücksprache mit der Bürgerinitiative Rettet die Königsheide herausbekam, befinden sich diese Spielgeräte außerhalb des Plangebietes. Das Areal wurde wieder der Königsheide zugeordnet, folglich sind die Berliner Forsten dafür zuständig. Von dieser Seite gab es noch keine Antwort.

Keine Luxusbauweise / Erschwingliche Mieten

Der Wunsch nach bezahlbaren Wohnraum ist mittlerweile überall zu hören – so auch in den Stellungnahmen zu diesem Bebauungsplan.

Hier liegt aber die Prämisse beim Denkmalschutz und Erhalt der vorhandenen Gebäude. Hier steht eine politische Forderung hinsichtlich der Dämpfung von Mieten dem entgegen. Die beiden Neubauten sind verglichen zum Gesamtvolumen vernachlässigbar (man könnte die beiden Gebäude wohl auch als „Profitetage” bezeichnen).

Der Investor kündigte im Stadtentwicklungsausschuss an, dass nur selbstverwaltete Mietwohnungen entstehen werden und der Mietpreis sich 8,90 und 9,80 € je qm bewegen wird (allerdings haben solche Aussagen keine rechtliche Bindung. Im Zweifel kann immer alles anders kommen wie geplant…)

Hinsichtlich der Bauweise ist der Spielraum ebenso eingeschränkt. 93% der Wohnungen entstehen in bereits existierenden Gebäuden. Als Spielraum könnte maximal der Verzicht von Balkons sein – aber wollen wir das wirklich?

Stellplätze für PKW

Bei den Stellungnahmen der regulären Öffentlichkeitsbeteiligung nehmen Anregungen zu Park- und Stellflächen einen großen Anteil ein. Alle eingebrachten Aspekte diesbzgl. überzeugen mich nicht.

Zunächst wird ein Hubschrauberlandeplatz für die Luftrettung gewünscht. Hier verweist das Amt nur darauf, dass kein Träger öffentlicher Belange dies gefordert hat, wägt aber nicht ab, ob diese Forderung an sich berechtigt ist.

Ferner wurden fehlende Stellflächen für Rettungswagen, Lieferfahrzeuge und Taxis moniert. Hier geht das Amt darauf ein, dass Stellplätze nicht erforderlich seien und die Gebäude im Bedarfsfall befahrbar sind. Ich sehe diesen Bedarf auch nicht: ein Krankenwagen stellt sich hin, wo Platz ist. Ein Taxi oftmals auch. Und viele Lieferwagen werden hier auch nicht erwartet.

Allgemein wurde eine unzureichende Anzahl an Stellplätzen und folglich auch Parksuchverkehr attestiert. Hier hält das Amt die geplanten 0,75 Stellplätze je Wohneinheit für ausreichend. Ähnlich wie beim Bebauungsplan Marienhain weist der Plan nur möglichen Flächen aus, es ergibt sich jedoch kein Zwang zum Bau. Also selbst wenn mehr Flächen ausgewiesen wären, würde es wohl aller Voraussicht nach keine weiteren Stellplätze geben, wenn der Investor sie nicht baut. Davon abgesehen wird das Betriebsmodell der Parkplätze viel entscheidender sein. Wenn diese zu teuer sind, wird Abstand genommen. Aber die Vermarktung der Stellflächen kann nicht Gegenstand des Bebauungsplanes sein.

Von Seitens des Naturschutzvereins wurden mangelnde Stellflächen durch den zu erwartenden Publikumsverkehr in den Pförtnerhäuschen attestiert. Hier geht das Amt von einem sehr geringen Bedarf aus. Ich wüsste auch nicht, woher so viel Publikumsverkehr entstehen soll. Ferner schlägt der Verein vor, die entstehenden Stellplätze bspw. mit Schranken zu sichern.

Linksabbiegerspur in der Südostallee

Es wird vorgeschlagen, dass zusätzlich zur Mittelinsel eine Linksabbiegerspur in der Südostallee geschaffen werden soll. Das Bezirksamt nahm hiervon Abstand, da damit die zu querende Fahrbahnbreite auch für Fußgänger sich verbreitert und ein Bedarf hinsichtlich des Verkehrsaufkommens nicht notwendig erscheint.

Öffentliches Parkgelände

Es wurde die Sorge eines abgeschotteten Wohngebietes moniert. Allerdings ist die Zugänglichkeit auch mit einem Wegerecht für die Allgemeinheit gesichert. Das Makarenko-Quartier wird also keine „Gated Community”.

Wünsche

Ich hatte mir vorgenommen, Einwendungen die aus formalen Gründen keine Berücksichtigung finden konnten, separat auszuweisen. Da die Liste der Stellungnahmen übersichtlich ist und größtenteils aus Wünschen besteht, liste ich diese nicht noch einmal auf.

Fazit

Ich kann diesem Bebauungsplan meine Zustimmung geben.

Ergebnis

Der Bebauungsplan wurde am 26.03.2015 mit überwiegender Mehrheit bei 3 Gegenstimmen angenommen. Die Grünen lobten die besondere Beachtung der Zauneidechsen. Zum Audioprotokoll

Bisherige Kommentare (3)

Kommentar von Sabrina Knüppel

Wir danken Herrn Pönitz für diesen Beitrag und hoffen, dass die von uns vorgetragenen Wünsche, welche zum Großteil leider nicht Bestandteil des Bebauungsplans sind, dennoch in Zukunft umgesetzt werden können und damit u. a. tausende Königsheider Heimkinder (sowie eine fast ebenso hohe Anzahl an Heimpersonal) eine Wertschätzung erhalten und der Nachwelt in Erinnerung bleiben.

gez.
Sabrina Knüppel

Kommentar von Hans-Werner Walter

Ich habe hier in der Zeit von September1954 bis
Juli 1956 in Haus 1 und Haus 2 verbracht nachdem ich aus Hamburg kommend bei einer Familie die Ferien verbrachte. Nachdem meine Eltern in die DDR kamen, wurde ich wieder entlassen. Es war eine sehr schöne Zeit. Ich freue mich, dass dieses Objekt eine Wertschätzung erhalten hat. Ich bin heute fast 80 Jahre (Dezember 2022) und bin bemüht, mir dieses Objekt noch einmal anzusehen. Walter

Kommentar von René

Hallo HWW, ich bin inzwischen auch nicht mehr Ort, sollte mir aber bei Gelegenheit auch mal anschauen, was daraus geworden ist.

Was ich damals noch interessant fand: Menschen, die in der Anfangszeit dort waren, hatten einen überwiegend positiven Eindruck – häufig waren es Kriegswaisen. Dieses Bild wandelte sich in den 70er Jahren, wo die DDR Kinder aus den Händen der Eltern rissen, oftmals mit politischem Hintergrund. Und das polarisierte damals ein wenig auch die Debatte, was mit den Gebäuden werden soll.

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