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Tempo 30 einklagen

In der Tagespresse war zu entnehmen, dass das Verwaltungsgericht einem Einwohner der Berliner Allee (Weißensee) Recht gegeben hat, dass die Straße vor seinem Haus mit Tempo 30 belegt wird

Dieses Urteil ist zunächst ein Einzelurteil. Es wird wohl, die Andeutungen in der Presse sind deutlich, noch eine weitere Instanz sich mit dem Fall beschäftigen müssen. Zudem dürfte das Urteil weitere Klagen indizieren.

Zunächst ist der Wunsch des Anwohners natürlich nachvollziehbar, weniger Verkehrslärm sich auszusetzen. Es ist auch sein gutes Recht, dies vor einem Gericht einzuklagen. Aber es ist auch anzuerkennen, dass diese Maßnahme in der Sache keinen (oder nur einen vernachlässigbaren) Erfolg haben wird. Und das müsste auch dem BUND als Umweltverein bekannt sein.

Ich kenne selbst den betroffenen Abschnitt sehr gut. Er ist sehr verkehrsreich, weil zwei Ausfallachsen sich hier vereinen. Zum einen die östliche Tangente zwischen Friedrichshain/Treptow und A114 (blau), andererseits die Radiale Mitte-A10/A11 (grün). Mehrere Ampelanlagen. Viel Stop&Go:

In Mittellage mehrere Straßenbahnlinien, die im gesamten Verlauf in einer Kurve fährt (rot) – mit Abzweigungen. Am Rand zudem mehrere Busslinien (lila)

Die Straße ist für die Bewohner eine nur schwer überwindbare Barriere und derzeit alles andere als lebenswert!

Und was genau ändert nun Tempo 30 in Bezug auf Lärm und Feinstaub? So gut wie gar nichts!

Es ist eine Streitfrage, bei welchem Tempo tatsächlich weniger Feinstaub produziert wird. In Frankfurt legten Grüne und CDU aus ein und derselben Studie zwei völlig konträre Schlussfolgerungen vor.

Unter der Prämisse, dass die Feinstauberzeugung einigermaßen linerar zum Benzinverbrauch ist, erwarte ich (je nach PKW-Modell) das beste Ergebnis bei ca. 50 bis 60 Stundenkilometern (also ab dem Punkt, ab dem in den höchsten Gang geschalten werden kann). Aber auch nur, wenn dies konstant gefahren werden kann. Kommen Bremsvorgänge hinzu, wirkt sich jeder beschleunigte und ausgebremste Stundenkilometer negativ aus. Und allein aus diesen Erkenntnissen heraus wundern mich verschiedene Studienergebnisse nicht. Bei Lärm ist das sicher nicht anwendbar, da neben der Motordrehzahl auch Luftwiderstand und Rollgeräusche hinzukommen.

Im Gegensatz zu einer Reduzierung auf Tempo 30 erwarte ich bessere Ergebnisse für diesen und für andere Anwohner, wenn die Beschleunigungsvorgänge reduziert werden können. Und das erreicht man einerseits durch eine bessere Schaltung der vier Ampeln in diesem Abschnitt (und zwar so, dass sichergestellt ist, dass die Fahrzeuge weitestgehend den Abschnitt ohne weiteren Halt passieren können) und andererseits durch Maßnahmen, dass insgesamt weniger Menschen mit dem PKW in der Stadt (und folglich auch in diesem Abschnitt) unterwegs sind.

Die Möglichkeiten der Ampeloptimierung sind begrenzt. Mindestens vier Ampeln, zudem abbiegende Straßenbahnen und Busse. Das ist eine Hürde. Und das ist auch weit anspruchsvoller, als ein olles Blechschild zu installieren.

Daher plädiere ich nach wie vor für die zweite Vaiante. ÖPNV stärken, Radverkehr stärken, Verkürzung von Wegen. Leider sieht die Realität in dieser Stadt anders aus: es werden Autobahnen und viele weitere Straßenverbindungen geschaffen. Der Radverkehr wird malträtiert (wie aktuell in der Kiefholzstraße). So reduzieren wir nie den Feinstaub oder den Lärm. Schade!

(Randnotiz, die 1.: Bei der Straßenbahn könnte eine Geschwindigkeitsreduzierung sich tatsächlich bemerkbar machen. Aber ein Ausbremsen konterkariert auch die Attraktivität des Verkehrsmittels. Es sind zwar nur ca. 30 Sekunden Verlust für dieses Limit in diesem Abschnitt. Kommen perspektivisch mehr Abschnitte hinzu, addiert sich dies.)

(Randnotiz, die 2.: Mir ist klar, dass viele Leute beim Tempo einfach 20 drauf rechnen – und mit 70 Lärm verursachen, denn sie sonst nicht verursachen. Eine Anordnung von Tempo 30 ist aber keine Lösung, damit diese Leute „nur” 50 fahren)

(Randnotiz, die 3.: Die größten Sorgenkinder des Verkehrslärms sind die Kollegen Tiefstart und Diskjockey. Da helfen Schilder ebenso nicht!)

(Randnotiz, die 4: Siehe auch die Debatte zur Straße Am Treptower Park)

Bisherige Kommentare (1)

Kommentar von René

Und noch eine weitere Tempo-30-Debatte, dieses Mal der nördlichste Abschnitt der Kastanienallee

Auch hier wird die Straßenbahn ausgebremst. Aber hier wird mit der Maßnahme eine Straße zum Durchfahren unattraktiver gemacht. Ich hätte lieber an der Kreuzung Schwedter Straße die Straße für PKWs gesperrt (so wie es weiter unten am Rosenthaler Platz auch gemacht wird).

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