Wahlgesetz, Informationsfreiheitssgesetz und Urheberrecht
Es ist teilweise krank, wenn Gesetze sich gegenseitig aushebeln. Da wollte man dem mündigen Bürger die Möglichkeit einräumen, in öffentliche Unterlagen Einblick zu nehmen. Das Informationsfreiheitsgesetz erlaubt es ja nun, das Bundeswahlgesetz schon lange. Aber beim Urheberschutz scheitert es:
heise: Mit dem Urheberrecht gegen die Informationsfreiheit
Die spannende Frage ist in diesem Fall: Wie kann es in den Händen einer privatwirtschaftlichen Firma liegen, ob ein interessierter Bürger die Möglichkeit bekommt, in die Wahlunterlagen zu schauen. Es ist der Firma nicht zu verübeln, wenn sie einfach »Nein« sagt. Oder nur gegen Aufpreis. Es ist ja ihr gutes Recht.
Vielmehr sollte ein Umdenken bei öffentlichen Aufträgen passieren. In den Ausschreibungen gehört ein Passus hinein, daß mit dem Auftrag (bzw. der Bezahlung) sämtliche urheberrechtlichen Ansprüche erlöschen und in die Hände des Staates (oder besser dem gesamten Volke) übergehen. So ähnlich wie bei Mitarbeitern, deren Werke dann im Besitz der Firma sind. Alternativ wäre natürlich auch eine entsprechende Regelung im Urheberschutzgesetz nützlich.
Vermutlich werden dann öffentliche Aufträge, wie eben Software oder Architekturzeichnungen bei Gebäuden, teurer: die Firmen kalkulieren ja auch Folgeaufträge mit ein. Die Software, die ohne Quellcode ausgeliefert wird, wird sicher eines Tages erweitert werden müssen. Oder das Haus benötigt nach 10 Jahren einen Umbau. Schließlich hat der Urheber auch das Recht auf Bearbeitung des Werkes. Aber wer den Weitblick nicht scheut, wird erkennen, daß diese Urheber von Heute Morgen eine gewisse Monopolstellung haben. Natürlich nicht grenzenlos: die Software kann komplett neu erstellt werden, ein Haus kann abgerissen werden.
Hinzu kommt, daß das Urheberrecht auch den Auftraggeber einschränkt. Während meines Englandaufenthaltes sollte in einem Kurs (ja, genau, dieser hier) eine Präsentation über ein Universitätsgebäude erstellt werden. Dazu ist es nützlich, Grundrisse als Quelle einzuarbeiten. Die Grundrisse durften mir nicht in digitaler Form gegeben werden (in Papierform war es dann zulässig. Ich konnte sie auch wieder einscannen — mit Qualitätsverlust).
Aber zurück zur Ausgangssituation: hier wurde von Staatsseite schlicht und einfach geschlampt. Der Staat hat Sorge zu tragen, daß das Wahlrecht, welches ein Grundprinzip der freiheitlich demokratischen Grundordnung ist, Vorrang hat vor dem Urheberrecht des Einzelnen. Ich hoffe, daß in diesem Fall noch Köpfe rollen werden!
Aber man sollte ohnehin einmal hinterfragen, ob sich Wahlautomaten wirklich lohnen. In Irland hat man die Wahlmaschinen bei der letzten Wahl nicht eingesetzt:
Laut Wiesner befand ein Gutachten der Dublin City University, dass zwei Minuten ausreichen, um die auf den Wahlcomputern eines bestimmten Typs installierte Software gegen eine manipulierte Version auszutauschen.
Komischerweise taucht dieser Hinweis im Newsletter der Herrstellerfirma Nedap-Powervote nicht auf, sondern wird als »weltweit am meisten getesteten Wahlsystem« angepriesen. Aber so lange es noch für hochintelligente Schlußworte reicht:
Ironischerweise gibt es in einer wahren Demokratie nur eine Wahl — Powervote!
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