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Recht

Umwandlung Bürogebäude in Wohngebäude

Eine spannende Debatte, die ich diese Woche hatte: der Bedarf an Bürogebäuden nimmt ab, umgekehrt nimmt der Bedarf an Wohnfläche zu. Allein durch HomeOffice. Und ehe man neue Wohnhäuser baut und damit weitere Flächen versiegelt, wäre es da nicht viel klüger, man würde diese bestehenden Gebäude umwandeln. Allerdings hindert häufig der gültige Bebauungsplan eine schnelle Umwandlung – und eine baurechtliche Umwidmung kostet viel zu viel Zeit.

Zunächst denkt man da: Naja, ziehe ein paar Trockenbauwände ein, zieh ein paar neue Stromkreisläufe. Und verlege vielleicht noch ein paar Wasserstränge. Aber das alleine ist es ja nicht. Je länger ich darüber nachdenke, umso mehr verstehe ich, warum das zwar einfach und sympathisch gedacht ist, aber durchaus schwierig ist. Und noch nach der passenden Lösung suche.

Sinn und Zweck der Bebauungspläne

Zunächst muss man sich mit dem Zweck des jeweiligen Bebauungsplanes auseinandersetzen. In der Regel wird ein Bebauungsplan da festgesetzt, wo es eben notwendig ist, bestimmte baurechtliche Sachverhalte zu regeln. Ein Regelungsgrund kann Lärm sein. Lärm spielt vor allem zu Wohngebäuden hin eine Rolle. Schließt man die Wohnnutzung in einem Gebiet aus, können die Gewerbe da eher mal Krach machen. Wird nun aus so einem Bürogebäude ein Wohngebäude, könnte das kritisch für das umliegende Gewerbe werden. Und das gilt es halt zu prüfen.

Ohne B-Plan kann grundsätzlich so gebaut werden wie in der Nachbarschaft (vgl. §34 BauGB). Und ist die schon gemischt geprägt durch Gewerbe und Wohnen, dürfte eine Umwidmung nicht das große Thema sein.

Aber solche Gebiete gibt es praktisch nicht in Hamburg. Denn in Hamburg gab es nach dem zweiten Weltkrieg den krassen Fetisch, dass man für die gesamte Stadt Bebauungspläne erlassen muss. Es gibt so viele unnötige Pläne, die einfach nur ganz banales regeln. Zumal die Bauordnung damals ohnehin nur vier Geschosse erlaubte. Und jeder dieser Pläne lähmt auch die Verwaltung, weil sie gar nicht so viele Pläne ändern kann wie sie zeitlich möchte.

Und nun kann man sich natürlich schon vorstellen, dass ein Investor da auch nur bedingt Interesse hat, so ein Verfahren anzustoßen.

Zweckentfremdungsverbot

Der nächste Gedanke ist: Aufbauen von Druck auf die Eigentümer. Ein Zwangsmittel. Das ist eine Gewerbeimmobilie, die gerade nicht für Gewerbezwecke genutzt wird, weil sie leer steht. Eine Analogie wäre das Zweckentfremdungsverbotsgesetz für Wohnraum. Nur ein essentielles Merkmal ist da: es gibt einen Mangel an Wohnraum, deshalb will man ihn schützen. Aber es gibt keinen Mangel an Gewerbeimmobilien. Würde man diese Analogie in Gesetzesform kippen, würden Eigentümer Reihenweise ihre Vermietungsbemühungen nachweisen – und damit wäre das Instrument sinnfrei.

Verlust Bestandsschutz

Bei meiner Recherche fand ich eine Präsentation der Stadt Hamburg, die die weiteren baurechtlichen Herausforderungen darstellt. Der größte und wichtigste Fakt ist der Verlust des Bestandsschutzes. Nimm irgendeinen 70er-Jahre-Bürobau, der die damaligen Anforderungen erfüllte. Er müsste nun die aktuellen Anforderungen erfüllen. Und das zieht sich dann durch ziemlich viele Kapitel:

  • Schallschutz
  • Brandschutz
  • Statik
  • Abstandsflächen (im Gewerbegebiet kleiner als in Wohngebieten)
  • unzählige einzelne Bauvorschriften, bspw. Treppenstufen, Geländer, Fahrstuhlbedarf

Für einzelne Sachen gibt es Befreiungsoptionen. Nicht für alle. Aber hier ist durchaus Musik, was man in solchen Fällen dann alles tolerieren sollte…

Neuer § 246e BauGB

Ende letzten Jahres ging durch den Bundestag eine Reform des Baugesetzbuches, die u.a. einen neuen Paragrafen 246e BauGB vorsieht (der aber noch nicht verabschiedet wurde). Der Entwurf sieht diese Regelung vor:

§ 246e Befristete Sonderregelung für den Wohnungsbau in Gebieten mit einem angespannten Wohnungsmarkt

In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 mit Zustimmung der Gemeinde von den Vorschriften dieses Gesetzbuchs oder den aufgrund dieses Gesetzbuchs erlassenen Vorschriften in erforderlichem Umfang abgewichen werden, wenn die Abweichung unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist und einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
1. der Errichtung eines Wohnzwecken dienenden Gebäudes mit mindestens sechs Wohnungen,
2. der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes, wenn hierdurch neue Wohnungen geschaffen oder vorhandener Wohnraum wieder nutzbar wird, oder
3. der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage für Wohnzwecke, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung.

Unsere alte Ampel hatte sich also genau mit der Problematik auseinander gesetzt. Das ganze wirkt auf mich enorm weitgehend: man kann das gesamte Baugesetzbuch und alle Bauleitpläne ignorieren. Ich weiß noch nicht, ob man sich über diese Möglichkeit freuen sollte. Man muss nur den erforderlichen Umfang abklären. Und es braucht noch die jeweilige Zustimmung der Gemeinde. Und da es eine so krasse Maßnahme ist, hat man es zunächst zeitlich befristet.

Man muss noch nicht einmal das Umfeld würdigen oder diese Wechselwirkungen betrachten. Es findet keine Beteiligung von Trägern öffentlicher Belange statt, ebenso nicht die Öffentlichkeitsbeteiliung. Man darf demnach im Industriegebiet in den Verwaltungsbau Wohnungen anlegen. Was hier nicht passiert, ist die Umwidmung. Es bleibt ein Industriegebiet.

Nun bin ich kein Jurist. Aber mir stellt sich die Frage, ob die Leute im neuen Wohnraum im Industriegebiet die benachbarte Industrie leise klagen kann. Vermutlich nicht, denn die Wohnung steht ja nach wie vor im Industriegebiet. Aber eine Gewissheit habe ich hier nicht. Hier wären klare Regelungen im Gesetz wünschenswert. Nicht minder spannend ist die Welt dann nach 2027: die neuen Wohngebäude werden Bestandsschutz genießen, wurden ja legal umgenutzt. Aber soll dann in einigen Jahren etwas größere Sanierungen oder Umbauten stattfinden, dürfte das Bestandsrecht erlischen und die Anforderungen gegen den nach wie vor gültigen Bebauungsplan abgeglichen werden.

Der deutsche Umwelthilfe hat mit anderen Verbänden eine Stellungnahme herausgebracht, bei der sie diese Paragrafen als “Bau-Turbo” bezeichnen und ablehnen. Ich kann deren Argumente teilweise verstehen, nur denke ich, dass der Krux woanders liegt.

Natürlich ist korrekt, dass dieses Instrument kein geeignetes ist, dass günstiger Wohnraum entsteht. Aber das sehe ich hier auch nicht als Ziel: wir wollen Wohnungen, für die anderswo sonst neu versiegelt werden muss. Aber mal Hand aufs Herz: glaubt irgendjemand, dass so eine einstige Gewerbeimmobilie zur Luxusbaude wird? Auf diese Kerbe zahlt auch das Argumente der Spekulation. Ferner befürchtet man den Verlust von Grünflächen (Was ich gar nicht verstehen kann, die Gemeinde müsste zustimmen) und ein Angriff auf die kommunale Selbstverwaltung (den ich ebenso nicht verstehen kann, ggf. bezieht sich die Kritik auf einen früheren Stand).

Weitere Referenzen

In Bergedorf wurde ein solches Gebäude umgebaut, der NDR berichtete. Hier betreut das rauhe Haus Menschen mit Beeinträchtigungen.

Es gibt sogar KfW-Förderungen für solche Umbauten.

In Koblenz hat man es getan: 4,6 Mio Euro Umbaukosten für 21 Wohnungen

Bremen zeigt fünf Beispiele

Fazit

Zusammenfassend stehe ich dem Gedanken noch ein wenig ratlos gegenüber. Und die einzige wohl wirklich effiziente Maßnahme: vorerst keine Bebauungspläne mit neuen Gewerbeanteilen beschließen.

Verbot von Zweitwohnungen

In der bayrischen Kommune Garmisch-Partenkirchen (und sicher nicht nur da) läuft immer mal wieder eine Debatte, wie die Zahl der Zweitwohnungen reduziert werden kann, damit bspw. mehr Wohnungen für eigentliche Einwohner zur Verfügung stehen.

So stellte die örtliche CSU beispielsweise 2019 die Debatte auf die Tagesordnung des Marktgemeinderats, wie im Kontext des Zweckentfremdungsgesetz “die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen” gesichert bleibt. In der Sache sicherlich hilfreich – und für eine CxU-Partei eher ungewöhnlich. In dieser Debatte brachte dann die SPD folgenden Antrag ein:

Die Verwaltung wird beauftragt zu prüfen, inwieweit mit einer Satzung die Nutzung als Zweitwohnung künftig unter eine Genehmigungspflicht gestellt werden kann und wird gebeten, dem Gemeinderat möglichst zeitnah das Prüfungsergebnis vorzulegen.

So wurde es auch – wenn auch mit anderen Worten – beschlossen:

Dabei sind auch ein mögliches Verbot von Zweitwohnungen verbindlich zu prüfen

Eine Genehmigungspflicht impliziert, dass diese Anträge auch abgelehnt werden können – und das käme einen Verbot gleich. Zwar ist es nur ein Prüfauftrag, dennoch halte ich solche Überlegungen für Zweifelhaft. Und vermutlich nur, weil einige die Begriffe Ferienwohnung und Zweitwohnung nicht unterscheiden können.

Das Zweckentfremdungsgesetz ist ein gutes Werkzeug, damit Wohnraum Wohnraum bleibt. Und sich da nicht nicht Arztpraxen oder Anwaltskanzleien einnisten. Oder auch Ferienwohnungen. Ob ich eine Wohnung aber als Haupt- oder Nebenwohnung nutze, ändert nichts an der baurechtlichen Nutzung – es ist und bleibt eine Wohnung. Ich werde mittels Gesetz niemand an einer Nebenwohnung hindern können – das würde auch dem Ansinnen des Bundesmeldegesetzes zuwiderlaufen, was ja explizit vorsieht, dass eine Person mehrere Wohnungen beziehen darf und nur eine davon die Hauptwohnung werden kann.

Was würde so ein Genehmigungsvorbehalt bedeuten?

Eine Person mietet oder kauft eine Wohnung. Im Rahmen der Fristen meldet dieser die Wohnung an – und erklärt sie zur Nebenwohnung. Und die Behörde prüft nun und versagt die Nebenwohnung. Also zieht er wieder aus? Oder macht die zur Hauptwohnung und löst dann, je nach Kommune, diesen Genehmigungsprozess in der anderen Kommune aus. Und die könnten ebenso ablehnen. Zugegen: das könnte auch die Person schon vor Unterschreibung des Mietvertrages prüfen. Am besten, bevor ein Ausbildungs- oder Arbeitsvertrag unterzeichnet wird?

Allein diese Gedanken halte ich für politisch absurd bzw. verfassungswidrig.

Was ich dagegen sehr wohl sinnvoll sehe: das Verhindern von Ferienwohnungen. Das ist eine eigenständige Nutzungsart, die eher einem gewerblichen Charakter mit sich trägt. Und das können Kommunen bspw. in Bebauungsplänen ausschließen. Die Gemeinde Boltenhagen hat dies beispielsweise getan (siehe Debatte zu Boltenhagen ). Auch die Rechtsprechung hat dazu schon Urteile verfasst.

Nummernsysteme in Urteilen

Was ich beim Lesen von Urteilstexten immer wieder bemerkenswert finde, ist die Verschachtelung von Aufzählungen. Ich weiß, dass juristische Materie für sich schon trocken ist und viele Leute da aussteigen lässt. Aber es wäre wenigstens hilfreich, wenn ich bei Aufzählungen mich einigermaßen wieder finde – und weiß, welche Verschachtelungsklammer ich gerade verlasse. Für Informatiker wäre so verwurschtelte Logik undenkbar.

Ich zitierte mal aus einem aktuellem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes die dortige Gliederung:

1.
2.
a)
b)
c)
d)
aa)
bb)
cc)
(1)
(2)
(a)
(b)
(3)

Also die Klammerauf-Nummer-Klammerzu ist also eine Stufe unterhalb der Buchstabe-Buchstabe-Klammerzu. Irre, oder? Die DIN 5008 würde schon in der 7. Zeile aussteigen.

Die Abgeordnetenehe Sachsen-NRW

Gleich und Gleich gesellt sich gern – das Sprichwort gilt wohl auch für Menschen mit extrem befremdlichen Positionen. Nun haben sich zwei Abgeordnete aus zwei verschiedenen Bundesländern zusammengefunden und haben die Heirat bekannt gegeben.

Nun lese ich bei Correctiv, die sich auf Recherchen vom ZDF-Magazin Frontal 21 berufen:

Verheiratete dürfen nur einen Hauptwohnsitz haben. Damit können sich Petry und Pretzell nicht gleichzeitig in Sachsen und NRW in den jeweiligen Landtag wählen lassen. Einer von beiden müsste abtreten.

Die Konsequenz dieses Artikels sei, dass ein Mitglied der künftigen Ehe auf das Landtagsmandat im jeweiligen Bundesland verzichten muss, weil das Mandat an die Existenz des Hauptwohnsitzes (oder korrekter: Hauptwohnung) gebunden ist – und der würde dann wahlweise nach Sachsen oder NRW schwenken.

Diese Information ist leider nicht zutreffend!

Das Problem dieser Rechtsauffassung ist: sie greift nur, wenn die beiden jeweils in die Wohnung des anderen ‚einziehen’. Und auch nur, wenn es eine „vorwiegend benutzte Wohnung der Familie” gibt.

Nach §17 Bundesmeldegesetz muss derjenige eine Wohnung melden, der in sie einzieht. Einen Einzug kann man sich auch im juristischen Sinne so mit Möbeln und Einrichtungsgegenständen vorstellen.

Wenn also Frau Pe. nicht in die Wohnung von Hr. Pr. einzieht und umgekehrt, haben beide nur jeweils eine alleinige Wohnung. Frau Pe. in Sachsen, Herr Pr. in NRW. In diesem Fall greift die Bestimmung nach §22 Bundesmeldegestz nicht. Denn dieser Paragraf regelt nur, welcher die Hauptwohnung ist – wenn mehrere vorliegen.

Ferner sagt §22: „vorwiegend benutzte Wohnung der Familie”. In diesem Falle werden wohl beide Partner glaubhaft machen können, dass diese Familie – eben auch durch die Wahrnehmung ihrer Mandate – keine Wohnung vorwiegend nutzt.

Eine Pflicht zum Zusammenziehen existiert nicht – und würde Artikel 6 Grundgesetz zuwiderlaufen.

Ich zitiere aus den Verwaltungsvorschriften zum Bundesmeldegesetz

Unterhalten Ehegatten oder Lebenspartner je eine eigene Wohnung, von denen keine vorwiegend gemeinsam benutzt wird und haben sie auch keinen gemeinsamen Schwerpunkt der Lebensbeziehungen, ist § 22 Absatz 1, 3 und 4 BMG nicht einschlägig. In diesem Fall ist für jeden Ehegatten oder Lebenspartner eine alleinige Wohnung im Melderegister einzutragen.

Mit der Fragestellung haben sich übrigens auch schon Gerichte beschäftigt, z.B. der bayrische Verwaltungsgerichtshof:

In besonders gelagerten Einzelfällen ist auch bei nicht getrennt lebenden Ehepaaren anzuerkennen, dass diese melderechtlich jeweils eine alleinige Wohnung haben können.

In eigener Sache: Ich betreibe seit 2005 die Webseite zweitwohnsitzsteuer.de – und beschäftige mich seitdem unweigerlich mit dem Meldegesetz. Zum Bundesmeldegesetz habe ich einen Kommentar verfasst

Update, 02.02.: Nun geistert die Rechtsauffassung von Frontal 21 durch alle Medien – und schürt falsche Hoffnungen. Mitunter führt diese Meldung auch zu völlig falschen Schlussfolgerungen wie bei Katalin Gennburg, Mitglied des Abgeordnetenhauses:

Sich wählen lassen wo man wohnt, Politik macht und Ahnung hat? Nicht mit diesen AfD-Eliten, pfft! Fern von den Menschen.

Aus der falschen These, dass Familien zwingend eine gemeinsame Wohnung benötigen, wird nun geschlussfolgert, dass die beiden nicht da Politik machen, wo sie wohnen.

Update, 03.02.: Wenn ich die §§-Brille des Meldegesetzes ablege, frage ich mich, wie dieses Musterbeispiel der modernen Patchworkfamilie und mit getrennten Wohnungen zum angestaubten und extrem rückständigen Menschenbild ihrer Partei passt.

Update 05.02.: Diese Fehlinterpretation des Gesetzes stammt von Joachim Wieland, Professor für Öffentliches Recht an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer. Frontal 21 gab eine weitere Pressemitteilung heraus, in dem dieser Professor erklärt:

Eine Allgemeine Verwaltungsvorschrift kann nach dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vorrangs des Gesetzes die gesetzliche Regelung nicht abändern

Das mag ja sein. Nur erklärt diese Verwaltungsvorschrift nur das, was zuvor in Paragrafen schon im Gesetz steht. Ich finde es ungeheuerlich, wenn Rechtsprofessoren mit eigensinnigen Argumentationen ins Rennen gehen.

Anmerkung: Mein Beitrag geht von der Annahme aus, dass der Schwerpunkt von Hr. Pr. tatsächlich in NRW liegt. Ich erwarte von den Meldebehörden, dass sie die Meldung auch prüft – insbesondere hinsichtlich der Tragweite der Konsequenzen bei Falschmeldung.

Reform der Parteienfinanzierung

Aus einem Gesetzentwurf der CDU/CSU/SPD im Bundestag zur Änderung des Parteiengesetzes (Fokus: Parteienfinanzierung):

Der Zustand, dass viele sonstige Parteien die auch sie treffenden verfassungs- und parteienrechtlichen Transparenzpflichten nicht erfüllen, ist nicht hinnehmbar.

Ich wäre schon zufrieden, wenn der Transparenzanspruch der an der Regierung beteiligten Parteien eine Vorbildwirkung für alle anderen Parteien hätte. Beispielsweise das Lobbyregister oder bei den Nebeneinkünften der Abgeordneten. Aber es ist auch viel leichter, das Fehlverhalten anderer Parteien anzuprangern als selbst die Hosen herunterzulassen!

Nichts desto trotz geht bei diesem Gesetzesvorschlag nicht um Transparenz, sondern um eine neue Regelung, dass bei von Parteien betriebenen Wirtschaftsunternehmen nur noch die Gewinne (und nicht mehr die Einnahmen) berücksichtigt werden. Der neu einzufügende Wortlaut heißt dann:

Dabei sind Einnahmen aus Unternehmenstätigkeit (§ 24 Absatz 4 Nummer 5) nur in Höhe des nach Abzug der Ausgaben (§ 24 Absatz 5 Nummer 2 Buchstabe f) verbleibenden Betrages zu berücksichtigen.

Diese Regelung ist in der Hinsicht nötig, da die AFD einen Wirtschaftsbetrieb gegründet hat, mit dem sie Gold verkauft (siehe auch mein Beitrag vom letzten Jahr: Reformation der Parteienfinanzierung nötig). Nun ist unstreitig, dass der Verkauf von Gold nichts, aber auch gar nichts mit den Aufgaben einer Partei zu tun hat. Der Regelungsbedarf ist daher leider nötig!

Ob die AFD nun Leidtragende der neuen Regelung sein wird, ist unerheblich. Aber es betrifft auch alle anderen kleinen Parteien, nämlich all jene, die ebenso kleinere Wirtschaftsbetriebe betreiben, insbesondere zum Vertrieb von Merchandising-Artikeln oder Veranstaltungen). Entgegen des Goldverkaufes sind das Maßnahmen, die man noch unter den Punkt „Einflussnahme auf die öffentliche Meinung” verbuchen kann.

Damit diese Regelung aber nicht zu einseitig ist, werden auch die Tarife im Gesetz erhöht. Es gibt also künftig mehr Geld je Stimme bzw. je selbst erwirtschafteten Euro. Diese kommt aber vordergründig auch den großen Parteien zu gute.

Anmerkung, die 1: Manche Presse interpretiert zu viel in dem neuen Gesetz. Der Goldverkauf ist weiterhin möglich, aber es wird nur der Überschuss als Einnahme betrachtet, nicht mehr der Umsatz. Ebenso berichtet manche Presse, dass die AFD die Pleite fürchtet. Auch hier ist zu beachten, dass dieses Gesetz für 2016 keine Auswirkungen haben wird bzw. kann, sondern erst 2017.

Anmerkung, die 2: Der Tagesspiegel nimmt Bezug auf die Positionen der Opposition. Die Grünen und Linken wollen Spenden juristischer Personen unterbinden. Diese Idee finde ich nicht gut. Dann spenden die Vorstandsvorsitzenden in Persona und es ist nichts gewonnen. Dagegen finde ich die Forderung der Grünen zur Absenkung der Veröffentlichungsgrenzen gut. Dann sind wir wieder bei Transparenzpflichten.

Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit

Es ist immer wieder erstaunlich, wie häufig uns unsere Richter erinnern müssen. Oftmals sind es die Verfassungsrichter, im Fall von religiös motivierter Beschneidung war es das Kölner Landgericht.

»Moment«, sagen nun die Europas Rabbiner, »wie war das noch mal mit eurer Religionsfreiheit?« — und bezeichnen das Urteil als »schwersten Angriff seit dem Holocaust.«

Doch wer entscheidet eigentlich, welche Religion der Nachwuchs annehmen wird? Doch nicht etwa die Eltern? Die Religionsfreiheit mit der dieses Ritual begründet wird ist die gewisser Hinsicht die selbe Religionsfreiheit, mit der sie dem Kind genommen wird.

Der eigentliche Vorwurf der Staatsanwaltschaft (»eine andere Person mittels eines gefährlichen Werkzeugs körperlich misshandelt und an der Gesundheit geschädigt zu haben«) ist natürlich quark und dem ist weder das Amtsgericht, noch das Landgericht gefolgt. Viel mehr beschäftigte sich das Landgericht mit dem Wohl des Kindes. Aus der Pressemitteilung des Landgerichtes:

Dieser Eingriff sei insbesondere nicht durch die Einwilligung der Eltern gerechtfertigt, weil sie nicht dem Wohl des Kindes entspreche. Denn im Rahmen einer vorzunehmenden Abwägung überwiege das Grundrecht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit vorliegend die Grundrechte der Eltern.

Liest man sich den vollständigen Urteilstext durch (151 Ns 169/11), so ist ein Knackpunkt des Urteils eine Abwägung des Artikel 4 (Freiheit des Glaubens) sowie Artikel 6 (Ehe und Familie) der Eltern mit dem Artikel 2 (freie Entfaltung seiner Persönlichkeit / körperliche Unversehrtheit) des Kindes.

Der Presse war heute zu entnehmen, daß der Bundestag eine Resolution verabschiedet hat, mit der mit Hilfe eines Gesetzentwurfes die religiös motiverte Beschneidung erlaubt werden sollen. Doch was soll so ein Gesetz bringen? Solange die Abwägung im Grundgesetz nicht gelöst wird, wird das Gesetz in Karlsruhe zu Fall gebracht. Dazu muss man kein Jurist sein, um das zu erkennen.

Die einzige Möglichkeit wäre eine Änderung des Grundgesetzes. Doch wollen wir wirklich Artikel 2 abschaffen oder abschwächen?

Dabei befindet sich die Lösung des Konfliktes in der Urteilsbegründung:

Eine Einwilligung des seinerzeit vierjährigen Kindes lag nicht vor und kam mangels hinreichender Verstandesreife auch nicht in Betracht.

Das Kind soll einwilligen. Es soll selbst entscheiden — und den Artikel 2 und 4 selbst für sich in Anspruch nehmen.

Update: So langsam erkennen auch die Abgeordneten, daß diese Entscheidung ein Schnellschuß war.

Mit der Deutschen Bahn über Irrtum reden...

Schon seit einigen Jahren kann man Fahrkarten der Bahn problemlos online kaufen. So lange man alles richtig macht, ist das auch kein Problem. Doch wie sieht es bei Fehlbuchungen aus?

So geschah es mir vor einigen Monaten. Ich kaufte eine Fahrkarte für den aktuellen Tag und hatte die falsche Rabattkarte angegeben. Das fiel mir binnen Minuten auf — und ich stellte den Erstattungsantrag für den Fahrschein (und kaufte den korrekten Fahrschein). Ich verwies auf den Irrtum meiner Buchung.

Eine kostenlose Stornierung eines Normalpreis-Tickets ist nur bis zu dem Tag möglich, der dem ersten Geltungstag vorausgeht.

Nun ist das ganze nicht als Stornierung zu sehen. Schließlich bin ich ja nicht zu der Erkenntnis gelangt, daß ich die einst geplante Fahrt nicht mehr antreten möchte, sondern daß der Kauf im Irrtum unterlegen ist.

Nachfolgend ein Textbaustein einer E-Mail an die Bahn:

Ich habe nach §119(2) BGB mein Irrtum bekanntgegeben, auch wenn ich nicht das Wort Irrtum selbst verwendet habe. Aus dem Sachverhalt ist es aber eindeutig zu entnehmen, daß ein Rechtsgeschäft, welches online abgeschlossen, aber binnen weniger Minuten widerrufen und in ähnlicher Form erneut abgeschlossen wurde, als Irrtum anzusehen ist. Folglich trat gemäß §142 BGB dieses Rechtsgeschäft nicht in Kraft und ist so zu verfahren, daß es von Anfang nicht existiert hätte.

Wenn man noch etwas seinen Unmut über die Benutzerführung der Buchungsseite Luft machen möchte, so empfielt sich ein Absatz wie dieser:

Im folgenden kann ich ihnen auch erklären, wie dieser Irrtum zustande kam: die Webseite der Bahn ist technologisch auf einem Stand des frühen Internetzeitalters. Anders kann ich mir nicht erklären, daß ich bei kurzfristiger Inaktivität meine Buchung nicht mehr fortsetzen kann. Der leidige Fehler »F1«, für den viele Benutzer mit dem Verantwortlichen am liebsten Dinge tun würden, die nicht mehr mit dem Grundgesetz konform sind. Also gibt man den Spaß ein zweites Mal ein. Dabei vergißt man, die korrekte Bahncard einzustellen. Dann macht man einen Rücksprung — und zack vergißt er auch das korrekte Datum. etc.

Auch wenn die Bahn niemals zugeben wird, daß in solchen Fällen tatsächlich ein Irrtum geschehen ist, versucht sie dann mit Gutscheinen bei Laune zu halten (sie nennt es dann »Erstattung des Bearbeitungsentgeltes«).

Immerhin ging die Bearbeitung verhältnismäßig schnell. Trotz E-Mail-Pingpong hatte ich binnen 4 Wochen das Geld auf meinem Konto.

Der Buskeismus ist immer noch da...

(Buskeismus hat sich als Begriff für realitätsferne, zum an den Kopf greifende Gerichtsurteile am Hamburger Landgericht durchgesetzt. Benannt nach dem Richter Andreas Buske)

Und das Landgericht hat wieder zugeschlagen: dieses Mal traf es Markus Kompa, selbst Jurist. LG Hamburg: Haftung eines Bloggers wegen eines Verweises auf ein YouTube-Video.

Das ärgerliche an solchen Richtern ist eigentlich nur, daß es die Verfahren unnötig verlängert und verteuert, weil eine zweite Instanz unabdingbar ist... (Danke, Nini)