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Das Handyticket - Allfa 2.0

Der Verkehrsverbund Oberelbe hatte vor zwei Jahren das Pilotprojekt »Allfa-Ticket« in Dresden und Umgebung durchgeführt. Dazu gab es wahlweise eine SIM-Karte oder ein Chipkarte, die den Ein- und Ausstieg in speziell präperierten Bussen und Bahnen auf ausgewählten Linien erfasst haben. Mit diesem System wollte man die Zahlungsabwicklung für die ÖPNV-Nutzung vereinfachen. Ich hatte mich damals als Testnutzer registriert — jedoch nicht, um von mir ein Bewegungsprofil aufzeichnen zu lassen, sondern viel mehr, um mich mit dem Gerät auseinander zu setzen. Obwohl es damals zahlreiche Kritikpunkte (u.a. Datenschutz, mangelnde intuitive Bedienbarkeit) gab und praktisch nur die Anwesenheitserfassung getestet wurde (aber nie der elektronische Tarif — wie es der VVO behauptet), wurde der Kritik gekonnt ausgewichen und das ganze als Erfolg gefeiert.

Mittlerweile gibt es nun ein Nachfolgeprojekt: das sogenannte »Handyticket«. Wie auch schon beim Allfa-Ticket wird alleine in der Projektbeschreibung deutlich, daß damit das eigentliche Ziel nur verfehlt werden kann:

Der Fahrkartenkauf ist gerade für gelegentliche Kunden und Ortsfremde nicht immer ganz einfach. Mit dem Projekt HandyTicket wird der Fahrkartenerwerb für unsere Kunden erheblich erleichtert.

Für mich war es als Ortsfremder noch nie ein Problem, einen Fahrkartenautomaten zu finden, zumindest gibt es diese Geräte noch auf jedem Bahnhof und Flughafen. Dagegen war das Studieren des Tarifes nicht immer einfach. So suchte ich beispielsweise erst kürzlich an einem Dresdner Fahrkartenautomaten (ja, als Student hatte man ja Semesterticket) vergeblich nach eine Kurzstrecke, die — und das wurde mir erst kurz danach klar — es maximal als 4er-Karte gibt. Oder das im Kulturdrechsloch Essen die normale Monatskarte nicht Monatskarte heißt, sondern »Ticket 1000« — und diese nicht am Automaten erhältlich ist. Oder in Prag muß für einen Koffer eine Kinderkarte gelöst werden. Und in Hamburg gibt es noch das Relikt der Bahnsteigkarte. Und die »Münchner Ringe« haben auch eine gewisses Eigenleben.

Einem Gelegenheitsfahrer (darunter stelle ich mir immer so Leute am Stadtrand vor, wo nicht mehr jede Busstation einen Automaten hat) würde man bestimmt viel mehr helfen, wenn durch die jährlichen Verteuerungen Tarifanpassungen nicht jedes Mal ein auf Vorrat gekauftes Ticket seine Gültigkeit verliert.

Aber mal realistisch betrachtet: die Nahverkehrsbetriebe wollen Kosten sparen — und das Potential sehen sie in der Wartung und Bestückung der zahlreichen Ticketautomaten. Und das Ziel ist ja durch aus legitim.

Erstaunlich ist, daß sich mittlerweile zwei Anbieter auf diese Handytickets stürzen, die nun in unterschiedlichen Städten aktiv sind:

Und da die SMS auch ein sehr zuverlässiges und vor allen pünktliches Medium ist, deren Empfang sich nur hin und wieder mal geringfügigen Verzögerungen ausgesetzt ist, erklären die beiden Anbieter was in diesem Falle zu tun ist:

  • In Dresden soll man nun einen zusätzlichen herkömlichen Papierfahrschein erwerben — und entweder in einer Geschäftsstelle oder beim Fahrer zurückbringen (Einfach auf der Zunge zergehen lassen).
  • In Köln brauche ich das nicht.

Auch leere Akkus dürften sich besonders eignen zur Fahrgastkontrolle. Aber es macht nichts: es wird ja alles zentral erfaßt. Der Personalausweis, vom VVO auch liebevoll Kontrollmedium genannt, und die zugehörige Telefonnummer sichern die Identität der Person auch bei leerem Akku in Dresden nach (wie lange soll so eine Kontrolle dann eigentlich dauern?) Eine Möglichkeit, den ÖPNV damit noch anonym nutzen zu können (Datenschutz), sehe ich nicht. So gesehen ein Rückschritt gegenüber dem Allfa-Ticket bei dem die Variante im Vorauszahlen das anonyme Reisen noch ermöglicht hätte.

Die einzige wirkliche Innovation, die ich bei diesen beiden Ticketsystemen erkennen kann, liefert nur myHandyTicket. Und zwar lösen sie — ohne das es jetzt verläßlich garantiert wird — das übliche Problem: Einzelticket oder Tageskarte?

Kaufen Sie einen Fahrschein mit dem myHandyTicket-System, ist dieser zunächst ein Einzelticket. Summieren sich Ihre Fahrten zum Umfang eines Mehrfahrten- oder Tagestickets kann das myHandyTicket-System automatisch einen günstigeren Tarif abrechnen.

Fazit: Beide Systeme werden mit Sicherheit Akzeptanzprobleme haben. Denn die Nahverkehrstarife werden durch das Ticket weder vereinheitlicht noch vereinfacht. Es wird weder die begrenzte Anzahl ausgewählter Fahrscheine sinnvoll sein, noch eine umständliche Menuführung auf einem kleinen Handydisplay bei Vollsortiment einschl. Möglichkeiten zur Kinder-, Fahrrad- und Hundmitnahme.

Was sind eure Gedanken beim Handyticket?

Bisherige Kommentare (6)

Kommentar von Anderl

Ich kann dir nur vollkommen Recht geben! Das ist zum Scheitern verurteilt. Das klappt nicht.
Lustig ist auch, dass in München heute die Sbahn und Bahn bestreikt wird, und sowohl die Homepage der Münchner Sbahn, als auch die Bahnhotline, auf die gestern per Durchsage explizit verwiesen worden ist, tot sind. Sprich Homepage nicht erreichbar und Hotline besetzt.
Hach ich freu mich schon auf meinen Weg in die Uni heute.

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