Lollapalooza - das Festival
Am 10. und 11. September fand das Lollapalooza-Festival statt.
Wenn ich die Debatten um Standortfragen und der Frage zu Festivals im Stadtgebiet allgemein (und natürlich auch die mangelnde Information) ausklammere, war es durchaus ein gutes Festival. Ich bekam als Anwohner ein Anwohnerticket (vergünstigter Preis) und habe die zwei Tage vom politischen Treiben abgeschaltet und der Musik gelauscht (und mich nicht wie Katalin Gennburg noch an den banalsten Nebensächlichkeiten aufgerieben). Allerdings, ganz abschalten war auch nicht möglich, wenn man die Debatten und die Auflagen im Blut hat.
Trotz aller Unkenrufen zum Trotz verlief das Festival sehr gesittet. Es waren vor allem viele junge Menschen anwesend. Auf den beiden Bürgerversammlungen war ich mit einer der jüngsten Gäste, auf dem Festival selbst deutlich über dem Altersdurchschnitt. Ein Anzeichen eines Generationskonfliktes?
Zur zweiten Bürgerversammlung zeigte mir eine ältere Dame einen Artikel aus dem Berliner Kurier, in dem sich bei einem anderen Festival einige Gäste im Schlamm wuhlten. Für so etwas fehlte nicht nur der Regen, auch die Gäste.
Mir sind keine nennenswerten Vorfälle aufgefallen, zwischendurch interessierte sich auch die Presse dafür. Hin und wieder waren Sanitäter im Einsatz. Das bleibt nicht aus, gerade auch bei der Hitze!
Musik
Ich fange mal mit der Musik an. Mein persönliches Highlight war New Order:
Ich habe sie noch nie live gesehen, höre aber gerne ihre Musik (vor allem Substance). Sie haben ihren Auftritt auch visuell begleitet. Der Opener wurde mit Szenen aus dem Film B-Movie. Lust and Sound in West-Berlin begleitet. Viele bekannte Lieder, Chrystal, Bezirre Love Triangle, Blue Monday, True Faith.
Ich bin kein Freund der geplanten und theatralisch durchgeführten Zugaben. Aber hier passte es, da in der Zugabe die alten Joy-Division-Lieder liefen:
Der größte Flop war dagegen Paul Kalkbrenner. Ja, er hat einige schöne Lieder in den letzten Jahren herausgebracht, vor allem „Sky and Sand”. Aber auf einer Festivalbühne wirkte er fehl platziert. Nur mit den Armen wedelnd, zeitweise rauchend und trinkend und musste irgendwie die gebuchte Zeit überbrücken. Es ist aber ein grundsätzliches Problem dieser DJ-Branche, die Musik auch visuell aufzubereiten. Wer es sich anschauen will: live bei arte
Die Kaiser Chiefs machen festivaltauglichen Rock. War angenehm anzuhören, auch wenn die Band vorher es nur selten in meine Gehörgänge schaffte:
Beim Liedermacher Philipp Poisel hatte ich den Eindruck, er würde auf der Bühne gleich in Tränen zusammenbrechen. Authentisch. Passt zur Musik.
Nicht im Programm angekündigt, aber zwischen den Bühnen unterwegs: das Universal-Druckluft-Orchster Druckluft wird Schlagzeug, Gitarre und natürlich der Schirm bedient. Ist witzig, keine Frage:
Am zweiten Tag hörte ich zunächst Aurora: Starke Show mit ruhigeren Tönen. Gibt es auch live bei arte
Milky Chance haben einige schöne Titel, ansonsten eher nicht mein Stil. Aber Live überzeugend!
Und als Abschluss Radiohead, aber sie überzeugten live nicht. Vielleicht für eine bestuhlte Veranstaltung. Die erste halbe Stunde plätscherte vor sich hin. Dann gab es einzelne schnellere Titel. Bis zum Abschluss ihrer größeren Titel liefen und das Publikum mitgrölte. Wenn ich diesen Mitschnitt von The 1975 höre, hätte ich wechseln sollen.
Der Park und die Wiese
Als ich Samstag gegen 11:30 Uhr die große Liegewiese betrat, sah sie so aus:
Auch wenn das Bild in der knalligen Mittagshitze entstanden ist, so erkennt man zwischen dem grau noch etwas grün. Das ist sicher nicht ungewöhnlich, wenn man das Wetter der letzten Tage betrachtet, jedoch kann ich nicht beurteilen, was im Rahmen der Aufbauarbeiten schon passierte. Im Rahmen der Aufbauarbeiten wurden auch die Löcher in der Wiese verfüllt – sonst hätte es sicher Knochenbrüche gegeben. Deshalb staubte es vor allem auch am zweiten Tag enorm. Das sah ich auch im Taschentuch beim Nase putzen.
Heute sah die Wiese so aus:
Mit anderen Worten: Der Bedarf zur Ausbesserung ist sichtbar!
Aber, und da bin ich auf das Bezirksamt sauer: es war erklärter Wille der Bezirksverordnetenversammlung, dass das Vorfeld der Bühnen und die Verbindungsgänge der beiden Hauptbereiche mittels geeigneter Technik so abgedeckt werden, dass die Schäden am Rasen minimiert werden können. Weder gab es diese im Vorfeld der Bühnen, noch auf den Verbindungsgängen entsprechende Platten. Die Platten spielten zwar für die Aufbaulogistik eine Rolle, nicht aber für die Besucherströme.
Ferner bestand die große Sorge, dass überall wild in den Park gepinkelt wird. Ich stelle mal die These auf, dass an einem üblichen Wochenende, wo nur ein Zehntel davon im Park ist, weitaus mehr Menschen in die Büsche strullen. Ich selbst habe nur einen Fall gesehen, wo jemand einen Bauzaun angepinkelt hat (aber ich wollte ja abschalten und nicht den Hilfssheriff spielen). Die Toilettenhäuschen waren wirklich reichlich vorhanden:
Ärgerlich war, dass fast ausschließlich Dixiklos eingesetzt wurden. Mit Wasseranschluss gab es keine, ca. 10 Kompost-Toiletten.
In Sachen Müll sah die große Liegewiese am Ende des zweiten Tages sehr schlimm aus:
Aber das meiste war am nächsten Morgen schon wieder weg! Aber es fehlte in einigen Bereichen (gerade um die Fressstände herum) Müllkapazitäten (oder aber die Leerung klappte nur unzureichend).
Dass ein Musikfestival auch Lärm macht, keine Frage. Das tat es auch. Das war auch das Feedback, was ich zeitweise bekam – und auch immer wieder gelesen habe. Beim Konzert von Major Lazer interessieren mich die Lärmprotokolle, dieses war gefühlt deutlich lauter.
In der Straße Am Treptower Park blieb wohl das große Verkehrschaos aus (so zumindest meine Beobachtungen zum Festivalbeginn), dafür gab es großen Rückstau in der Kiefholzstraße. Dies führte auch dazu, dass ich so gut wie nie einen der Pendelbusse gesehen habe (die es ja – welch Überraschung – noch gab). Ich zitiere dazu einen Kommentar:
Kommentar von Kerstin Lösch
Das Verkehrskonzept östlich des Tretpower Parker war eine einzige Katastrophe (B96a stadteinwärts und Neue Krugallee). Zum Festival erfolgte keine ausreichende Beschilderung, so dass der Verkehr in der B96a bis zum Polizeirevier floss und die Autofahrer dort feststellen mussten, dass es nicht weiter geht. So versuchten die Autofahrer über den Dammweg in die Neue Krugallee zu kommen, weil sie dachten, dort geht es weiter in die Stadt. Der andere Teil fuhr ahnungslos in die Neue Krugallee und stellte dann am Dammweg ebenfalls fest, dass abgesperrt wurde und wollte über den Dammweg zur B96a. Die Folge war, dass das Hupkonzert lauter als das Festival war, der Dammweg hoffnungslos verstopfte und auch Schäden an den Fahrzeugen zu vermelden waren. Eigentlich hätte der Verkehr bereits über Karlshorst bzw. über die Baumschulenstraße abfließen müssen. Da sich aber hinsichtlich normalen Verkehrs, der nicht zum Festival wollte, keine Gedanken gemacht wurde, zeigt sich der lasche Umgang der Verkehrsbehörde mit dem Sachverhalt.
Was war sonst noch?
Der Einlass skalierte. Keine Schlangen. Nur Zuständigkeitsfragen beim Bändchentausch hätten geklärt sein müssen (Von A nach B nach C nach D verwiesen).
Der einzelne Baum auf der Großen Liegewiese war gut gesichert:
Am ersten Tag nahm ich an der Führung im Sowjetischen Ehrenmal teil, die vom Museum Karlshorst durchgeführt wurde. Um Nachfragen vorzubeugen: Die Musik war zu hören, aber es war möglich, die Zitate Stalins einmal durchzugehen.
Im Grünen Kiez (also die Green-Washing-Abteilung im Lollapalooza) fand ich den Stand von UTO Berlin interessant. Die stellen aus alten Fahrradschläuchen Geldbörsen her!
Überhaupt Greenwashing: Man verkauft sich als super nachhaltig – und bekommt es nicht gebacken, Rollberg-Bier und Proviant-Cola zu verkaufen.
Ungewöhnliche Kost auf dem Festival: Königsberger Klopse mit Kartoffelbrei!
Auch wenn eine Auflage war, dass Glas verboten war, gab es Glasflaschen. Es gab sogar einen Verkaufsstand dafür.
Außerhalb des Areals sah es an beiden Abenden katastrophal aus. Viel zerbrochenes Glas auf dem Weg zur S-Bahn. Auch in der Straße Am Treptower Park waren Auswirkungen zu sehen. Hier gab es viele Zaungäste. Die Kioske am Bahnhof erlebten ihre Hochkonjunktur – und verlangten plötzlich höhere Preise für ihre Getränke.
Die bosnische Band Dubioza kolektiv sprach eine Wahlempfehlung für die Piraten aus (bei 23:37).
Fazit
Wenn ich nur das Festival isoliert betrachte, war es ein durchaus gelungenes, friedliches und entspanntes Festival. Trotzdem lief im Vorfeld vieles falsch in Richtung Kommunikation, Bürgerbeteiligung, Hotelansprüchen etc. Zum Ausblick verfasse ich noch einen weiteren Artikel
Weitere Artikel:
- Presse spekuliert über das Olympiastadion für 2017
- Spreewild: Lollapalooza: Super Stimmung, gute Orga aber der Knaller hat gefehlt
- Intro: 5 Dinge, die wir auf dem Lollapalooza gelernt haben
- BUND: Berlin – schon ganz lull und lolla?
Bisherige Kommentare (3)
Kommentar von Ni.Ni
Ich war ja auch da und finde, du übertreibst ein wenig. ;-) Die Lautstärke war zumindest für Besucher sehr viel angenehmer als ein „normales” Konzert. Kein Bedarf für die verteilten Ohrstöpsel.
Katastrophal empfand ich den Müll weder auf, noch vor dem Festivalgelände. Schlimm wurde es erst ganz zum Schluß, wofür ich die Broken Window Theorie verantwortlich mache („jetzt ist es eh egal, die anderen machen es auch”). Die Veranstalter haben das Gelände in der Nacht von Sa zu So doch gut wieder hergerichtet. Und für mich entscheidend: Das Publikum war entspannt, wollte Spaß, war aber gleichzeitig nicht prollig drauf. Es wurde noch bei der unbekanntesten Band mitgesungen. Es gab kaum harten Alk (imho).
Die Wiese … naja, da lässt sich wohl nichts machen. Ich bin eigentlich überrascht, wie grün dein Foto noch aussieht. ;-) Vielleicht hilft ja der kommende Regen.
Kommentar von Sabine Donath
Lieber Rene!
Interessante Zusammenfassung deinerseits.
Ich kann dir nur in einigen Punkten nicht zustimmen:
- Die Verkehrssituation für die Anwohner war katastrophal…denn diese Busse steckten ebenfalls im Stau und die beiden Bahnhöfe waren total überlaufen.
- Der Müll in unserer Straße wurde von der BSR zeitnah sehr zügig beseitigt- aber ich denke mal, das hat der Steuerzahler und die Anrainer mit Gebühren bezahlt- und nicht Lolla…
- Die Große Wiese und einige Areale der Rasenflächen am Spreeufer sehen auch am 22.12. noch absolut traurig aus- weil bis auf Müllbeseitigung nichts geschehen ist. Das wurde auf´s neue Jahr, Frühjahr, verschoben. Das heißt dann wohl höchstwahrscheinlich keine Nutzung der Großen Wiese im kommenden Jahr- denn so, wie sie aussieht, muss sie komplett saniert werden (hat Lolla seine Sicherheitsleistung schon zurück? Dann bezahlt nämlich auch das der Steuerzahler).
- Bis heute wurde nicht verkündet, wo Lolla 2017 stattfindet- ein Schelm, wer da Schlechtes denkt.
Einfach mal so meine Gedanken….
Ich wünsche dir alles Gute in Hamburg!
Sabine
Kommentar von René
Hallo Sabine,
Danke für den Kommentar. Als Vorbemerkung: der Artikel stammt vom 12.09. und gibt meine Eindrücke zur Veranstaltung wieder. Er bewertet nicht den weiteren Fortgang.
zu 1: Die Situation der Ersatzbusse habe ich ja beschrieben (ich habe nicht einen gesehen). In der Straße Am Treptower Park gab es allerdings keine Staus. Diese waren verlagert, vor allem in der Kiefholzstraße.
zu 2: Ich saß ca. 1h nach Veranstaltungsenden auf dem Mauersockel der Schuckerthöfe. Da lag zerbrochenes Glas. Aber ich stimme zu: die BSR hat guten Dienst geleistet.
zu 3: Ich wundere mich auch, dass hier noch nicht unmittelbar begonnen wurde, aber ich gehe davon aus, dass dafür entsprechende Sicherheitsleistungen einbehalten wurden. Unbenommen davon dient die Leistung nur als Absicherung, bspw. gegen Bankrott. Kostet die Aufbereitung mehr, kann das trotzdem in Richtung gestellt werden. Aber hier würde ich zu einer Einwohnerfrage ermutigen.
zu 4: Ja, da wundere ich mich auch. Aber ich gehe davon aus, dass sie das – sobald der zivilrechtliche Mietvertrag steht – bekannt geben werden. Sie haben aber dieser Tage noch einmal erklärt, dass der Treptower Park explizit ausgeschlossen ist.
viele grüße,
rené
Was waren deine Eindrücke als Gast oder Anwohner?
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