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Die Königsbrücker Straße - Wenn der Pflug durchs Gehirn fährt!

Ich wohne ja nun schon einige Jahre in Berlin, dennoch verfolge ich gerne noch aus der Ferne, was in der sächsischen Landeshauptstadt passiert. Und ein Thema, was schon seit mehr als 15 Jahren die Stadt beschäftig ist — nein, ausnahmsweise nicht die Waldschlößchenbrücke — die Sanierung der Königsbrücker Straße.

Schon vor einiger Zeit berichtete ich von diesem Vorhaben. Einigkeit besteht darin, daß diese Straße dringenst saniert werden muss!

Und so gab es verschiedene Planungsvarianten mit einer oder zwei Fahrstreifen je Richtung sowie überfahrbaren Gleiskörper der Straßenbahn. Bekanntermaßen forcieren FDP und CDU den vollen Ausbau mit vier Spuren zzgl. Straßenbahn, die bürgerlichen Parteien zwei Spuren. Und so begab man sich schon vor einigen Jahren zu einem Kompromiss: zwei überbreite Fahrspuren! Nun könnte man annehmen, einer Sanierung steht nichts mehr im Wege!

Weit gefehlt. Denn CDU und FDP gefallen Kompromisse nicht. Also stellt man von Landesebene (ebenfalls Schwarz-Gelb) einfach mal Steine in den Weg. Für was betreiben wir so ein aufwendiges föderales System, wenn man von der nächsthöheren Ebene mit Fördergeldern Positionen durchdrückt (ähnliches Trauerspiel bei der Leipziger Straße)? Und solche Spielchen kosten schon mal Jahre! Zwischenzeitlich gibr es auch neue Verkehrsprognosen. Damit platzten auch die Hoffnungen von CDU/FDP, dass der Verkehr auf dieser Straße zunehmen werde.

Gebaut ist noch nichts. Die Dresdner Verkehrsbetriebe werden langsam nervös — denn der schlechte Zustand der Schienen zwingt sie bald dazu, die Gleise unabhängig von der Straße zu erneuern.

Ein Lichtblick gab es, als Dirk Hilbert (FDP) als stellvertretender Bürgermeister aktiv wurde und den einstigen Kompromiss wieder aufgriff. Er modifizierte den einstigen Kompromiss noch einen Müh in Richtung CDU/FDP. Was passiert? Die bürgerlichen Parteien tragen den neuen Kompromiss — nicht zuletzt damit diese Straße endlich saniert werden kann. Und die FDP pfeifft Hilbert zurück.

Fortan sprach man in Dresden vom »Hilbert-Plan«. Die Dresdner Verkehrsbetriebe signalisierten ihre Zustimmung, auch von den Fachbehörden (Umwelt, Stadtplanung, ...) gab es grünes Licht. Nur wegen interner Unstimmigkeiten wurde eine Abstimmung zur Königsbrücker Straße noch einmal über Monate verzögert. Die CDU ist sich mittlerweile auch nicht mehr einig.

Doch nun musste endlich ein Beschluss her — und nun geschieht das eigentlich unfassbare: man entscheidet sich gegen den Hilbert-Plan. Die CDU und FDP setzt sich gegen die bürgerlichen Parteien durch und forciert den vierspurigen Ausbau. Die Sitzung ähnelte dem eines Kindergartens — so ein Urteil der Lokalpresse! Ich zitiere CDU-Stadtrat Hans-Joachim Brauns über Tilo Wirtz (Linke):

Dir sind sie mit dem Pflug durchs Gehirn gefahren.

Die Konsequenzen für die Stadt:

  • Es ist noch nicht sicher, ob diese Variante überhaupt realisierbar ist
  • Laut Straßen- und Tiefbauamtschef Reinhard Koettnitz zusätzliche Planungszeit 7 Monate
  • Die Dresdner Verkehrsbetrieben werden bei Ausfall der Ampeln drei Haltestellen ohne Halt passieren (oder ggf. den Norden ganz abkoppeln)
  • Es müssen Grundstücke von Anwohnern erworben werden, die bereits angekündigt haben, gerichtlich zu klagen
  • 3 Mio Euro zusätzliche Baukosten
  • Vor 2015 wird vermutlich nicht gebaut werden
  • Und wenn wir Pech haben sind die Verkehrsbetriebe vorher noch gezwungen, die Gleise auszutauschen (laut SZ sind es 1,5 Mio Euro, zzgl. Mehrkosten für die langsame Straßenbahn während der Verzögerung)

Da bleibt die Frage, wem nun CDU und FDP mit dieser Engstirnigkeit geholfen haben. Ich würde meinen: weder den Anwohnern, noch den Autofahrern, noch der Stadt.

(Wer ein aktuelles Foto im Straßenverlauf hat, würde ich mich um Zusendung freuen)

bytheway: vor einigen Jahren setzten sich auch mit der Waldschlößchenbrücke CDU und FDP gegen die bürgerlichen Parteien durch. Die Brücke sollte Verkehrsprobleme lösen. Doch nun? (Und ganz gleich, ob diese Spekulation stimmt oder nicht — der Fetscherplatz wird das Nadelöhr sein).

Bisherige Kommentare (16)

Kommentar von Dr. Azrael Tod

ohja.. sehr treffend zusammengefasst.
weiterhin ist das natürlich auch ganz toll für die Anlieger, wenn die Königsbrücker als Einkaufsstraße nahezu wegrationalisiert wird.
Fahrradfahrer dürfen sich dann mit Fußgängern relativ wenig Fläche teilen und der PKW-Verkehr wird weiterhin schön hinter der Bahn warten müssen, während Bahnnutzer um ihr Leben fürchtend über die Straße springen.

Sprich: lasst uns die Negativen Seiten aller Vorschläge kombinieren!

Naja, zum Glück wohne ich jetzt nicht mehr in unmittelbarer Nähe der Straße.

Kommentar von torsten

nur um mal die Gebetsmühle von der Einigkeit über die Sanierung der Königsbrücker zu stoppen:

Die Königsbrücker funktioniert für mich momentan ganz gut. Es gibt kaum einen Bürgersteigabschnitt in Dresden auf dem ich sowohl als Fußgänger als auch als Fahrradfahrer lieber unterwegs bin. Klar ist es manchmal eine Herausforderung zwischen Fußgängern, Kinderwägen, Mülltonnen, parkenden Autos, Baustellen und anderen Bikern unfallfrei voranzukommen, aber interessanter als die langweiligen Radwege oder Bürgersteige am z.B. Pirnaischen Platz  ist es allemal.

Kommentar von René

Es ist ehrlich gesagt nicht dein Ernst, den Status Quo dieser Straße erhalten zu wollen. Oder?

Der Bürgersteig ist übrigens nicht für Fahrradfahrer freigegeben (zumindest war es das nicht zum Zeitpunkt, als Google Straßenansichten anfertigen ließ). Das heißt, du müßtest auf diesen holprigen Kopfsteinpflaster fahren — und nicht Slalom um Fußgänger und Kinderwägen. Ich wünsche gutes Überleben!

bytheway: Radwege sollen in erster Linie nicht attraktiv, sondern sicher sein.

Kommentar von torsten

was heißt erhalten wollen? ich würde keinen finger dafür krümmen, nur finde ich das jahrelange gestöhne über den ach-so-unmöglichen-zustand verdächtig.

das mit dem bürgersteig weiß ich, aber in der täglichen praxis auf der köni zeigt sich, dass Regelverstöße dieser Art von den meisten hingenommen werden.

Kommentar von René

Und warum werden diese Regelverstöße hingenommen? Weil keiner den Radfahrern zumuten kann, auf dieser Holperpiste zu fahren. Und dann ist man wieder an dem Punkt, wo es notwendig ist, daß sich was ändert.

Und was ist daran nun verdächtig? Wetterst du Mauscheleien zwischen CDU und Baufirmen? Oder meinst du man puscht gezielt das Thema auf, um wichtigere Entscheidungen in den Hintergrund zu rücken?

Kommentar von torsten

die regelverstöße hören m.e. in dem moment auf, welche zu sein, wenn sie durch tägliche praxis zur weit akzeptierten regel werden. und das finde ich weder schlimm noch ergibt sich daraus für mein verständnis zwingend änderungsbedarf.

Verdächtig ist vielleicht das falsche wort gewesen. sagen wir auffällig. mir scheint, dass sich durch das jahrelange fast schon zwanghafte Reden darüber, dass sich an der königsbrücker endlich etwas ändern müsse, der Wunsch nach Konstanz und die politische Unfähigkeit sich auf Veränderungen einzulassen, manifestiert.

Das Motto scheint: Lieber soll es so bleiben wie es ist, als die Ideen des sog. politischen Gegners zu unterstützen. Und durch das ständige Vorbringen neuer Pläne und Idee soll einfach nur darüber hinweggetäuscht werden.

Aber wie gesagt: Ich finde die Königsbrücker auch so wie sie jetzt ist, sehr schön. Etwas rotzig, ziemlich laut, aber auch sehr quirlig und lebendig.

Kommentar von René

Nach meinem Verständnis trennt der Fußweg der Köni von einem Radweg mehr als nur das Aufstellen eines Verkehrsschildes. Wer nur mal um die Ecke zum Bäcker radelt, dem mag das egal sein. Wer ernsthaft Rad fährt — und damit auch ein Tempo von >25 km/h — fahren will, wird dies im Moment weder auf der Straße selbst noch um die Passanten herum schaffen. Über abgesenkte Bordsteinkanten habe ich da noch gar nicht gesprochen.

Zum Thema Auffälligkeit bzw. Verdächtigkeit: Nach dem Konsens kamen sämtliche Steine oder Alternativpläne nur aus den Reihen der CDU und der FDP. Aber ich glaube nicht, daß das Getrolle der beiden Parteien den Zweck hat, das Projekt zu torpetieren.

Kommentar von torsten

da stellt sich mir die Frage: Was ist eine Straße? Für mich ist die Königsbrücker Straße weniger ein Mittel um schnell woanders hinzukommen, sondern eher ein Erlebnisort dessen Qualitäten jenseits des Transits liegen (Bummeln, Leute gucken, Einkaufen, Leute treffen, vorm Ostpol sitzen, Mittagessen gehen ...) Andere Leute werden mit der Königsbrücker sicher anderes vorhaben, aber für das was ich von der Königsbrücker erwarte, brauche ich weder eine Fahrrad- noch eine Autobahn, sondern finde die momentane Situation ganz okay.

Kommentar von René

Da liegst du leider falsch! Die Königsbrücker ist eine Bundesstraße (B97) — und damit spielt diese Straße eine Bedeutung im Fernverkehr (Stichwort: Bundesverkehrswegeplan). Ich kenne keine Intension, die Bedeutung der Straße herunter zu stufen (sollte ich etwas übersehen habe, gib Signal).

Nun ist es eben die Aufgabe der Politik zwischen den verschiedenen Interessen abzuwiegen. Die einen wollen durchfahren, die anderen Bummeln und Mittagessen. In meinen Augen ist der einstige Kompromiss (und notfalls auch der Hilbert-Plan) angemessen. Die nun erfolgte Vorstoß der CDU und FDP zu einseitig.

Kommentar von René

Du kannst natürlich deine persönliche Sichtweise von der Straße gerne haben. Ich orientiere mich dann aber doch an Fakten. de jure ist es eine Fernstraße. De facto kannst du dir die Verkehrszahlen anschauen. Eine Straße zum Bummeln und Flanieren hat andere Eigenschaften.

Um aber die Diskussion zu einem Abschluß zu führen: Ich fand deinen Einwand interessant, den Stand der Sanierung aus einem völlig anderen Blick zu durchdenken. Leider haben deine Argumente keine Substanz, um mich zu überzeugen.

Kommentar von Stefan

Schaut mal, in eine ähnliche Kategorie fällt doch der Umbau der Albertbrücke:

http://www.dresden-mittendrin.de/nachrichten/aktuell/Radfahrer-sollen-auf-der-Albertbruecke-schieben,42.html

Ganz fantastisch, was unsere Stadt da leistet. Sie stellt Schilder auf. Juchuuu!! Das erinnert mich an Russland...Ach nee, da gibts für sowas keine Schilder....

Kommentar von Volker

Eine Bundesstrasse soll zur Bundesstrasse werden, Ich hab ja nix gegen die Denkweise, aber zur Zeit passieren Dank solider Pflastersteine und kompletter Unbefahrkeit durch Radfahrer ziemlich wenig Unfälle auf dieser Strasse. Sollte diese Bundesstrasse zu einer Bundesstrasse ausgebaut werden, so richtig mit glatten Asphalt und Teer wie es im Jahre 2012 üblich sein sollte, vielleicht noch mit Radfahrstreifen, ähnlich der Petersburger wo am Rande noch Autos parken und man mit >25 km/h (alleine)radeln will, brauch man keine Glaskugel um zu wissen, das solche Vorhaben komplett schief gehen. Da nimmt niemand Rücksicht auf den anderen, was bei der heutigen Situation ganz einfach gar nicht anders geht. Und welchen von den 4 Verkehrsteilnehmern,(Bahn, Rad, Auto und Fußgängern) gibt man den Raum, den sie brauchen??? Bitte jetzt nicht kommen und sagen: „wir fällen ein paar Häuser”, da ist einfach kein Platz für solch ein Projekt und deswegen scheiterte es eben bis jetzt oder wir machen die Bundesstrasse zur Radlerstrasse.

Kommentar von René

Die Bundesstraße zur Radlerstraße zu machen wäre sicher nicht die schlechteste Idee – und wäre eine sinnvolle Maßnahme, damit die Kluft zwischen den einstigen Verkehrsprognosen der Waldschlößchenbrücke und den nun eingetretenen Ist-Stand verkleinert wird.

Allerdings eignet sich diese Variante ebenso wenig für einen Kompromiss, wie es die derzeit von CDU und FDP favorisierte Variante 7 tut. Der sogenannte Hilbert-Plan ist sicherlich nicht die beste Idee, war aber unter Abwägung aller Aspekte tragbar.

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