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EU-Richtlinie für Rollstuhlfahrer

In der vergangenen Tagen ist in Zeitungen wie dem Hamburger Abendblatt oder verschiedenen Busgesellschaften (z.B. üstra oder Regiobus) zu lesen, daß eine EU-Verordnung schuld sei, daß in den meisten Omnibussen nur noch ein Rollstuhlfahrer mitgenommen werden darf. Und das ist einfach eine falsche Aussage!

Die EU hat im September 2001 eine Richtlinie verabschiedet, in der viele Regelungen zur Personenbeförderung enthalten sind. Konkret nennt sich das Werk (bitte nicht lachen): Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über besondere Vorschriften für Fahrzeuge zur Personenbeförderung mit mehr als acht Sitzplätzen außer dem Fahrersitz und zur Änderung der Richtlinien 70/156/EWG und 97/27/EG (Richtlinie 2001/85/EG). Darin werden zahlreiche Anforderungen an Busse aufgestellt, so unter anderen auch zur Mitnahme von Rollstuhlfahrern. So wird festgelegt, daß Busse im ÖPNV mindestens einen Platz haben müssen — und es werden Anforderungen an diesen Platz definiert (so u.a. die Größe, die Höhe der Türöffner, die Breite der Türen, Sicherungsmaßnahmen, ... ja, auch der Aufkleber für den Rollstuhlplatz ist vorgeschrieben). Die Verordnung ist zugegeben wie für EU-Ebene üblich kleinkariert und erinnert mich eher an ein Pflichtenheft für Fahrzeugbauer.

Im deutschen Recht wurde diese EU-Verordnung im Februar 2005 in der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO, nicht zu verwechseln mit StVO) aufgenommen. So erwartet §30d, daß Busse im ÖPNV mit über 22 Fahrgästen dieser Richtlinie entsprechen. In diesem Zusammenang wurde auch §34a modifiziert:

(1) In Kraftomnibussen dürfen nicht mehr Personen und Gepäck befördert werden, als im Fahrzeugschein Plätze ausgewiesen eingetragen sind und die im Fahrzeug angeschriebenen Zahlen der Sitzplätze, Stehplätze und Stellplätze für Rollstühle sowie die Angaben für die Höchstmasse des Gepäcks ausweisen.

Und kombiniert mit Budgeldkatalog (Nummer 201) und Punktekatalog macht das bei Verstoß 50 Euro für den Fahrer und 70 Euro für den Halter, wenn er dies anordnet oder duldet — sowie für beide jeweils einen Punkt in der Sünderkartei.

Und genau an dieser Stelle ist das Problem für die Materie zu suchen: Die Umwandlung in nationales Recht wurde etwas verkorkst. Anstelle bei Überlastung mit Bußgeld zu ahnden, hätten hier Kulanzregelungen festgelegt werden müssen. Gleichzeitig hätten auch die Verkehrsbetriebe auf diese Regelung reagieren müssen, zum Beispiel bei der Anschaffung neuer Busse (die Regelung gilt übrigens nur für Neuzulassungen) auf die Anzahl der Rollstuhlplätze achten.

Betroffen sind von der StVZO-Regelung aber nicht nur Rollstuhlfahrer, sondern auch normale Fahrgäste. Genaugenommen müßte der Fahrer eines Busses immer genau wissen, wieviele Fahrgäste im Bus sind — und im Falle des Falles den 81. Fahrgast bei einem Bus mit insgesamt 80 Steh- und Sitzplätzen (außer dem Fahrersitz) abweisen. Und wenn man es ganz genau nimmt, dann auch sicher stellen, daß keiner zu viel sitzt (Mutter nimmt Kind auf den Schoß) oder steht ...

Wenn ich mir die Dresdner Linie 61 anschaue ... oder die Essener 142.

Und für dieses Dilemma kann man dieses Mal nicht der EU die Schuld in die Schuhe schieben, sondern wenn dann dem Deutschen Bundestag.

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