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Kunstparker-Awards 2023

Das Ende des Jahres schreitet voran – und dann beginnt die Zeit der Auszeichnungen. Heute feiern wir die Kunstparker des Jahres. Kunstparken ist eine Street-Art-Form und hat eine lange Tradition in Deutschland, auch und vor allem in Hamburg. Es ist eine geistig schöpferische Leistung, ein Kraftfahrzeug so im öffentlichen Straßenraum abzustellen, dass man auf subtile Art und Weise mehr Parkraum im öffentlichen Raum einfordert oder gleich einnimmt. In Barmbek und einigen anderen zentralen Ortsteilen gibt es etablierte Künstlerszenen, die auch in diesem Jahr zahlreiche Artefakte geschaffen haben.

Heute werden die drei besten Werke des Jahres in der Hamburger Regionalliga für Barmbek gekürt.

Platz 3: Der Radweg im Schnee (2023, Blech auf Schnee/Beton)

Der dritte Platz geht an das Kunstwerk “Der Radweg im Schnee”. Auf den ersten Blick erweckt es den Eindruck, es würde niemand gestört und behindert werden. Dem aufmerksamen Betrachter entgeht jedoch nicht, dass das Kunstwerk zum überwiegenden Teil auf einem Radweg installiert wurde. Der Künstler drückt damit volle Unterstützung zur Hamburger Strategie aus, dass Schneeräumung auf Radwegen keinerlei Priorität genießen sollte. Die besondere Originalität dieses Werkes erweist sich aber dadurch, dass durch dieses Kunstwerk eben auch die Schneeräumung auf dem Radweg vereitelt wird. Dafür gibt es 2023 Bronze!

Platz 2: Zwischen Baum und Bügel (2023, Blech auf Erde)

Der zweite Platz geht in diesem Jahr an das Kunstwerk “Zwischen Baum und Bügel”. In der Kunstparkerszene werden Bäume als völlig nutzlos angesehen – es kann ja nicht auf einem Baum geparkt werden. Von Laub, Vogelkot oder Lindenblüten ganz zu schweigen. Es ist jedes Mal aufs Neue eine Frevelei, wenn das Grünflächenamt einen neuen Straßenbaum pflanzt. Was liegt da näher als Bäumen Wurzelschäden hinzuzufügen, damit perspektivisch wieder ein Parkplatz nachwachsen kann? Leider werden viele Bäume deshalb mit Bügeln gesichert – und die hinterlassen leider Kratzer auf dem heiligen Blech. In diesem Falle hat eine Unachtsamkeit des Grünflächenamtes dazu geführt, dass ein Kunstparker direkt zwischen Baum und Bügel posieren konnte. Allein der Mut und das Manövriergeschenk zollen Respekt. Daher ein wohlverdienter zweiter Platz!

Platz 1: Triptychon (2023, Blech auf Beton/Asphalt)

Das Parken in zweiter Reihe ist in der Kunstparkerszene allgemein sehr beliebt, allerdings machen sich die Aktivisten damit ähnlich viele Freunde wie die Letzte Generation auf der Köhlbrandbrücke. Die Zugeparkten, meist Amateure der Szene, fangen an, heftig zu hupen und zu fluchen – und zeigen überhaupt kein Verständnis für diese Kunstform. Oftmals bauen dann die Kunstparker ihre Kunstwerke freiwillig wieder ab.

Und genau das Problem hat der Schöpfer des Kunstwerkes “Triptychon” sehr elegant gelöst – und damit sich einen Traum innerhalb der Kunstparkerszene geschaffen: die Gewissheit, stets eine dauerhaften Galeriestandort zu beanspruchen, ohne dafür Unsummen bezahlen zu müssen. Dazu brauchte es eine Kombination aus Längs- und Schrägparken innerhalb eines Straßenabschnittes. Dabei werden zunächst zwei benachbarte Quer-Parkplätze belegt. Bei der Wahl der Artefakte sollte man stets solche wählen, die nur selten in auswärtigen Ateliers präsentiert werden. An der Stirnseite kann nun sehr entspannt in zweiter Reihe das zentrale Kunstwerk aufgestellt werden. Kein Zweifel, dass der Künstler ein Profi ist: zwei Teile des Triptychons gehören zur selben Fahrschule, das rote Fahrzeug steht seit mindestens Monat unverändert an dieser Stelle. Damit wird Triptychon zum Sieger des Jahres gekürt.

Herzlichen Glückwunsch allen Gewinnern!

Der grüne Pfeil dieser Seite

Seit einigen Jahren schon verwende ich einen grünen Pfeil sowohl als Logo dieser Seite, aber auch als eine Art Marke auf diversen anderen Plattformen. Und häufig kommt dann die Frage auf, warum ich diesen Pfeil verwende bzw. was er denn bedeuten soll.

Sehr viele vermuten dann den Grünen Pfeil aus der Straßenverkehrsordnung (der offiziell Grünpfeil heißt). Doch weder der Grüne Pfeil im Ampellicht, noch der Grüne Pfeil als Blechschild (der Grünpfeil) haben diese Konturen.

Der zweite Vermutung ist der Rettungspfeil von Fluchtwegen. Hier ist die Ähnlichkeit schon größer, die Konturen passen immerhin, aber nicht die Proportionen.

Aber wer nun weiter sucht, es ist vergebens: es gibt keine tiefergehende Bedeutung.

Der Logo stammt von Anfang 2004. Damals ging es los mit sogenannten “Favicons”, also die kleinen Piktogramme, die du in der Browserzeile vor einer bestimmten Webseite siehst. Diese mussten damals möglichst gut mit 16 mal 16 Pixeln erkennbar sein (und sollten es auch heute noch). Viele probierten damals aus, ihre Fotos in so ein kleines Symbol zu pressen. So etwas ähnliches hatte ich mal auf meiner allerersten Webseite gemacht – und bin dann doch froh, diese Idee und dieses Layout lange hinter mir gelassen zu haben:

Im Jahre 2004 habe ich die Seite komplett auf dunkelgrün geschalten. Ich fand das kräftige Grün schön und viel besser als das damals vorherrschende Blau. Damals bastelte ich mit Listensymbolen herum – nur der einfache Punkt war mir damals zu wenig. Und so entstand ein kleiner Pfeil als Listenpunkt, auch sehr gut auf der alten Webseite im Menu zu erkennen:

Und dann dachte ich: den kleinen Punkt kann ich auf 16 mal 16 Pixel skalieren. Er ist einfach gehalten, hat Wiedererkennung, passte eben auch zur Gestaltung der Seite.

Und im Jahre 2013 als ich diese Seite noch einmal komplett überarbeitete, blieb zwar der Pfeil und die Grundfarbe Grün. Aber ich passte den Pfeil an die aufgefrischten Farben an – und seit dem schnitt ich den Pfeil auch aus (so dass dann ggf. weiße oder schwarze Umrandungen entstehen)

Und gegenwärtig bin ich sowohl mit dem Pfeil als auch mit dem Layout dieser Seite zufrieden.

Und falls ihr euch fragt, was es mit den beiden Dreiäugigen auf sich hat: Beim Relaunch der Webseite 2013 wollte ich eine Kopfgrafik haben. Nach der anfänglichen Idee, wechselnde Grafiken zu machen, toppte dann dieses StreetArt-Photo. Zum einen finde ich die positive Grundausstrahlung sehr schön, auch das extrem breite Format passte – und es war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr reproduzierbar. Ich schoss das Foto schon 2008. Es war auf dem Lido (Schlesische Straße, Kreuzberg) gemalt worden, doch 2013 schon längst übermalt. Wie bei StreetArt wohl üblich, weiß man wenig/nix über die Urheber, aber die Urheber haben eine Handschrift – und dann entdeckte ich auch an anderen Stelle diese Dreiäugigen, z.B. ebenso aus Berlin

Grunderwerbssteuer

In Thüringen wird die Grunderwerbssteuer gesenkt. Von 6,5% auf 5%. Wer also künftig eine Wohnung oder Haus erwirbt, zahlt also bei 400.000€ Kaufkosten künftig 6.000€ weniger. Klingt doch toll, sollte man meinen. Und deshalb freut sich auch vor allem Jens Spahn in seiner Villa darüber:

Eine niedrige Grunderwerbssteuer erleichtert den Traum vom Eigenheim. Häuslebauer werden dank der CDU Thüringen endlich entlastet. Mario Voigt hat Recht: Wir können als CDU richtige Positionen nicht aufgeben, nur weil auch die falschen sie richtig finden.

An Verlogenheit ist die CDU in diesem Fall nicht zu überbieten.

Rundgang durch Treptow-Köpenick

Von 2011 bis 2016 saß ich als gewähltes Mitglied in der Bezirksverordnetenversammlung Treptow-Köpenick von Berlin und durfte fünf Jahre lang aktiv an den politischen Entscheidungen mitwirken. Das ist nun auch schon wieder einige Jahre her. Und ich habe die Gelegenheit genutzt, nach all den Jahren mal wieder einen Besuch abgehalten – und habe die Orte der wesentlichen Debatten erneut aufgesucht.

Aiwanger und das Flugblatt

Zugegeben: wenn ich mehr Zeit hätte, würde ich häufiger bloggen. So bleibt in der Regel nur die Spitze des Eisberges über. Und die ist dieser Tage die bayrische Ulknudel Aiwanger.

Als er vor zwei Jahren mit seiner Biergarten-Kumpel-Rede auf sich aufmerksam machte, wirkte er wie ein Shooting-Star am bayrischen Kabarett-Himmel in den Fußstapfen von Stoiber:

Auch das Duett mit Gerlach zu Faxen und Online-Zugangs-Gesetz wäre weniger lustig, wenn das nur ein Sketch der Heute-Show gewesen wäre:

Zuletzt fiel er allerdings nur noch durch verwirrte Sätze auf:

Jetzt ist der Punkt erreicht, wo endlich die schweigende große Mehrheit dieses Landes sich die Demokratie wieder zurückholen muss

Ein Minister leugnet die demokratischen Prozesse und nimmt sich heraus, für eine wie auch immer geartete schweigende Mehrheit zu sprechen (Sarah Bosetti stellte bei extra3 diesen Satz in Kontext zu Gaulands Auswüchsen.)

Nun ist es aber doch ein wenig ernster geworden: ein Flugblatt als Gewinnspiel für einen Freiflug nach Dachau ins KZ. Man mag sicherlich diskutieren, wie ernst oder überspitzt so ein Zettel sein soll, in jedem Fall überstieg es nicht nur die Grenzen des Geschmacks.

Beeindruckend ist allerdings, wie unsouverän er damit umgeht. Anstelle dieses Pamphlet als eine Jugendsünde hinzustellen, von der er sich heute aufs Schärfste distanziert (oder wenigstens die Autorenschaft glaubhaft leugnet), kommen tagtäglich Puzzlesteine dazu, die kein klares Bild abgeben. Erst scholzt er herum und kann sich nicht erinnern. Dann war es der Bruder und er hat die Dinger nur eingesammelt. Es soll ein einschneidendes Erlebnis für ihn gewesen sein – und trotzdem die Erinnerungslücken? Die Tagesschau fasste es sehr gut zusammen

Und auch mit der Entschuldigung macht er alles falsch, was man in diese Moment hätte falsch machen können:

Ich bereue zutiefst, wenn ich durch mein Verhalten in Bezug auf das in Rede stehende Pamphlet oder weitere Vorwürfe gegen mich aus der Jugendzeit Gefühle verletzt habe.

Er bereut verletzte Gefühle. Und nicht eine Jugendsünde. Und weist damit die Verantwortung von sich ab. Um im selben Atemzug noch eine Kampagne gegen ihn und seine Partei zu wittern. Es mag sein, dass die SPD in diesem Fall nicht unbeteiligt war und den Stein ins Rollen brachte – und dabei auch den Zeitpunkt nicht dem Zufall überlies. Aber macht es deshalb dieses Flugblatt weniger schlimm?

Ebenso wurde es in Frage gestellt, ob solche Dokumente aus der Schulzeit überhaupt bzw. nach so langer Zeit relevant sein dürfte. Nun, als Minister ist er Person öffentlichen Interesses. Da gelten andere Maßstäbe. Würde er seiner inneren Berufung als Blödelbarde für bayrische Provinzbierzelte nachgehen, wäre das Argument stichhaltig.

Nun musste Söder sich mit der Frage der Entlassung beschäftigten. Und hier gibt es in der bayrischen Verfassung einige Sonderlocken, allen voran dass der Landtag der Ernennung und Entlassung von Ministern zustimmen muss. Bei der Abwahl könnte er sich auf die Opposition verlasen, doch bei der anschließenden Neuwahl könnte es schwierig werden. Aber all das hätte man wenige Wochen vor der Wahl auch hinnehmen können.

Und ohne Pause oder Zeichen der Reue tritt die Ulknudel erneut auf. Ins Deutsche transkribiert sagte er:

In 3 Stunden garantiere ich ihnen, dass wir jedem Ukrainer und Syrer erklären können: Das ist der Wurstsalat und den trägst Du dort an den Tisch – und das Geld, das holt der Andere. Da brauch ich keinen Deutschgrammatikkurs

Mal jenseits der Frage, dass auch Ukrainer und Syrer mit qualifizierten Berufsabschlüssen hier um Asyl suchen, wäre es jedenfalls wünschenswert, wenn der bayrische Wirtschaftsminister wenigstens die aktuellen Regelungen zum Zugang zum Arbeitsmarkt für Geflüchtete kennen würde.

In den ersten drei Monaten nach der Asylantragstellung darf keine Beschäftigungserlaubnis erteilt werden, bei Personen die in einem ANKER-Zentrum wohnen, gilt dies für die ersten neun Monate.

Wie auch immer: es ist nicht so sehr entscheidend, was Aiwanger in seinen Jugendtagen getan hat, es ist viel entscheidender, wie er damit heute umgeht. Für die bevorstehenden Wahlen kann ich nur hoffen, dass die Wählerinnen und Wähler ihm die Chance geben, seiner Passion zum Beruf zu machen: als Blödelbarde in bayrischen Provinzbierzelten. In einem Ministerium hat er jedenfalls nichts verloren.

Monstertunnel

Hamburg braucht dringend neue Schieneninfrastruktur, denn der Norden Deutschlands hängt komplett an wenigen Fäden. Es gibt viele Nadelöhre in und rund um Hamburg. Viele Punkte, die im Falle von Störungen auch den kompletten Norden zum Erliegen bringen können. Und es gibt ebenso viele Hinderungsgründe, damit der Deutschlandtakt im Norden errichtet werden kann.

Das merkt auch der Bund – und treibt gerade vor allem ein einzelnes Schienenprojekt voran: die S-Bahn zwischen Hauptbahnhof und Altona bzw. Diebsteich soll in einen Tunnel verlegt werden, damit auf der sogenannten Verbindungsbahn (das ist die Hauptstrecke zwischen Hauptbahnhof und Altona) künftig vier Gleise für Regional- und Fernverkehr verlaufen. Der derzeitige Projektname des Tunnelprojektes ist der Verbindungsbahn-Entlastungstunnel (kurz VET).

Ich selbst habe noch keine abschließende Meinung, bin dem Vorhaben allgemein offen eingestellt. Ich sehe es als ein Puzzlestein von vielen, damit die Defizite des Nordens gelöst werden. Nun gab es dieser Tage eine Pressemeldung seitens der Initiative Prellbock Altona. In der Taz ist dann folgende Schlagzeile geworden:

„Monster-Tunnel“ ohne Nutzen

Man hätte der Verkehrswende keinen größeren Bärendienst erweisen können. Zerlegen wir aber zunächst diese Headline in ihre beiden Kernaussagen: “Monster-Tunnel” und “ohne Nutzen”.

Monster-Tunnel

Was ist dem Schöpfer dieser Metapher hier in den Sinn gekommen? Wenn man von den Arbeiterpalästen der Moskauer U-Bahn und der einen oder anderen Berliner und Wiener U-Bahn-Station absieht: die meisten Tunnelstationen werden keinen Wettbewerb in Schönheit gewinnen. Aber wir sind froh, dass wir U-Bahnen haben. Nicht weil da immer erst Leute in den Untergrund müssen oder Mobilitätsbeeinträchtigte auf einen Fahrstuhl angewiesen sind: wir haben im Untergrund andere Flexibilitäten gerade im urbanen, dichten Bereich. Wenn etwas im Untergrund im Weg ist, dann wird es über- oder unterbaut. Der Schall ist besser als auf aufgeständerten Trassen. Vor allem haben wir da Platz, den wir oberirdisch nicht haben. Richtig ist aber auch: es ist aufwändiger und ressourcenintensiver.

Warum nun genau diese Trasse ein “Monster-Tunnel” sein soll, und nicht etwa der schon bestehende S-Bahn-Tunnel, der Harburger S-Bahn-Tunnel oder die auch von Prellbock gewünschte zweite Elbquerung in unterirdischer Ausführung? Es erschließt sich mir nicht. Allenfalls die räumliche Nähe zum geplanten Ersatzneubau der Sternbrücke, die einige zur “Monster-Brücke” erklärt haben.

Im Artikel kommt dann ein wirklich bahnbrechendes Argument:

Der neue Tunnel ist für Hamburg-Fans schon ästhetisch ein Problem. Soll doch mit ihm die schönste S-Bahn-Strecke, die aus Altona über Dammtor direkt über die Alster führt, 30 Meter tief unter die Erde gelegt werden.

Aua! Was haben diese Hamburg-Fans in den 70er Jahre bluten müssen, als einige S-Bahnen plötzlich im Tunnel verschwanden und ganz andere Stationen anbanden? Und ehrlich: wer fährt für diese Stationen extra nach Hamburg? Da macht zum einen die Berliner Stadtbahn mehr her, und auch in Hamburg werden wohl wesentlich mehr Fans die U3 nutzen. Und zum anderen können diese Hamburg-Fans dann die Regionalbahn doch nutzen.

Ohne Nutzen

Aber jenseits der Ästhetik von Tunnelbauwerken, wird der Nutzen in Gänze in Frage gestellt. Also nicht die Frage, ob der Aufwand den Nutzen rechtfertigt oder ob die Prioritäten stimmen, sondern der Nutzen als solches. Dies wird auch im Text noch einmal unterstrichen:

“Wir halten das Gesamtprojekt für schädlich.”

Für diese scharfe Formulierung halte ich die Argumente zu schwach. Viele Argumente betrachte ich auch nicht wirklich als Argumente:

An der Überfüllung der beiden S-Bahn-Bahnsteige am Hauptbahnhof mit ihren vier Gleisen zum Beispiel wird sich gar nichts ändern, da die heutigen Gleise 3 und 4 lediglich verlagert würden.

Das ist auf jeden Fall zutreffend. Aber es ist ja auch gar nicht das Ziel der Maßnahme. Für den Regional- und Fernverkehr sollen zusätzliche Kapazitäten geschaffen werden.

Gegenvorschläge: Zweite Elbquerung und Ring

Im Teaser werden zwei Gegenvorschläge gemacht:

Besser wäre eine zweite Elbquerung und eine Ring-Bahn, die den Hauptbahnhof entlastet.

Unbestritten brauchen wir auch die beiden Gegenvorschläge – es sind auch piratige Forderungen. Aber doch nicht als Entweder-Oder, sondern zusätzlich. Auch mit den zusätzlichen Gleisen zwischen Altona und Hauptbahnhof besteht immer noch das Risiko des Single-Point-of-Failures. Auch wenn ich vier Regionalbahngleise dann habe, reicht ein schräger Typ aus, der sich auf die Gleise legt.

So könnte die zweigleisige Strecke auf der Verbindungsbahn mit moderner Signaltechnik so aufgerüstet werden, dass dort problemlos die Fern- und Regionalbahn im engeren Deutschlandtakt fahren. Auch wäre der Ausbau des Dammtorbahnhofs von vier auf sechs Gleisen sinnvoll, damit die dort haltenden Regionalzüge die Strecken nicht verstopfen.

Es sind und bleiben zwei Gleise. Unbestritten ist wohl, dass man mit einigen Maßnahmen wie ETCS noch etwas mehr herausholen kann.

Klimabilanz

Auch fürs Klima sei der Bau schädlich. So werden nach Schätzung der Initiative für die insgesamt 16 Kilometer Tunnelröhre und die Bahnhöfe weit über eine Million Kubikmeter Stahlbeton verbaut und etwa 1,35 Millionen Tonnen CO2 freigesetzt, was vom Klimaeffekt her erst nach 250 bis 300 Jahren Bahnverkehr ausgeglichen wäre.

Ich kenne diese konkrete Prognosen nicht. Ich kenne sie für die U5. Wenn diese genauso sind, dann sind sie für die Tonne. Vor allem darf ich dann auch nicht mehr über die zweite Elbquerung reden, wenn ich dieses Argument ernst nehme. Zugegeben: eine seriöse Rechnung wird in so einem komplexen Geflecht nur schwer möglich sein, da sich viele Effekte dann auch auf anderen Strecken wiederfinden. Andererseits muss man sich auch nichts vormachen: es braucht ohne Zweifel jede Menge Beton, allein schon für die Tübbinge.

Kosten

Eine Vorgänger-Studie schätzte 2020 die Kosten auf drei Milliarden Euro. Jung prognostiziert eine ähnliche Steigerung wie in München.

Ja, klar: das wird Milliarden kosten. Aber es sollte uns das wert sein. Jedes Bauprojekt wird erst sehr optimistisch gerechnet, dann wird es teurer. Etwas mehr Ehrlichkeit im Vorfeld wäre immer von Vorteil. Aber wenn es hilft, dann sagen wir eben 20 Mrd.? Dann lasst es uns tun. Die Frage ist immer, was das nichts tun uns kostet. Die Defizite des Nordens lösen sich ja nicht mit Fingerschnipsen.

Profitieren würden vor allem Tunnelbauunternehmen.

Es mag einige überraschen, aber bei jedem Bauvorhaben gibt es Branchen, die davon profitieren. Was sind das für Argumente?

Bauphase

Die ganze östliche Seite des Hauptbahnhofs werde vom Stadtteil St. Georg aus gar nicht mehr zugänglich sein, prophezeit Jung. „Der Hachmannplatz ist zehn Jahre dicht“.

Ein weiteres Argument, was bei mir gar nicht zieht: jede Baumaßnahme hat eben Beeinträchtigungen zu Folge. Es ist eine Frage des Geldes, wieviel man kaschieren möchte und wie die Logistik beim Bau gestaltet wird.

Fazit

Die Debatte, ob wir dieses Verkehrsprojekt brauchen oder nicht, sollten wir führen. Die Argumente, die Prellbock hier ausführen, überzeugen mich leider nicht – vor allem weil sie überspitzt und überzogen sind.

Ich erkenne zweifelsfrei einen Nutzen dieser Maßnahme, bin aber noch nicht überzeugt, ob hier Aufwand und Nutzen im Verhältnis stehen, oder ob andere Lösungen zielführender sind. Teilweise fehlt mir dazu aber auch das Wissen, was exakt hier nötig ist, damit wir ein bestimmtes Niveau dann haben, was für die nächsten Jahrzehnte ausreicht. Das macht es beispielsweise auch schwierig für Bürgerbeteiligung: du kannst eine Umfrage machen, ob mehr Züge von Hamburg in den Norden fahren sollen – oder ob eben diese durch den sogenannten Monster-Tunnel fahren sollen. Die Ergebnisse werden konträr ausfallen.

Neben der Verlegung der S-Bahn könnten aber auch zwei Regionalbahngleise in den Untergrund gelegt werden – vielleicht ist das eine günstigere Maßnahme (da dann bspw. keine Bahnhöfe festgelegt werden müssen).

Allgemein bin ich Freund von konstruktiven Vorschlägen. Also lehne das Vorhaben nicht ab, sondern stelle Anforderungen so, dass du mit dem Ergebnis besser leben kannst oder manchen Kritikpunkt zum Pluspunkt umwandeln kannst. Und Vorschläge zur Stationsgestaltung sind Willkommen, aber beispielsweise auch, wie am Dammtor die künftigen Umstiege verbessert werden können.

Das Werden einer Wohnstadt

Ein Hoch auf das Ende des Urheberrechts 70 Jahre nach dem Tod – so ist nämlich folgende Perle nun gemeinfrei:

Es zeigt, wie einige Gebiete in Hamburg (Jarrestadt, Dulsberg, …) in den 20er Jahren geplant worden sind. Und vor allem, wie sie sich von den Altbauten unterschieden. Im Fokus war damals – wie auch heute – auf einer überschaubaren Fläche möglichst viele Wohneinheiten zu schaffen. Und dabei auch Aspekte wie Licht nicht vernachlässigen. Im Buch sind viele Karten, die das Entstehen einiger Ortsteile besser erklären.

Mehr zur Historie der Jarrestadt

Benachrichtung bei der Bahn

Eine einfache Fahrt von Hamburg nach Frankfurt mit dem ICE, anschließend Weiterfahrt mit S-Bahn. Abfahrt in Hamburg 07:23, Ankunft in Frankfurt gegen 11:00 Uhr, dort ca. 15 Minuten Umstieg zur S-Bahn.

Ich erhielt in Summe 13 (!) Benachrichtigungen über zeitliche Verzögerungen, die Hälfte noch bevor ich überhaupt in den Zug einstieg. In dieser Form ist es einfach nur nervig und unnütz.

  • 06:25: Anschluss (voraussichtlich) nicht erreichbar (+2 Minuten in Hamburg, +3 in Frankfurt)
  • 06:31: Anschluss wieder erreichbar (+2 in HH, +2 in F)
  • 06:36: Anschluss (voraussichtlich) nicht erreichbar (+2 Minuten in Hamburg, +3 in Frankfurt)
  • 06:46: Anschluss wieder erreichbar (+3 in HH, +2 in F)

Ich finde es so schön, wie präzise die Bahn ihre Prognosen im Minutentakt einige Stunden im Voraus aktualisieren kann. Aber dann:

  • 06:52: Änderung der Abfahrt: +12 Minuten (in Frankfurt: +8)
  • 06:52: Anschluss (voraussichtlich) nicht erreichbar (+12 Minuten in Hamburg, +8 in Frankfurt)
  • 06:54: Änderung der Abfahrt: +7 Minuten (in Frankfurt: +3)

Vor der eigentlichen Abfahrt habe ich schon 7 Meldungen erhalten.

  • 07:22: Änderung der Abfahrt: +18 Minuten (in F: +14)
  • 07:46: Änderung der Abfahrt: +19 Minuten (in F: +19. Und ganz wichtig: die einst geplante S-Bahn wäre dann schon pünktlich abgefahren. Als ob die Bahn nicht gleich eine neue Verbindung hätte ausgeben können)
  • 08:37: Änderung der Ankunft: +30 in F
  • 11:42: Änderung der Ankunft: +45 in F (und ganz wichtig: die nicht mehr erreichbare S-Bahn hat auch 4 Minuten Verspätung)
  • 11:44: Änderung der Ankunft: +45 in F (identische Mail)
  • 11:53: Änderung der Ankunft mit S-Bahn: +7 Minuten (also die S-Bahn, in die ich ohnehin nicht mehr einsteigen kann)

Wenn die Bahn eine dreiviertel Stunde Verzug hat, so interessiert mich die Verspätung einer nicht mehr erreichbaren Verbindung gar nicht mehr. Teilweise zeigt die Verbindungssuche pünktliche Ankunft an, wenn der nicht erreichbare Anschlusszug pünktlich ist. Mir würde viel mehr nützen, welche Verbindungen sich nun ergeben. Ob ich das noch im Jahre 2023 erleben kann?

Kurz vor Erfindung des Stadtplanes

Ich habe das Gefühl, Hamburg steht kurz vor einer wichtigen Erfindung. Was könnte es wohl sein?

Hier in der Nähe wird eine Straße saniert. Dazu sind Sperrungen und Umleitungen nötig. Umliegende Gebiete wurden nun informiert, im Briefkasten fanden wir folgenden Zettel:

Zwei DIN-A4-Seiten voll mit Fließtext, die messerscharf genau erklären, wann wie wo an welchem Tag eine Straße oder Kreuzung nicht passierbar ist. Und das in einem Gebiet, wo die Straßennamen nicht den Hauptstraßen folgen und die Hauptstraßen alle paar Meter den Namen ändern. Wer nicht die genauen Hausnummern der Straßen im Blick hat, sollte also die Straßen mal bei Gelegenheit ablaufen.

Wenige Tage später entdecke ich an einer Bushaltestelle folgenden Zettel:

Die Verkehrsbetriebe untermauern die Umleitungen immerhin mit Bildern. Wenngleich der Text maximal unverständlich ist. Was meinen sie mit “Zurück”? Und wo finde ich eine verlegte Haltestelle? Und welchen Zweifel hegen die Verkehrsbetriebe, wenn sie “voraussichtlich” vier Tage schreiben?

Man könnte also sagen: Wir stehen in Hamburg kurz vor der bahnbrechenden Erfindung: der Stadtplan.

Im Studium bläute man mir schon im ersten Semester ein, dass ein Bild mehr sagt, als Tausend Worte. Bei einem Stadtplanausschnitt lassen sich Pfeile einzeichnen, an denen Zeiträume und Besonderheiten beschrieben sind. Und vor allem habe ich auf einem Blick, wann genau mich welcher Teil dann betrifft.

Diese Umbaumaßnahme scheint aber auch andere typische Hamburger Besonderheiten zu haben:

  • Der Landesbetrieb für Straßen fühlt sich nicht zuständig, die Busumleitungen abzuklären und mit anzukündigen. “Es wird rechtzeitig auf Änderungen im Busbetrieb hingewiesen.”
  • Ergeben sich beim Lesen der zwei Seiten Fließtext Fragen, so gibt es vorderseitig eine E-Mail-Adresse. Eine Antwort scheint es da nicht zu geben. Wozu auch?
  • Die Fahrbahndecken entsprechen nicht mehr dem heutigen Verkehrsaufkommen – die Radwege entsprechen dem auch nicht. Da passiert aber nichts.
  • Durch Straßensperrungen ist ein Abschnitt entstanden, der in Gänze zur Sackgasse wurde – ohne Warnhinweis.

Wer immer Berlin als Failed State bezeichnen mag: Hamburg steht dem in Nichts nach!