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Corona-Radtouren durch Hamburg

Durch die Corona-Krise gilt ja vor allem Stay-at-Home. Oder viel wichtiger: Stay-Alone. Wenn die Decke auf dem Kopf fällt, dann ist das Fahrrad ein gutes Werkzeug zum Sonne tanken, bewegen und frische Luft holen – auch das sollte dieser Tage nicht unterschätzt werden. Aber man sollte auch die Punkte meiden, wo möglichst viele Menschen unterwegs sind. Ein Gang zur Alster ist die denkbar blödeste Idee. Zubmindest bei dem Andrang da…

Also gehen meine Touren eher an den Rand der Stadt. Und trotz aller Wehwehchen mit der nun wirklich bescheuerten Fahrradinfrastruktur in Hamburg, so gibt es hier und da durchaus Perlen! Und so manche kleine Bachläufe kennengelernt

Öjendorf / Wandstal (31km)

Grob entlang der U2 zum Öjendorfer Friedhof bzw. Park und via Wandsetal zurück

  • Start am U-Bahnhof Burgstraße
  • Mit Velo-Route 8 bis Horner Rennbahn
  • Entlang U2 bis Schleemer Bach (Die Strecke ist stellenweise komplett neu gemmacht – und lässt sich gut fahren)
  • Schleemer Bach / Jenfelder Bach / Teilweise Velo-Route 14 (Der Weg an der U-Bahn endet am Schleemer Bach. Ab Da kann man dem Bach folgen. Bei der Glinder Straße teilt sich der Weg – und entlang des Jenfelder Baches fährt man östlich des Friedhofes entlang)
  • Öfendorfer Friedhof (Es gibt mehrere Straßen im Friedhof, sogar der Bus hat mehrere Haltestellen)
  • Öjendorfer Park (Vorsicht beim Imbiss im Nordosten – zu viele Leute)
  • Bruhnrögenredder (A24 queren)
  • Schleemer Bach (Auf der Barsbüttler Straße stadtauswärte hinter dem Tierfriedhof reinfahren)
  • Hohenhorstpark / Alt-Rahlstedt
  • Zum Wandsetal – und dieses komplett zurück via Pulverhofpark, Eichtalpark und Eilbekpark (Im äußeren Bereich wenig Querstraßen, innerhalb des Ringes 2 zu viele Leute)

Geestacht (82km)

An der Elbe bis Geestacht und über Bergedorf zurück

  • Start am Hauptbahnhof
  • Oberhafen-Connection (Grenzwertig viele Leute unterwegs)
  • Entenwerder
  • Kaltehofe (Sehr schöner Weg – auch sehr breit)
  • Tatenberger Schleuse / Dove-Elbe
  • ab da Entlang der Elbe (Fast komplett Straße. Es gibt freigegeben Fußweg, aber sobald Fußgänger ihn benutzen, sind die Abstände nicht mehr einhaltbar)
  • Bis Wohnmobilstellplatz Geestacht
  • B404 (Stellenweise grenzwertig zu befahren, viel Verkehr)
  • Etwas quer feld ein (u.a. Radelsweg, Speckenweg, Horster Damm – aus Ausweg zur B404)
  • Brookdeich (Angenehme Nebenstraße)
  • Grünzug entlang der Bille (Schöner Grünzug)
  • Bobberger Niederung (Ich bin dieses mal nördlich des Flugplatzes vorbei – der eigentliche Weg ist südlich)
  • Radweg entlang B5 (Teilweise sehr gut ausgebauter Weg, stellenweise nur Platten)
  • Horner Park

Wilhelmsburg / Bunthäuser Spitze (42km)

Eine Runde durch Wilhelmsburg mit dem Ziel der Bunthäuser Spitze

  • Start: Hauptbahnhof
  • Oberhafen-Connection (Grenzwertig viele Leute unterwegs)
  • Elbbrücken (ich verfluche die Enge – und hoffe, dass kein Gegenverkehr entgegenkommt)
  • Peute (Großes Industriegebiet. Außerhalb Corona wohl eine NoGo-Area wegen zu viel Schwerlastverkehr. Gehweg für Radverkehr freigegeben)
  • Verlauf der Norderelbe (der Fußweg ist freigegeben, aber da hier einige Radelnde unterwegs sind und er auch nicht die Breite hat, lieber Straße. Da die Straße nur die paar Dörfer anbindet, ist die Straße hier ok)
  • Bunthäuser Spitze mit Leuchtturm (Da, wo die Elbe sich in Norder- und Süderelbe trennt, steht ein alter, kleiner Leuchtturm. Man darf nicht über den Campingplatz rein, sondern der Weg, der beim Eingang um das Areal herum führt. Man kann auf den Leuchtturm die ca. drei Meter hochsteigen)
  • Verlauf der Süderelbe inklusive Unterquerung von A1, Eisenbahn, B75 und Alter Harburger Brücke)
  • Pollhorner Deich (Normalerweise viel Schwerlastverkehr, Corona-bedingt geht es)
  • Loop (bis zum Reiherstiegsknie)
  • Reiherstieger Hauptdeich
  • Klütjenfelder Hauptdeich
  • Veddeler Brückenstraße
  • Elbbrücken (und wieder hoffen…)

Ohlstedt (54km)

  • Start: U Wartenau
  • Fahrradstraße Uferstraße am Eilbekkanal (brechend voll, leider. Am besten meiden)
  • Stormarner Straße (als Umfahrung der Wandse)
  • ab Ring 2: Entlang der Wandse u.a. durch Eichtelpark
  • Im Bereich Zwischen den Auen Abbiegen auf Berner Au / Kupferteich
  • Ab U Oldenfelde entlang der Bahn
  • Volksdorfer Wald
  • Am Volksdorf verläuft westlich der U-Bahn der U-Bahnwanderweg bis zur Endstation
  • Ab Ohlstedt: Kleinbahn-Wanderweg bis Wohldorf
  • Wohldorfer Wald
  • Retour via Alster (u.a. Rodenbeker Quellental – hier gibt es unerwartet steiles Gefälle, Hochenbuchenpark, …) bis Außenalster

Alsterquelle (68km)

Die Alster ist in Schleswig-Holstein ein sehr unscheinbarer Rinnsal. Und erwartet nicht unbedingt etwas fließendes. Es ist eher eine stille Quelle. Mit einem Gullideckel aus Bronze, der zur Zeit unter Wasser steht.

Und so ist auch die Quelle in der Nähe von Henstedt.

  • Holperpisten im Bereich Adolph-Schönfelder-Straße und Saarlandstraße
  • Radweg Pergolenviertel (ca. 1,3km echt guter Radweg)
  • Ab Flughafen gibt es separate Wege, teils über Nebenstraßen. Sehr angenehm.
  • Langenhorner Chaussee (teilweise über Radweg neben der Straße)
  • dann entlang U1 bis Norderstadt-Mitte (häufig wechselt die Seite), weiter entlang AKN-Bahn
  • In Höhe von A Friedrichsgarbe entlang Hauptstraße (Ulzburger Straße – nicht sehr schön)
  • Via Henstedter Weg und Norderstedter Straße bis zum Ziel

Zurück:

  • Über Waldstück/Felder bis A Friedrichsgabe
  • Rantzauer Forst
  • Hartagen/Styhagen (schöne, leere Nebenstraße. Echt guter Asphalt!)
  • ab Ring 3: westlich von Niendorf ist durchgehender Grünstreifen bis Niendorfer Gehege
  • Güterumgeheungsbahn (Auch eine sehr schöne Strecke)
  • Entlang des Kanals Tarpenbek, führt zum Haynspark
  • Eppendorfer Landstraße / Klosterstern / Außenalster

Blankenese (45km).

  • zur Alster, weiter über Leinpfad
  • Durch Haynspark, da gibt es Grünzug entlang Tarpenbek/Eppendorfer Mühlenteich
  • Weiter entlang Tarpenbek und Kollau – hier gibt es etliche Kilometer durchgehender Weg ohne Kreuzungen (sehr parallel zur Güterumgehungsbahn). Sehr schön.
  • Nach Querung der Autobahn ist die Ausschilderung irritierend (Einer der Wegweiser zeigt auf ein Freibad – wo man nicht weiter kommt. Ich nahm die Ausschilderung Richtung Stellingen
  • Entlang Düngelau bis S Stellingen
  • Quer durch Altonaer Volkspark
  • Am Desy vorbei, Blomkamp ist angenehme Nebenstraße
  • Via Simrockstraße und Elbchaussee bis hinter zum Strandweg
  • Von da Retour entlang der Elbe via Övelgönne, St. Pauli Fischmarkt

Fazit

Bei allen Touren habe ich die Erfahrung gemacht: je weiter draußen man ist, um so weniger Leute sind unterwegs – und es fährt sich alleine schon deshalb entspannter. Vor allem werden die Abstände da auch eher eingehalten.

Ich habe viele entfernte Parks und Grünanlagen kennengelernt, von denen ich bisher kaum Kenntnis hatte. Es gibt viele kleine Rinnsale, an denen man radeln kann. Viele nimmt man gar nicht wahr – und oftmals sind diese Grünanlagen auch ganz gut miteinander verbunden. Man muss sie nur finden. Und viele der Wege habe ich beschrieben.

Arnsdorf, die 3.

In der letzten Woche ist erneut Arnsdorf bei Dresden zu unredlicher Berühmtheit dank des Braunen Mobs geworden. Und zwar nicht, weil es das braune Gesindel noch gibt, sondern dass auch die rechtsstaatlichen Prozesse offensichtlich nicht mehr funktionieren. Und die sächsische SPD kommunikativ völlig versagte.

Was war passiert? Vor reichlich drei Jahren stürmten vier Irre in Arnsdorf eine Kaufhalle, in der es eine Meinungsverschiedenheit mit Sprachbarriere zu Mobilfunkguthaben gab und fingen eine Schlägerei an. Als die Polizei eintraf, fand sie einen Menschen, der gerade in der Nervenklinik in Behandlung war, vor, der mit Kabelbindern an einem Baum befestigt wurde. Der Polizeipräsident griff danach noch mächtig in die Scheiße, der dieses Vorhaben als sinnvoll bzw. notwendig abhandelte, obwohl Freiheitsberaubung ganz klar eine strafbare Handlung darstellt.

Der Fall kochte 2017 erneut auf, als das Strafverfahren eingestellt worden war, bei der es unter anderem Drohungen gegen den Staatsanwalt gegeben haben soll (siehe Straffreie Fesselspiele).

Danach wurde es wieder ruhig um Arnsdorf, zumindest bekam ich davon wenig mit. Das meist stand nur hinter einer Bezahlschranke der Sächsischen Zeitung.

Die Bürgermeisterin positionierte sich zu den unredlichen Vorfällen, wurde bedroht und nahezu allein zurückgelassen. Der braune Mob tobt und bedroht. In dessen Folge gab eine politische Fraktion („Buntes Arnsdorf”) schon auf. Und die Bürgermeisterin bekam einen Burn-Out.

Mitte Oktober erschien in der Taz ein Interview mit ihr, dass den Titel trug: Jetzt stehst du ganz alleine da

Unbedingt Lesenswert!

Der sächsische Innenminister fordert Kommunalpolitiker auf, Anzeigen zu stellen. Die folgten. Doch es gab kaum Unterstützung oder Ermittlung durch die Polizei.

Noch viel erschreckender finde ich die SPD, die es in dieser Zeit nicht schaffte, sich klar hinter ihre Bürgermeisterin zu stellen. Das erinnert ein wenig an den Mordfall Walter Lübcke, wo die CDU nicht die Kurve bekommt, klar Haltung einzunehmen.

Als ich am 21.11. die Webseite der SPD im Landkreis Bautzen aufruf, stellte ich fest, dass ihr Name nicht mehr auftauchte. Wie ausradiert. Selbst im Vorstand, wo sie am 13.11. noch aufgeführt wurde, ist sie verschwunden. Erst durch Nachfrage, fühlte sie die SPD genötigt, überhaupt ein Statement abzugeben:

Martina Angermann hat als Bürgermeisterin in Arnsdorf einen großartigen Job gemacht. Ihre Position gegenüber den Angriffen auf die Demokratie ist untadelig und verdient unsere Solidarität. Martina Angermann bat aus persönlichen Gründen von der Aufgabe im SPD Kreisvorstand entbunden zu werden. Daher findet Ihr sie nicht mehr auf der Vorstandsseite.

Tolle Worte. Nur komplett zu spät. Und nicht nur der Kreisverband. Als das Kind in den Brunnen gefallen war, wachten einige in der SPD auf. Zu spät: Denn die Braunen hatten ihr erstes Etappenziel geschafft: Einen Abwahlantrag im Gemeinderat, dem die Bürgermeister durch einen Antrag auf vorzeitigen Ruhestand zuvorkam.

Sachsen im Jahre 2019.

Warum Hamburg nicht diesen Radentscheid braucht

Im ersten Teil schrieb ich, warum Hamburg einen Radentscheid (und vor allem ein Mobilitätsgesetz) braucht, in diesem Teil beschreibe ich, warum es nicht diesen benötigt.

Nach gut eineinhalb Jahren Arbeit habe ich mich aus dem Team zurückgezogen. Als einstiger Gründer spricht so eine Entscheidung durchaus Bände. Ich war auch nicht der Erste, der sich zurückgezogen hat. Auch andere in der Hamburger Fahrradszene aktive zogen sich zurück. Während ich letztes Jahr auf Weltreise war, nutzte ich die Gelegenheit, von außen auf das Team zu blicken.

Warum Hamburg einen Radentscheid braucht

(Radentscheid = Volksentscheid zur Verbesserung des Radverkehrs)

Dies ist der erste Teil. Der zweite Artikel trägt den Titel: Warum Hamburg nicht diesen Radentscheid braucht. Und im Dritten erläutere ich die Ziele.

Vielleicht hat es der eine oder andere schon mitbekommen: meine Wege führten mich Ende 2016 nach Hamburg. Daher endete auch meine aktive Mitarbeit beim Volksentscheid Fahrrad in Berlin. Allerdings war in meinem Koffer die Idee, so einen auch in Hamburg anzustoßen. Aus Gründen! Mit dem Beitrag möchte ich einiges zur Motivation sagen, zu meiner bisherigen Einschätzung und was ich aus Berlin mitgenommen habe.

Die A100-Verschwörung von Treptow

Zwei Meldungen, die ich in diesen Tagen so beiläufig aufgeschnappt habe:

  • Auf der Elsenbrücke wurden Risse in der Konstruktion festgestellt – allerdings nur in der östlichen Fahrbahn (also Richtung Friedrichshain) – Siehe Berliner Zeitung
  • Das Kino am Treptower Park soll abgerissen werden, auch wenn der Inhaber noch nichts davon weiß (siehe Berliner Zeitung)

Hoppla, da ist zur Zeit der Weiterbau der A100 politisch nicht durchzusetzen – und plötzlich hat die Elsenbrücke Risse. Aber auch nur auf der Seite, deren Abriss nötig wäre, um die A100 durchzuziehen – denn der Abstand zwischen Elsenbrücke und Bahnbrücken ist zu gering.

Selbstverständlich wird der Radstreifen gestrichen, Fußgänger werden auf den Gehweg verbannt. Die BVG kappt die Busverbindungen und schneidet den Treptower Park ab. Ganz so, als ist das Mobilitätsgesetz noch nicht in den Köpfen der Verwaltung angekommen. Nun kommt Bezirksbürgermeister Oliver Igel angerannt – und fordert den Weiterbau der A100:

Die Probleme mit der Elsenbrücke zeigen uns, in was für einem Dilemma wir stecken. Da brauchen wir nicht den Bau einer Behelfsbrücke an dieser Stelle. Dann wird dort in ein paar Jahren wieder gebaut und die Autofahrer stehen in unserem schönen Treptower Park im Stau. Der Weiterbau der A 100 nach Friedrichshain ist im Bundesverkehrswegeplan bereits enthalten. Wir sollten dafür jetzt das Planfeststellungsverfahren in die Wege leiten.

Ich bin kein Freund von Verschwörungen, aber hier kam der Riss manchen wohl zu gelegen, um das aktuelle Leid mit noch schrägeren Forderngen zu verbinden. Es ist kein Geheimnis, dass Oliver Igel kein Freund der Verkehrswende ist. Ansonsten würde er nicht darauf hinarbeiten, dass bei künftigen Rissen die Auswirkungen noch dramatischer ausfallen werden.

Sachsenbashing

Als gebürtiger Sachse gibt es so manche Momente, wo ich mich für Sachsen schämen muss. Und das wurde in den letzten Wochen sehr stark auf die Probe gestellt.

Es ging los mit dem sogenannten Hutbürger, der sich heftig artikulierend vor eine Kamera stellte und betonte, nicht gefilmt werden zu wollen – und genau damit zum Politikum wurde. Vermutlich gewollt. Sonst hätte man solche Wünsche nicht vor, sondern hinter der Kamera geäußert. Nun könnte man meinen: Gut, ein Troll, der seine 15 Minuten Ruhm suchte. Aber er ist auch Mitarbeiter des sächsischen Landeskriminalamtes. Solche Personen sollten eigentlich wissen, wie sie sich zu verhalten haben, vor allem sollten sie auch mit der Rechtsmaterie besser vertraut sein. In der Aufzeichnung erklärte er, den Kameramann verhaften zu wollen. Diese sogenannte “Jedermanns-Haft” (§127 StGB) gibt es, sie setzt aber Fluchtgefahr oder Mangel an Identitätsfeststellung voraus – beides hier nicht gegeben.

Die Polizei schritt ein, stellte aber nicht sicher, dass der Journalist weiter arbeiten konnte, sondern analysierte gründlich den Presseausweis. Nicht nur einmal, mehrfach. Gesamtdauer: eine dreiviertel Stunde. (Siehe ZDF). Unmittelbar nachdem der Vorwurf bekannt wurde, nahm der sächsische Ministerpräsident schon klare Stellung zur Streitfrage:

Die einzigen Personen, die in diesem Video seriös auftreten, sind Polizisten. […]

Da fragt man sich schon, welchen Stellenwert so eine Aussage zu diesem Zeitpunkt überhaupt haben kann.

Das Chemnitzer Stadtfest wurde durch einen Mord überschattet. Zwei Tatverdächtige wurden verhaftet. Das Verfahren läuft.

Obwohl der Mordfall noch nicht abschließend aufgeklärt ist (also ob der Tatverdächtige auch der Täter war), werden sofort Fragen nach seinem Aufenthaltsrecht sowie dessen Vorstrafen laut. Das sind ja für den Einzelfall auch berechtigte Fragen. Aber sie passieren nicht mit der Zielstellung, dass bei bestimmten Vorstrafen künftig generell ein stärkeres Auge auf die Personen geworfen wird, sondern um bestimmte Leute des Landes zu verweisen. Welchen Unterschied macht es am Ende, ob er hier diese Tat begangen hat – oder im EU-Mitgliedsstaat Bulgarien (nur weil zuständigkeitshalber da das Asylverfahren läuft)? Überschattet wird das Ganze dann noch von jeder Menge Falschmeldungen (mehrere Tode, Sexualstraftaten, …).

Es ist völlig legitim, zu trauern und auch öffentlich Mitgefühl kund zu tun. Aber das passierte nur am Rande: Der Mord wurde instrumentalisiert. Und zwar so, dass ich den Eindruck bekommen habe, dass hier endlich ein Vorwand gefunden wurde, um mal richtig schön Hass und Dampf abzulassen. Das Satiremagazin extra3 hat, so bitter es auch klingt, die Situation zu den Hitler-Grußzeichen, Hitler-Sprechchören und das Zeigen nackter Hinterteile auf den Punkt gebracht

Eine in unserem Kulturkreis eher ungewöhnliche Art der Trauerbewältigung.

Dem stand eine Polizei gegenüber, die hoffnungslos unterbesetzt war – und das obwohl diese Szenarien vorhersehbar waren. Und wieder ist es Ministerpräsident Kretzschmer, der nicht in der Lage ist, klare Statements zu unserer Demokratie abzugeben, wo sie nötig sind. Und genau das färbt dann auf Chemnitz und Sachsen ab.

Dafür war er um so schneller, als die Wortverschmelzung “Pegizei” (für Pegida und Polizei) die Runde machte:

Meine Meinung habe ich deutlich gesagt. Sie hat sich nicht geändert. Aufarbeitung der Polizei zeigt Ordnungsmäßigkeit des Einsatzes. Ich bin ein überzeugter Verteidiger der Pressefreiheit und eines sachlichen Meinungsstreits. Den hashtag “Pegizei” halte ich für unverantwortlich!

Unterstrichen wird das ganze noch von dem Ereignis, dass der Haftbefehl gegen den Tatverdächtigen von Chemnitz veröffentlicht wurde – und in vielen braunen Kreisen herumgereicht wird. Zum Vergleich: als ein Bremer Abgeordneter, beruflich Bundespolizist, ebenso diesen Haftbefehl weiter verteilte, gab es postwendend eine Hausdurchsuchung. Ob selbiges bei den Brandstiftern in Sachsen bis heute durchgeführt wurde, ist bislang nicht bekannt. Der Kreis des potentiellen Leakers verkleinerte sich, bis dieser gestand. Nach dessen Suspendierung gab es ein postwendend ein Jobangebot der AfD-Fraktion in Baden-Württemberg. Das spricht für sich schon Bände.

Nun gibt es sogenannte Bürgerdialoge. Doch mal ehrlich: Was bringen diese? Hier hat sich eine Journalistin des ZDFs mal reingehört:

So hörte sich Monologe an, denn die Moderatorin konnte kaum einen Satz ohne Zwischenrufe sagen.

Ein weiteres Video gibt es hier. Das 25-Minütiger-Zusammenschnitt hier

Mir stellt sich dann schon die Frage, wie ich solche Menschen überhaupt ernst nehmen kann? Oder anders: In welcher Parallelwelt leben einige dieser Menschen? Und wie schafft man es, diese wieder an der Realität teilhaben zu lassen?

Sehr beliebt in diesen Diskussionen ist die Abwehrhaltung, nicht ‘rechts zu sein’ – um genau danach rassistische Argumentationen aufzutischen. Und mit rassistisch beziehe ich mich auf alle Fälle, wo von einem konkreten Fall einer Person auf alle Menschen geschlussfolgert wird, die die selbe Herkunft bzw. Religionszugehörigkeit haben.

Besonders bezeichnend ist in diesem Sprechchören auch immer wieder, dass Angela Merkel für die Flüchtlingsströme verantwortlich gemacht wird. Im Grunde hat dazu Kabarettist Georg Schramm alles gesagt, was es dazu zu sagen gibt:

Zitat von Georg Schramm

Nicht Merkel hat die Flüchtlingsströme ausgelöst. Der Auslöser war, dass den Millionen von Flüchtlingen in der Türkei, Jordanien und dem Libanon von den reichen Industrienationen die Hilfsgelder für die Nahrungsversorgung aus purem Geiz halbiert, gegen alle Warnungen der Fachleute. Dann haben sich Hunderttausende in Bewegung gesetzt.

Georg Schramm, Kabarettist

In einem anderen Video (was ich leider nicht mehr wiederfinde) erklärt eine Passantin, dass die Mitte nun nicht mehr CDU oder SPD wählen würde, sondern AfD. Nein, das ist nicht die Mitte, diese Maske ist schon lange gefallen. Das soll heißen: Man kann schon alle, die in Chemnitz in besagter Demo mitliefen in diesen braunen Topf werfen – ohne jemand falsches zutreffen. Denn auch wenn Menschen mit ganz anderen Absichten irrtümlich in diese Demo hineingeraten sind: spätestens mit Beginn dieser Sprechchöre war klar, welcher Geiste hier vorherrschte und dann muss man eben auch eine Demonstration verlassen. Mir ist nicht zu Ohren gekommen, dass dies eine signifikante Anzahl Menschen getan hätte. Verstärkt werden solche Verurteilungen auch durch die Ergebnisse der letzten Bundestagswahl. 28,1% der Sachsen gaben ihre Zweitstimme einer der beiden zur Wahl stehenden Nazi-Parteien. Das ist leider ebenso eine signifikante Größe. Und die haftet ohnehin schon an Chemnitz bzw. an ganz Sachsen.

Die wirklich Leidtragenden von Chemnitz (oder auch Sachsen allgemein) sind alle anderen, die nun zu Unrecht die Prügel für diesen braunen Mob abbekommen. Denn nur allzu häufig liest man in diversen (sozialen und Presse-)Medien eine Verurteilung von ganz Sachsen. Und die hilft am Ende auch nicht.

Über die Ereignisse rund um die Demos des 01.09. möchte ich jetzt nicht groß drauf eingehen – im Grunde wiederholten sich da nur Ereignisse. Neu war nur noch, dass die Nazis scheinbare Bilder ihrer übermäßig besuchten Demo verbreiteten – und das mit einem Bild der DDR-Revolution 1989 in Leipzig unterstrichen. Ein schönes Beispiel, das aufzeigt, wie blöd die Anhänger sind.

Am 02.09. fand eine weitere Kundgebung im Chemnitz statt, die von der Kirche organisiert wurde und bei der die sächsische Polit-Prominz sprach: Ministerpresident Kretzschmar, Innenminister Wöller, Wirtschaftsminister Dulig und Chemnitz Oberbürgermeisterin Ludwig. Doch ehrlich: Wer von der aktuellen Politik nicht mitgenommen wurde, wird sich bei so etwas erst recht nicht einfinden.

In gewisser Hinsicht wird auch das Gratis-Konzert am 03.09. durch ein Sehen-und-Gesehen-Werden der Parteiprominenz überschattet (hier beispielsweise die SPD). Es zwar zweifelsohne eine löbliche Geste, wenn einige Bands – ohne Gage – den Ruf einer Stadt retten wollen – und 65.000 Teilnehmer ist eine durchaus beeindruckende Zahl in einer 243.000-Einwohner-Stadt. Aber diese Zahl war nur möglich, weil eine immense Mobilisierung auch außerhalb von Chemnitz und Sachsen stattfand.

Nun mag man sich vielleicht fragen, welche Probleme die Menschen vor Ort wirklich haben. In den Kundgebungen werden die Probleme ja meist auf Zugezogene aus anderen Kulturkreisen projiziert, die weder direkt noch indirekt etwas dazu können – und die ja auch, Vorsicht Ironie, sehr zahlreich in Chemnitz bzw. in Sachsen vorkommen. Häufig verbunden mit einer Neiddebatte, wer nun wieviel bekommt. Und häufig mit irgendwelchen Halbwahrheiten und Zudichtungen gemixt. Wenn nun dem arbeitslosen H4-Empfänger wegen unzureichender Bewerbungslage die Sozialleistungen gekürzt werden und dieser auf den FLüchtling schaut, der nicht arbeiten darf…

Die Probleme von Sachsen liegen doch eigentlich woanders. Angefangen von der politischen Wende und den ganzen Treuhand-Skandalen, wo etliche Industrien plattgemacht wurden und häufig Arbeitslosigkeit folgte, hat sich das zwei Jahrzehnte später noch nicht überall davon erholt. Dann hinterließ die Biedenkopf-Alleinregierung große Schäden am Sachsen-Sumpf. Dessen Nachfolger Georg Milbrad toppte das mit dem Landesbank-Skandal. Addiert man nun die derzeitigen Bundesprobleme (Pflege am Limit, Hartz IV, Rente, Explodierende Mieten etc.) mit noch so örtlichen Problemen (der Dresdner Hauptbahnhof wird immer schlechter angebunden) und ergänzt es mit strukturellen Problemen rund um die Landflucht vieler abgehängter Gebiete vor allem in Ostsachsen, könnte das schon ein Bild darstellen, warum Menschen unzufrieden sind.

Was dabei nur allzu gerne auch in Sachsen übersehen wird: Trotz all dieser Wehwehchen geht es auch in Sachsen vielen Menschen besser als noch zu DDR-Zeiten. Erinnert sich noch jemand, wie es in Pirna damals aussah? Ich erinnere mich noch, dass fast jedes dritte Haus in der Altstadt mit Holzpfosten gesichert werden musste, weil es einzustürzen drohte (Verdammt, ich finde kein historisches Foto von der Dohnaischen Straße in Pirna kurz vor der Wende). Längst vergessene Zeiten. Eigentlich sollte man auch froh sein, dass es Frieden gibt – und niemand ernsthaft fliehen muss. Noch nicht.

Man könnte einige der Probleme anpacken. Zum Vorteil nicht nur der Menschen in Chemnitz. Aber unsere Große Koalition will das gar nicht. Im Grunde genommen ist Chemnitz für die Bundespolitik ein Geschenk des Himmels. Juhu, alle schauen nach Chemnitz. Da die bösen Rechten, dort Gesicht zeigen. Die SPD zeigt viel lieber Gesicht, als dass die endlich die Mietenproblematik angeht. Und damit diese Debatten noch fleißig weitergehen, schüttet Sachsens Ministerpräsident Kretzschmer noch Benzin drüber:

Es gab keinen Mob, es gab keine Hetzjagd, es gab keine Pogrome.

Und während die CDU die Wurzel vieler Probleme ist und die SPD mit Leuten wie Olaf Scholz und Andrea Nahles ihre Erneuerung natürlich nicht gebacken bekommt, entsteht für viele wohl ein Vakuum, das die Braunen ausnutzen. Natürlich gibt es Linke, Grüne, Piraten, ÖDP, Freie Wähler etc., aber sie werden dabei kaum in Erwägung gezogen. Wer aber sich von den beiden großen Parteien völlig zu Recht nicht vertreten fühlt, hat noch lange keinen Grund, sich bei Demos unter die Braunen zu mischen. Und wer es doch tut, muss dann eben mit den Verurteilungen leben.

Anmerkung: Nach den unsäglichen Äußerungen von Aiwanger im Jahr 2023 habe ich die Freien Wähler in die Liste durchgestrichen. Bislang nahm ich sie als konservativen Gegenpol zur CDU war, aber sie bekommen gerade keine klare Linie hin.

Mit dem Rad zur Arbeit

Als es nach Hamburg ging, stand auch die Wahl des passenden Verkehrsmittels zur Debatte. Diese war in Berlin sehr einfach, da ich mit dem Fahrrad binnen 5 Minuten in der Firma war. In Hamburg beträgt die Strecke derzeit ca. 20 Kilometer.

Dass der öffentliche Nahverkehr in Hamburg schon extrem grenzwertig ist, ist kein Geheimnis. Wenn es über die Elben geht, dann erst Recht, da vor allem beim Bau der S3 viele Unterwegshalte geschlossen worden sind. Das hieße dann ab Rathaus Harburg oder Harburg mit dem Bus weiter.

Multimodal mit Stadträdern kann man in Harburg dann auch vergessen, da die Stationsdichte einfach unzureichend ist.

Multimodal mit eigenen Rad kann man auch vergessen, da es Sperrstunden im Berufsverkehr (von der Überlast mal ganz zu schweigen) gibt.

Mit dem Artikel möchte ich die Strecke mit dem Fahrrad aufzeigen. Ja, es geht. Es dauert auch gut eine Stunde. Es gibt schöne Bereiche, vor allem zwischen S Veddel und Alter Harburger Brücke. Aber es gibt auch lästige Bereiche.

Im groben habe ich den Weg auf dieser Skizze aufgezeigt:

U-Bahnhof Ritterstraße. Nur halb barrierefrei.

Der U-Bahnhof Ritterstraße wird im Juli barrierefrei ausgebaut – so kündigt es die Hamburger Hochbahn an – und klopft sich damit auf die Schulter, wie toll sie diese Stadt doch für Menschen ausbauen, die auf Fahrstühle angewiesen sind. Sie nennt es das große Lift-Programm und „leisten einen wichtigen Beitrag zur gesellschaftlichen Teilhabe von mobilitätseingeschränkten Mitbürgern und Gästen”. Gefördert wird es von der Stadt Hamburg. Zwei Wochen wird der U-Bahnhof voll gesperrt. Kein vernünftiger Pendelverkehr, nur Schienenersatzverkehr. Danach wird der Bahnhof eine Rolltreppe weniger und zwei Aufzüge mehr haben.

Mobilitätsgesetz

Das Abgeordnetenhaus in Berlin hat heute das sogenannte Mobilitätsgesetz beschlossen – und setzt damit neue Maßstäbe in der Verkehrspolitik.

Auslöser war der Volksentscheid Fahrrad, dem ich im Jahr 2016 mit angehört habe. Ich war an der Erstellung des Gesetzentwurfes der Initiative mit involviert und habe die Unterschriftensammlung im Bezirk Treptow-Köpenick organisiert. Das Ergebnis waren ja über 107.000 Unterschriften (knapp 90.000 gültige).

Das fertige Gesetz kann sich durchaus sehen lassen – und viele zentrale Forderungen sind enthalten. Leider sind auch einige Details herausgefallen, z.B.

  • wird keine Erschließungsdichte mehr festgelegt (ursprünglich 90% der Einwohner binnen 300 Meter)
  • gibt es keine Vorgabe zu Radwegbreiten an Hauptstraßen mehr (ursprünglich 2 Meter)
  • fehlt die Gesamtanzahl der Fahrradstraßen (ursprünglich 350 KM).

Aber so ist es mit Kompromissen mit vielen Beteiligten. Wobei ich auch neidlos anerkennen muss, dass es eine gute Idee ist, die Forderungen nach einem Gesetz zur Förderung des Radverkehres mit den Aspekten des ÖPNV hin zu einem Mobilitätsgesetzes zu vereinen.

Nachmachen!