Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit
Es ist immer wieder erstaunlich, wie häufig uns unsere Richter erinnern müssen. Oftmals sind es die Verfassungsrichter, im Fall von religiös motivierter Beschneidung war es das Kölner Landgericht.
»Moment«, sagen nun die Europas Rabbiner, »wie war das noch mal mit eurer Religionsfreiheit?« — und bezeichnen das Urteil als »schwersten Angriff seit dem Holocaust.«
Doch wer entscheidet eigentlich, welche Religion der Nachwuchs annehmen wird? Doch nicht etwa die Eltern? Die Religionsfreiheit mit der dieses Ritual begründet wird ist die gewisser Hinsicht die selbe Religionsfreiheit, mit der sie dem Kind genommen wird.
Der eigentliche Vorwurf der Staatsanwaltschaft (»eine andere Person mittels eines gefährlichen Werkzeugs körperlich misshandelt und an der Gesundheit geschädigt zu haben«) ist natürlich quark und dem ist weder das Amtsgericht, noch das Landgericht gefolgt. Viel mehr beschäftigte sich das Landgericht mit dem Wohl des Kindes. Aus der Pressemitteilung des Landgerichtes:
Dieser Eingriff sei insbesondere nicht durch die Einwilligung der Eltern gerechtfertigt, weil sie nicht dem Wohl des Kindes entspreche. Denn im Rahmen einer vorzunehmenden Abwägung überwiege das Grundrecht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit vorliegend die Grundrechte der Eltern.
Liest man sich den vollständigen Urteilstext durch (151 Ns 169/11), so ist ein Knackpunkt des Urteils eine Abwägung des Artikel 4 (Freiheit des Glaubens) sowie Artikel 6 (Ehe und Familie) der Eltern mit dem Artikel 2 (freie Entfaltung seiner Persönlichkeit / körperliche Unversehrtheit) des Kindes.
Der Presse war heute zu entnehmen, daß der Bundestag eine Resolution verabschiedet hat, mit der mit Hilfe eines Gesetzentwurfes die religiös motiverte Beschneidung erlaubt werden sollen. Doch was soll so ein Gesetz bringen? Solange die Abwägung im Grundgesetz nicht gelöst wird, wird das Gesetz in Karlsruhe zu Fall gebracht. Dazu muss man kein Jurist sein, um das zu erkennen.
Die einzige Möglichkeit wäre eine Änderung des Grundgesetzes. Doch wollen wir wirklich Artikel 2 abschaffen oder abschwächen?
Dabei befindet sich die Lösung des Konfliktes in der Urteilsbegründung:
Eine Einwilligung des seinerzeit vierjährigen Kindes lag nicht vor und kam mangels hinreichender Verstandesreife auch nicht in Betracht.
Das Kind soll einwilligen. Es soll selbst entscheiden — und den Artikel 2 und 4 selbst für sich in Anspruch nehmen.
Update: So langsam erkennen auch die Abgeordneten, daß diese Entscheidung ein Schnellschuß war.
Bisherige Kommentare (13)
Kommentar von Nadja
Für Juden bedeutet die Beschneidung den Beitritt zum Bund mit G´tt und ist am 8. Tag nach der Geburt durchzuführen. Nachzulesen wäre das im 1. Buch Mose 17, 10-14 sowie 21, 4.
Wie willst Du von einem achttägigen Kind eine Zustimmung einholen?
In Deutschland feiern wir übrigens am 1. Januar die Beschneidung Jesus.
Für Muslime ergibt sich die Pflicht zur Beschneidung indirekt aus dem Koran Sure 3, Vers 95 sowie direkt aus der sunna:
http://islamische-datenbank.de/option,com_buchari/action,viewhadith/chapterno,70/min,20/show,10/
Die Sache dürfte außerdem von Angela Merkel ja schon entschieden sein:
Des Weiteren ist Deine Meinung wohl kaum mit dem Programm der Piratenpartei in Übereinstimmung zu bringen:
„Biologistische Weltbilder, in denen Menschen bestimmter Abstammung anderen als von Natur aus überlegen angesehen werden, sind wissenschaftlich widerlegt und unvereinbar mit den Werten und Zielen der Piratenpartei, ebenso wie jene Ideologien, die ganzen Bevölkerungsgruppen kollektive Hegemoniebestrebungen unterstellen, um die angebliche Notwendigkeit eines »Kampf der Kulturen« zu propagieren. Beispiele für derartige Ideologien sind Antisemitismus und Islamhass. Dabei gilt es das Augenmerk nicht nur auf den rechten Rand der Gesellschaft zu legen, sondern Vorurteilen und Intoleranz auch in der Mitte der Gesellschaft beim Alltagsrassismus, latent antisemitischen Stereotypen und der um sich greifenden Islamfeindlichkeit entgegenzutreten.“
Ist Dein Artikel dazu geeignet, Antisemitismus und Islamfeindlichkeit entgegenzutreten?
Oder möchtest Du einfach nur, dass Deutschland (wie Norwegen) in absehbarer Zeit judenfrei wird?
http://zoelibat.blogspot.de/2012/07/udo-ulfkotte-europa-judenfrei.html
Kommentar von René
Es ist klar, daß von einem achttägigen Kind keine Zustimmung einholbar ist. Von daher erweist sich dieser Abschnitt als nicht kompatibel zum deutschen Grundgesetz (und vermutlich das von einigen anderen Staaten ebenso). Diese Feststellung hat ein Gericht nun getan — und diesen Konflikt aufgezeigt.
Ich sehe absolut keine Berührung zu dem von dir genannten Programmpunkt der Piratenpartei. Wir leben in einen freien Land, da soll bitte schön jeder an das glauben, was er für richtig hält. Nur das religiöse Brandmarken von Kindern kann einfach nicht dazu gehören: das Kind soll frei entscheiden dürfen, ob es die selbe Religion der Eltern trägt, eine andere oder gar keine.
Der von dir erwähnte Beitrag aus der FTD ist die bereits erwähnte Schnellschuß-Resolution.
Und die Piraten haben in einer Schnellabstimmung folgenden Punkt abgestimmt: Bräuche, die in die körperliche Unversehrtheit von Kindern eingreifen, sind abzuschaffen.
Kommentar von Nadja
Lieber René,
Du redest wie ein Politiker, der Du ja auch bist: Von der Materie keine Ahnung — aber Statements zu allem Möglichem abgeben.
Jedes Kind einer Jüdin ist ab Geburt Jude, jedes Kind eines männlichen Moslems ist ab Geburt Moslem — da gibt es keine Wahlmöglichkeit für das Kind.
Manche Moslems gehen davon aus, dass jeder Mensch ab Geburt Moslem (also auch Du) ist.
Das von Dir gewünschte Verbot der Beschneidung von Knaben würde effektiv dazu führen, dass D judenfrei wird — Moslems lassen ihre Knaben in der Regel auf Kosten der Krankenkassen wegen Phimose beschneiden.
Mit Deinem von Dir gewünschte Verbot der Beschneidung von Knaben befindest Du Dich in guter Gesellschaft: In der Sowjetunion wurde das auch so gehandhabt.
Nicht einmal die Nationalsozialisten haben den Juden die Beschneidung verboten.
Kommentar von René
Sorry: ich lehne Zwangsmitgliedschaften von Religionen von Geburt an ab. Ein Kind einer Jüdin ist erst einmal nur ein Kind einer Jüdin — bis es von sich aus zu dieser Religion bekennt.
Was persönliche Angriffe sollen, nun gut. Der Rest ist mir zu polemisch.
Kommentar von Nadja
Lieber René,
bitte nicht so dünnhäutig — im Verlauf Deiner weiteren (politischen) Karriere wirst Du noch mehr persönlichen Angriffen ausgesetzt sein.
Zitat (von Dir): »Sorry: ich lehne Zwangsmitgliedschaften von Religionen von Geburt an ab.«
Gilt das Deiner Meinung nach auch für Muslime oder nur für Juden?
Viele Grüsse, Nadja
Kommentar von René
Weitere politische Karriere — alles klar.
Ansonsten weiß ich nicht, was an meiner Formulierung unklar sein soll. Der Ausspruch gilt übrigens auch für Christen: hier könnte man durchaus auch die Taufzeremonie in Frage stellen — nur ist die keine irreversible Brandmarkung.
Im Übrigen sehe ich die Sorge vorm Aussterben von Religionen weniger. In der Regel wird ein Kind durch die Erziehung von den Eltern geprägt. Aber letztendlich ist es in seinem Geiste frei...
Rein logisch betrachtet: welche Religion sollte denn ein Kind von Geburt an annehmen, wenn die Eltern verschiedener Religionen angehörig sind? Nebenbei: sind Doppelmitgliedschaften eigentlich erlaubt?
Kommentar von Nadja
Deine erste Frage will ich mit einem Kommentar aus einem anderen Blog beantworten:
Wenn ein islamischer Mann eine Frau nichtislamischen Glaubens heiratet (z.B. eine Christin oder eine Jüdin), so darf die Frau ihren Glauben behalten. Sie muß nicht muslimisch werden. Die Kinder müssen aber muslimisch erzogen werden.
Wenn ein nichtislamischer Mann eine Frau islamischen Glaubens heiratet, so muß er Mohammedaner werden. Und die Kinder müssen ebenfalls islamisch erzogen werden.
Diese Aussage ergibt sich zwingend aus der Sharia, bevor Du wieder Unsinn schreibst, sage ich Dir lieber gleich, dass die Sharia auch an deutschen Gerichten im Rahmen der Beachtung der Grundsätze des internationalen Privatrechts Anwendung findet.
Juden sollten aus jüdischer Sicht keine Nichtjuden heiraten, so dürfen in Israel keine Ehen geschlossen werden, wenn einer der beiden Partner kein Jude ist — selbst zwei Christen dürfen in Israel in (heterosexueller Variante) nicht heiraten. Israel kennt aber im Ausland geschlossene Ehen an.
Christen (beiderlei Geschlechts) dürfen Nichtchristen heiraten, dazu gibt es explizit eine Bibelstelle im Neuen Testament: 1. Korintherbrief 7:12-14.
Für andere Religionskombinationen solltest Du das selbst recherchieren.
Nebenbei: Doppelmitgliedschaften sind aus Sicht der jeweiligen (monotheistischen) Religion nicht erlaubt, praktisch dürfte aber das Kind einer Jüdin und eines Muslims aus jüdischer Sicht Jude und aus muslimischer Sicht Muslim sein.
Siehst Du, wohin unsere Diskussion führt?
Wie ein waschechter Politiker gibst Du Deinen Senf zu einer Sache ab, von der Du eigentlich keine Ahnung hast und führst jetzt die Diskussion auf Nebengleise.
Kommentar von René
Menschen anderer Meinung keine Ahnung zu unterstellen zeugt nicht gerade von guter Diskussionskultur. Ansonsten ist die eigentliche Diskussion, die Urteilsbegründung, praktisch auch abgeschlossen.
Die Fragen zum Schluß waren rhetorischer Natur. Das Aufzwingen einer Religion in Folge einer Ehe ist übrigens auch nicht konform mit unserem Grundgesetz, Artikel 4:
Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.
Ich verweise ansonsten nur noch auf das Grundsatzprogramm der Piraten zum Thema Trennung von Staat und Religion".
Kommentar von Nadja
Ich behaupte immer noch, dass Du weder vom Islam noch vom Judentum Ahnung hast.
Ein kleiner Schwank von einem ehehmaligen Arbeitskollegen:
Er war der Meinung, es wäre eine gute Idee, sich mit einer Azubine privat zu verabreden. Jedenfalls landeten die beiden irgendwann im Bett und mein Kollege dachte an einen One-Night-Stand, bis ihn dann die Brüder und Cousins dieser Azubine aufsuchten und mit ihm den Sachverhalt ausdiskutierten.
Lange Rede, kurzer Sinn:
Dieser Kollege ist heute mit der Azubine verheiratet, nachdem er zum Islam konvertierte.
Merkst Du, wo Dein Denkfehler ist?
Niemand ist gezwungen, eine Muslima.., danach muss auch niemand heiraten und vorher konvertieren.
Kommentar von AT
Den möchte ich sehen, der mich dazu bringt, irgendeiner Religion beizutreten. Eher verliert derjenige seinen Glauben.
Und sollte mit massiver Gewalt gedroht werden (Aufsuchung durch Brüder und Cousins) ist das eindeutig ein Fall für die Polizei.
Kommentar von AT
Nachtrag: Das Verhalten der Cousins und Brüder hat übrigens nichts mit ihrer Religion zu tun, sondern entspringt ihrer (nach unseren Maßstäben) etwas verdrehten Ehre und der Wahrung derselben. Das wiederum entspricht ihrer Kulturstufe, die (leider) nur wenig von der Barbarei entfernt ist. (Die starke Betonung und Auslebung einer Religion ist Teil einer Kulturstufe, nicht umgekehrt)
Im Grunde haben wir hier kein Problem mit anderen Religionen, sondern eben mit unterschiedlichen Kulturstufen. Wie z.B. eben mit solchen Kulturstufen, in denen Zwang und Nichtgleichberechtigung noch normal sind.
Kommentar von René
Du beschreibst gerade den Tatbestand einer schweren Nötigung (Zwangsehe ist zur Zeit noch kein eigener Straftatbestand).
Anstelle irgendetwas zu rechtfertigen, wäre in meinen Augen Zivilcourage angebracht. Im Zweifel gibt es sogar Beratungsstellen, in denen Opfer professionelle Unterstützung bekommen können.
Ansonsten hat die Diskussion auch nichts mehr mit der eigentliche Debatte zu tun.
Kommentar von René
Ich habe die Kommentarfunktion für diesen Beitrag vorrübergehend deaktivieren müssen und habe vier Kommentare von zwei Nutzern gelöscht. Zum einen taten sie nichts mehr zur Sache. Zum anderen kann ich Begeisterung für die Ausübung schwerer Strafdelikte leider nicht tolerieren.
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