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Recht

Und wieder mal Linkhaftung

Aus dem Impressum des Landgerichts Karlsruhe:

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Und genau dieses Gericht faßt dann auch solche Beschlüsse, in dem es nicht nur auf die Haftung für das Setzen von Links bestätigt, sondern auch dem Leser die Internetwelt wieder erklärt wird. Beispielsweise in der Unterscheidung zwischen eines »einfachen Links« und einer »Sprungmarke« (wobei es sich nach meinem Verständnis um eine nicht direkt sichtbare Weiterleitung gehandelt hat. Korrgiert mich, wenn ich falsch liege). Oder »die moderne Datenübertragung im Internet« — erinnert sich noch jemand an die Zeiten, als die Bits und Bytes im Morsecode per Rauchzeichen übertragen worden sind?

Trotzdem sollte man auch anmerken, daß es auch andere Beweggründe gab, insbesondere Vorstrafen. Aber die lesen sich in diesem Beschluß nur als unterstützende Nebenfaktoren heraus. Somit bleibt das ganze nur ein fragwürdiger Beschluß, der vor dem Bundesverfassungsgericht nun hoffentlich noch einmal näher erörtert wird.

Hintergrund des Urteils war eine Hausdurchsuchung beim Betreiber der Domain wikileaks.de. Diese Plattform verweist auf ein gemeinnütziges Projekt mit der Top-Level-Domain org. Und auf dieser sind vor kurzem unter anderem die dänische Zensurlisten gegen KiPo erschienen. (vgl. heise, Umgebungsgedanken)

Kochbuch verbrannt

Es gibt Neuigkeiten im Kochbuchstreit: das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg hat nun ein Urteil des dortigen berühmt-berüchtigten Landgerichts zum Theme Forenbetreiberhaftung kassiert.

Denn auch anonym oder unter Pseudonym nutzbare Internetforen stellen ein grundsätzlich zulässiges und auch übliches Geschäftsmodell im Internet dar und stehen unter dem Schutz der Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit.

Die Kosten für die erste Information über die Rechtsverletzung hat hier der Kläger zu tragen, weil diese Maßnahme allein in seinem Interesse liegt, um den Beklagten ggf. bei künftigen Folgeverstößen als Störer in Anspruch nehmen zu können.

Danke, liebes OLG. (Urteilstext, via heise)

Verfassungswidrige Wahlcomputer

Das Bundesverfassungsgericht hat heute geurteilt, daß der Einsatz von Wahlcomputern bei der Bundestagswahl verfassungswidrig waren. Zudem kassiert das Gericht auch gleich die ganze Bundeswahlgeräteverordnung, da sie den Grundsatz der Öffentlichkeit (Transparenz) nicht trägt. Lediglich die Legitimation des aktuellen Bundestages stellt das Gericht nicht in Frage — aber dieses Jahr ist ohnehin Wahljahr. Aus der Urteilsbegründung:

Die Stimmen wurden nach der Stimmabgabe ausschließlich auf einem elektronischen Speicher erfasst. Weder die Wähler noch die Wahlvorstände oder die im Wahllokal anwesenden Bürger konnten überprüfen, ob die abgegebenen Stimmen unverfälscht von den Wahlgeräten erfasst wurden. Anhand der Anzeige auf der Bedieneinheit konnten die Wahlvorstände lediglich erkennen, ob die Wahlgeräte eine Stimmabgabe registrierten, nicht aber, ob die Stimmen von den Wahlgeräten ohne inhaltliche Veränderung erfasst wurden. Die Wahlgeräte sahen keine Möglichkeit einer von der elektronischen Ablage auf dem Stimmspeichermodul unabhängigen Erfassung der Stimmen vor, die dem jeweiligen Wähler eine Überprüfung seiner Stimmabgabe ermöglichte.

Das BVerfG verbietet nicht grundsätzlich Wahlcomputer — und das ist eigentlich auch gut so. Es hat schließlich nicht über die Wahl der Mittel zu entscheiden, sondern nur sicherzustellen, daß es den verfassungsmäßigen Anforderungen gerecht wird. Und diese Hürden kommen allerdings praktisch einem Verbot gleich. Entweder man hat eine Zuordnung zum Bürger (dann ist die Geheimheit verletzt) oder es landet wie bei Nedap in einer BlackBox (dann ist mindestens die Transparanz verletzt). Die Frage lautet dabei: Wie kann man beiden Prinzipien gerecht werden?

Ich versuche mal ein denkbares Szenarion zu konstruieren: Am Wahleingang legitimiert sich der Wähler wie bisher mit einem amtlichen Lichtbildausweis. Anschließend greift er in eine große Lostrommel und zieht eine Nummer (lustig verpackt in einem Überraschungsei). Die Nummer ist hinreichend lang genug und beinhaltet genug Redundanz (zehnstellige Nummern bei 10.000 Wahlberechtigten). Am Wahlcomputer gibt der Wähler zunächst seine Nummer und anschließend seinen Parteiwunsch ein. Dabei erhält er einen Beleg aus dem Drucker — mit irgendeinem Hologramm als Echtheitsnachweis. Da die Zuordnung Person — Nummer geheim ist, könnte am Tag nach der Wahl die komplette Wahlnummern auf der Wahlseite / Tageszeitung / Amtsanzeiger veröffentlicht werden (im Gegensatz zu den Lottozahlen MIT Gewähr). Jeder Bürger kann nun in Ruhe nachprüfen, ob seine Stimme korrekt eingegangen ist. Problem wäre die Geheimheit bei Entdecken eines Wahlfehlers. Dann müßte der Bürger irgendwie anonym der Wahlbehörde den Originalbeleg zukommen lassen. Soweit ein konstruktiver Gedanken, kann gerne in den Kommentaren zerdiskutiert werden.

Zusammenfassend ein gutes und nachvollziehbares Urteil.

(vgl. auch Pressemeldung, CCC, kangaxx)

Marions Kochbuch und die Störerhaftung

Vielleicht erinnert sich noch jemand an Marions Kuchbuch? Das waren die, deren Geschäftskonzept darin bestand, Homepagebetreiber abzumahnen, wenn sie eins der von Ihnen veröffentlichen Bilder verwenden. Nach mehreren Erfolgen beim berühmt berüchtigten Hamburger Landgericht sind diese nun vor dem Oberlandesgericht gescheitert. Schwerpunkt der Auseinandersetzung ist die Störerhaftung bei Urheberrechtsverletzungen für Forenbetreiber.

Übrigens: wer mal Fotos von Lebensmittel veröffentlichen will, kann sich an Lebensmittelfotos.com bedienen — nach dem Motto: »Freie Downloads ohne Abmahnung«.

Die Bürokratie mit eigenen Waffen schlagen...

Wer GEMA-Mitglied ist und auf ein Werk eines anderen Künstlers zurückgreift, muß dieses der GEMA anmelden. Jeden Titel extra. Nun hat einer den Versuch gewagt, die Hürden der Bürokratie mit eigenen Waffen zu schlagen: in dem er nicht nur ein oder zwei Titel zitierte oder neudeutsch sampelte, sondern sage und schreibe 70.200. In den finalen 33 Sekunden sind die Samples nicht mehr hörbar. Persönlich tangiert das Ergebnis nicht unbedingt meinen Musikgewonheiten — aber das ist vermutlich in diesem Fall auch Nebensache. 70.200 Anmeldeformulare sind eine Menge Papier (verwendet die GEMA eigentlich Recyclingpapier?)

Hier geht es zur ganzen Aktion von Johannes Kreidler: product placements (vgl. Umgebungsgedanken)

Andreas Pfitzmann im Tagesschau-Chat

Zum Chatlog in der Tagesschau: Andreas Pfitzmann, Datensicherheits-Experte:

tankwart: Wie schätzen sie die Rolle der Musik und Filmindustrie ein? (Filesharing)

Andreas Pfitzmann: Ich glaube nicht, dass Musik oder Filmindustrie momentan treibend sind. Dr. Schäuble will Terroristen fangen, nicht Raubkopierer. Aber die Erfahrung sagt natürlich: Die in fünf Jahren voll ausgebaute IT-Abteilung des BKA, die leider leider keine durchschlagenden Erfolge gegen den Terrorismus verbuchen wird (die sind so gemein und betreiben ihre Rechner offline), wird dann sagen: Aber wir können vielleicht helfen, dass zwar nicht der Terrorismus ausgerottet wird, aber das Raubkopieren. Und wenn wir nun schon mal die vielen ExpertInnen im BKA bezahlen...

Der Volkstrojaner im Bayern

Auch wenn der sogenannte Volkstrojaner sich nicht so ganz in Einklang mit Grundrechten und Verfassung bringen läßt, müssen die Bayern gleich mal direkt vorbeiziehen: ab ersten August darf der Bayerntrojaner eingesetzt werden:

Im Rahmen einer Online-Razzia sollen die Sicherheitsbehörden auch Daten etwa auf Festplatten löschen oder verändern dürfen, wenn Gefahr für höchste Rechtsgüter besteht. Den Fahndern wird zudem erlaubt, für die Installation von Spähprogrammen auf Zielrechner in die Wohnungen Betroffener einzudringen und diese dabei auch zu durchsuchen.

Nicht nur, daß es damit gegen rechtsstaatliche Prinzipien einer Wohnungsdurchsuchung verstößt: die damit gesammelten Beweise werden damit vor allen angreifbar.

Gefährliche Gegenstände

Realitätsferne Urteile, diesmal ausnahmsweise nicht aus Hamburg, sondern aus München:

Ein mit dem Internet verbundener Computer steht insoweit einem »gefährlichen Gegenstand« im Sinne der oben zitierten Rechtssprechung gleich.

Und weil die eben so gefährlich sind, sind Eltern sie für urheberrechtliche Delikte des Nachwuchses mit verantwortlich. Konrekt heißt es:

Denn unabhängig von der Notwendigkeit eines einleitenden Belehrungsgespräches erfordert die elterliche Aufsichtspflicht auch eine laufende Überwachung dahingehend, ob sich die Internetnutzung durch das Kind in dem durch die einweisende Belehrung gesteckten Rahmen bewegt.

Das Verfahren ist noch nicht rechtskräftig, aber man möge hoffen, daß bei einer Revision auch die Frage gestellt wird, ob durch so eine Kontrolle — ohne konkreten Verdacht — nicht ggf. auch Artikel 1 GG der Kinder verletzt wird.

Interview über Interviews

Lesetipp: Interview mit Richter Andreas Buske vom Landgericht Hamburg über Interviews (bei Telepolis)

Die Parodie bezieht sich auf ein Urteil des Hamburger Landgerichts, nach dem Journalisten für in Interviews getätigten Aussagen haften sollen. Durch eine Serie solcher Urteile aus Hamburg wurde bereits nach dem Vorsitzenden der dortigen Pressekammer der Begriff »Buskeismus« geprägt.