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Lollapalooza - die Einwohnerversammlung

Am 14.07. fand nun die lang ersehnte Einwohnerversammlung zum Lollapalooza-Festival statt. Ich hatte im Vorfeld sehr darauf gedrängt und das Bezirksamt mehrfach durch Anfragen an den Beschluss der BVV erinnert, wonach vor allen die Betroffenen vor Ort informiert und einbezogen werden. Und zwar nicht erst, wenn alles in Sack und Tüten ist!

(Vorbemerkung: Ich war nur bis 19:45 Uhr anwesend. Sprich: die letzten Minuten fehlen. Bitte ergänzt, wenn ich etwas wichtiges nicht mitbekommen habe).

Im Vorfeld gab es dazu auch eine Demo:

Der Saal war brechend voll. Als Bezirkspolitiker wünsche ich mir, es würden halb so viele Menschen anwesend sein, wenn es darum geht, etwas positives voranzubringen. Und nicht nur, um etwas zu verhindern.

Auch das Podium war sehr umfassend besetzt: Grünflächenamt, Stadtentwicklungsamt, Senat, Polizei, Veranstalter und weitere dabei Involvierte.

Stadtrat Hölmer erklärte zu Beginn, dass dies ein Verfahren nach §6 Abs. 5 Grünanlagengesetz ist. Also dass jeder berechtigt ist, einen solchen Antrag zu stellen und dem dann nachgegangen werden muss. Er betonte auch, dass innerhalb des Verfahrens es unüblich sei, darüber schon zu berichten – und dies nur möglich sei, da der Veranstalter einwilligte. Ich glaube, hier sehe ich Bedarf an einer Änderung des Grünanlagengesetzes, so dass bei Verfahren mit sogenanntem „gesamtstädtischen Interesse” (der Term ist im Genehmigungsverfahren wichtig) das öffentliche Interesse an der Bearbeitungsphase als gegeben betrachtet werden soll.

Und dieses öffentliche Interesse machte auch der BVV-Beschluss deutlich, der genau diese Informationsveranstaltung einforderte. Und nun ist es skurril, dass zu einem Zeitpunkt, zu dem das Ergebnis hätte klar sein müssen, noch ziemlich viel unklar ist.

Die Veranstalter bekamen das Wort und stellten ihre Vorstellungen der Veranstaltung vor. Die Festivalmanagerin Fruzsina Szép kann ihr Programm vermutlich gut vor dem Zielpublikum vertreten, doch das war höchstens in der leisen Minderheit vorhanden. Das Durchschnittsalter im Saal eher doppelt hoch wie ihrs und überwiegend kritisch bis feindlich gestimmt.

Wir wissen, dass der Treptower Park nicht optimal ist.

Für diese Worte applaudierte der Saal. Daraufhin bedankte sie sich und ein Raunen zog durch den Saal. Doch mal ehrlich: wer soll diese Worte denn glauben? Natürlich ist der Treptower Park für sie als Location optimal. Da erwarte ich auch eine gewisse Ehrlichkeit. Und ich weiß: die Auflagen werden für den Veranstalter dagegen weniger optimal und mit Sicherheit ein Motivator für andere Standorte im kommenden Jahr sein.

Der nächste Lacher durchzog den Raum, als sie die Nachhaltigkeitsideen vorstellte. Auf dem Festival wird es den sogenannten „Grünen Kiez” geben, wo sich Händler und Organisatoren für Nachhaltigkeit präsentieren können. Da ist gewiss eine Menge Greenwashing dabei (zu dt. am ehesten Grünfärberei).

Und so folgten auch viele weitere Aussagen, die ich weniger greifbar empfand. Es wird sicher keiner der Kritiker mit Aussagen überzeugen lassen, dass den Veranstaltern der Schutz des Parks am Herzen liege. Und als kleines Bonbon soll es Anwohnertickets zum halben Preis geben.

Nichts desto trotz: Es ist ein Verfahren. Der Veranstalter kann seine Ideen und Ziele haben. Es ist Aufgabe des Bezirksamtes, in diesem Rahmen sicherzustellen, dass Schäden beseitigt werden (so fordert es das Grünanlagengesetz).

In gewissen Punkten war ich positiv überrascht. So ist die Festivalfläche (gegenüber früheren Versionen) soweit verschoben worden, dass nun nahezu jedes Gehölz ausgespart wurde und letztendlich die Wiesen verbleiben. Wenn diese dann auch noch – wie auch durch den von der BVV beschlossenen Antrag der Piraten – mittels Lastverteilungsplatten gesichert werden, ist auch hier ein Konfliktpunkt weniger.

Andere konkrete Aspekte, bspw. die Höhe der Sicherheitsleistung, wurden dagegen nicht genannt. Nicht mal grobe Daumenwerte.

Ebenso vage blieb der Umgang mit Zaungästen. Die Veranstaltung wird welche induzieren, keine Frage. Einige malten schon gravierende Probleme im Plänterwald aus. Doch wer wird sich soweit entfernt niederlassen? Eher wird der Hafenbereich überlaufen sein. Und das Areal um den Karpfenteich. Hier würde ich gerne noch sehen, dass der Veranstalter auch dafür die Verantwortung übernimmt. Das sowjetischen Ehrenmal wird begehbar sein, aber stärker von Polizei überwacht.

Stutzig wurde ich, dass die Veranstalter zwar das Festival vorstellten, aber dabei kein Wort über die Teilnehmerzahl verloren haben. Also fragte ich nach – und ohne mit der Wimper zu zucken antwortete der Lollapalooza-Geschäftsführer Marko Hegner:

Wir haben für 70.000 beantragt. Je Tag.

Im letzten Umweltausschuss wurde zwar berichtet, dass der Veranstalter vorgefühlt hätte, sein Konzept mit 45.000 Teilnehmern auf 70.000 zu vergrößern. Stadtrat Hölmer erklärte aber auch, dass dann die Veranstaltung noch mal neu durch das gesamte Verfahren geprüft werden muss, da eben der bisherige Stand von 45.000 erfolgte. Von daher war ich durchaus überrascht, dass der Veranstalter keinerlei Erklärungen abgab, warum es nun größer sei.

Auch zum Verkehrskonzept wurde nichts gesagt. Auch wenn (wie üblich) die Verkehrslenkung Berlin (VLB) nicht aus den Puschen kommt, hätte ich erwartet, dass der Veranstalter seine Ideen vorstellt. Doch er erklärte nur die beantragte Zeit für die Sperrung der Puschkinallee (ca. 10.09. 5:00 Uhr bis 12.09. 6:00 Uhr). Offensichtlich wird es eine Variante des Zweirichtungsverkehr geben. Die Frage ist, ob mit oder ohne der Parkspur.

Zum Lärmkonzept stellte ein Akustiker seine Tätigkeiten vor. Eine Lärmsimulation wurde erstellt – und eine Karte an die Leinwand geworfen:

Ehrlich: darauf konnte kaum einer etwas erkennen. Es war ein bunter Klecks. Auf diesem erklärte er die Lage der beiden Main Stages – und das Publikum bat ihm, doch deutsch zu reden. Einige im Publikum sprachen ihn jegliche Kompetenz ab, was auch schon bezeichnend ist. Schließlich ist genau das sein tägliches Geschäft.

Vom Senat wurde noch mal bestätigt, dass es bei einem Festival eben lauter wird:

Störende Veranstaltung von herausragender Bedeutung.

Die Zeitdauer des Aufbaus wird wohl nun 2 Wochen dauern, bisher kursierte die Zahl von 1 Woche herum. Das heißt, in diesem Zeitraum werden einzelne Teile des Parks nicht zur Verfügung stehen. Auch wenn die Areale nicht genau benannt worden sind, dürfte es wohl vor allem der Bühnenbereich sein.

Bemerkenswert: Es sollen 850 (950?) Toiletten installiert werden. Das klingt auf mich viel, für andere wohl zu wenig. Aber trotzdem eine Größenordnung. Bei 850 wären es 1 Toilette auf 82 Besucher.

Zusammenfassend hinterlässt die Veranstaltung bei mir zahlreiche Fragen. Nicht, weil es sich eben nur um ein Zwischenergebnis handelte, bei der einiges eben noch zu klären ist. Sondern weil dieses Zwischenergebnis nun der Stand sechs Wochen vor Beginn der Aufbauarbeiten ist. Und zwei Monate vor der Veranstaltung die Kapazität um mehr als 50% zu erhöhen, mag logistisch eine herausragende Leistung mit Nervenkitzel sein, wird aber andererseits nur weiteren Unmut bei den Anwohnern induzieren. Mal davon abgesehen, dass diese Karten dann auch noch verkauft werden wollen.

Bisherige Kommentare (14)

Kommentar von Sabine Donath

Lieber Rene!
Der Artikel hier gefällt mir gut- er ist sachlich und stellt die Fragen, die leider wirklich 8 Wochen vor der Veranstaltung ungeklärt sind, deutlich heraus.
Was den Kartenverkauf angeht, vermute ich mal, dass sie schon weit mehr als die ursprünglich geplante Besucherzahl verkauft haben- deshalb auch nun die Aufstockung.
Wir sollten uns nichts vormachen: Es ist eine kommerzielle Veranstaltung, die an Gewinnoptimierung interessiert ist- und nicht eine, in der es um eine bessere Welt geht.

Trotzdem vielen Dank für diesen Beitrag!

Sabine

Kommentar von Sigrid Schubert

Lieber Rene,
vieles habe ich auch so empfunden wie Du.
Zum Altersdurchschnitt: meine drei Kinder, jünger als ich, konnten noch nicht mal zu 18 Uhr da sein, sie arbeiten und sind entweder nie vor 19 Uhr zu Hause oder haben zu der Zeit kleine Kinder zu versorgen.
Zu den Toiletten: Toiletten sind dann eine für 823,5 Besucher.
Zu anderen Fragen: es wurden auch nicht beantwortet, z.B. was der Bezirk davon hätte. In all dsen Antwortschreiben steht: „ Der Veranstalter hat versprochen, für das Verständnis der Anwohnerinnen und Anwohner (er hatte aber den Kiez Plänterwald 1 – Am Treptower Park und Nebenstraßen- noch gar nicht wahrgenommen) etwas Nützliches im Park zu hinterlassen.”

Kommentar von Peter W.

Ich war nicht bei dieser Veranstaltung, daher vielen Dank für den Bericht. Es erscheint mir so, als ob das Bezirksamt vom Veranstalter vorgeführt wurde, die sichere Genehmigung vor den Augen wird die Zahl der Gäste einfach fast verdoppelt, weil sie anscheinend machen können, was sie wollen, siehe Knebelvertrag mit der Tempelhof GmbH.

Wenn der öffentliche Raum auf diese Weise ausverkauft wird, dann versucht der Unternehmer natürlich, so viel Gewinn wie möglich herauszuholen. Daher bin ich der Überzeugung, Veranstaltungen in dieser Größenordnung überhaupt nicht mehr in den städtischen Parks zu genehmigen.

Kommentar von Claudia H.

Ich musste heute morgen auf der großen Wiese leider mit ansehen, dass ein Bagger ein großes Loch schaufelte. Tätig ist der Kampfmittelräumdienst im Auftrag des Senats. Da im Krieg dort gekämpft wurde, will man ausschließen, dass Festivalbesucher durch evtl im Boden rostende Munition gefährdet sein könnten. So erklärte es mir ein Arbeiter und zeigte sogar die Pläne. Es wird noch an vielen Stellen gebaggert auf der Wiese. Man macht ja auch alles wieder zu und dann wächst Gras drüber. Ich muss hier wohl nicht erwähnen, dass man die Wiese jetzt im Sommer mit Gras nutzen möchte. Der Veranstalter braucht sich gar nicht viel Mühe zu geben mit der Wiederherstellung der Wiese. Der Senat zerstört es schon vorher.
Ich bin geschockt, weil auch niemand im Rathaus erwähnt hat, dass auch solche Maßnahmen zum Genehmigungsverfahren gehören.
Gleichzeitig fühle ich mich wieder einmal für dumm verkauft, wie insgesamt nach der Versammlung.
Bob Dylan und seine Besucher schwebten evtl in Lebensgefahr, als das 1987 das Konzert auf der Wiese stattfand und wir haben Glück, dass wir noch nicht in die Luft geflogen sind? ??

Kommentar von René

Nach einer kleinen Pause bin ich wieder da:

@Sigrid: Natürlich ist die Demo gegen Lolla im Park, das sagt ihr. Ansonsten würdet ihr die Aspekte zum Schutz des Parks in den Vordergrund rücken (ich habe aus diesem Grund auch diese Petition mitgezeichnet.)

@PeterW: Es ist kein Ausverkauf des Parks (auch wenn das vor allem die Linke aus Wahlkampftaktik suggeriert). Es ist eine Sondernutzung, die das Grünanlagengesetz schon lange vorsieht. Aber die Debatte, ob und wie in Grünanlagen Veranstaltungen möglich sein sollten, sollten wir durchaus führen.

@Claudia: Spannende Beobachtungen! Hier bohre ich beim Bezirksamt gerne noch einmal nach. Vor allem, warum dazu nichts auf der Versammlung gesagt wurde. Mit 1987 und DDR würde ich den Vergleich nicht ziehen, aber durchaus mit PopKick und den sonst im Park anwesenden Menschen. Natürlich kann man nichts gegen Sprengmittelbeseitigung sagen, aber durchaus wären das Dinge, die auch in der kalten Jahreszeit durchgeführt werden können.

Kommentar von Raúl

Am Sonntag, um 19 Uhr gingen wir in Begleitung meines Sohns (5 J.) zum Schalter am Westeingang. Nach etlichem Durchfragen kamen wir am Schalter der Gästeliste an. Die Dame am Empfang war sichtlich überrascht, dass sie uns auf der Gästeliste fand. Wir erhielten unsere Bändchen. Endlich – dachte ich mir. Es wird ein schöner Sonntagabend. Aber weit gefehlt. Mein 5-jähriger Sohn stand nicht auf der Gästeliste! Obwohl es hieß, dass Kinder in dem Alter in Begleitung eines Erwachsenen kostenlos das Festival besuchen können, war er nicht namentlich angemeldet. Er hat nicht mal einen Ausweis mit 5 Jahren. Dennoch sollte bzw. musste er auch ein Bändchen haben (bei der Hertha kommt er so ins Olympiastadion hinein). Dies wurde ihm verwehrt, da sein Name nicht auf der Gästeliste stand. Die Hotline war nicht mehr erreichbar! Es gab keine Anstrengung, nicht einmal einen Ansatz, das Problem zu lösen. Wir könnten rein, aber mein Sohn mit seinen 5 Jahren sollte draußen bleiben. Es gab keine Anzeichen der Bereitschaft unseren Sonntagabend zu retten.

Das ist die Lollapalozza. 1000-de von Security-Kräften, große Werbung, Familienereignis, aber absolut menschenfeindlich, kompromiß- und toleranzlos. Für mich schlicht unglaubwürdig nach den gemachten Erfahrungen.

Ich habe mich selten so in die Irre geführt gefühlt. Alle beharrten auf ihrem Recht und auf ihrem Job. So werde ich es künftig auch machen, wenn ich als Anwohner von einem (kommerziellen) Ereignis betroffen sein werde. Oder was würdet Ihr mir raten?

Kommentar von Raúl

Ich wohne exakt gegenüber dem Perry’s Stage. Habe ein lautes WE hinter mir und mein Sohn, der morgen seinen ersten Schultag hat, konnte ich erst um 22 Uhr ins Bett bringen. Soviel zum Kontext.

Im offiziellem Interview hieß es, dass die Anwohnen Hotline rund um die Uhr besetzt ist. In der Anwohnerinformation werde ich vom Anwohner- und Nachbarschaftsservice eingeladen mich mit diesem in Verbindung zu setzen.

„Wir werden uns umgehend um Ihr Anliegen kümmern” steht auf die Anwohnerinformation im Original.

Am Samstag, 10.09.2016 rufe ich die Hotline um 21:20 an und frage nach Anwohnertickets. Nach Durchgabe der Personalien sollten 10 Minuten später diese am Osteingang abholbar sein. Trotz sofortigem Losgehen erreichten wir nach langem Marsch und langer Suche um 22:20 Uhr den Osteingang. Alle Schalter waren noch personell besetzt aber den Zugang zu den Schaltern verwehrte uns ein Securitiy Mann, der uns noch erzählte, dass er den ganzen Tag beschimpft, bespuckt und beleidigt worden ist. Also 1:40 Stunden vor dem offiziellem Ende bekamen wir keine Bändchen mehr. Auch ein Telefonat mit der Hotline und das direkte Gespräch zwischen Hotline und Security brachte keine Abhilfe. Wir mussten mit leeren Händen gehen. Dabei wurden noch um 23 Uhr Gäste zum Mainstage gelassen, die ihre Bändchen schon hatten. Aber als Anwohner muss man tolerant sein. Toleranz zu erwarten, das sollte man von der Lollapalozza hingegen vergessen. Das Bändchen sollten wir uns heute (am Sonntag) abholen. Dies würde aber auch am West-Eingang gehen. Wooow, dachte ich mir.

Kommentar von René

Hallo Raúl,

Krasse Story. Da hat wohl jemand gepennt und geschlampt und die anderen kriegen es nicht auf die Reihe. Ich kann ja verstehen, dass die Security da erst mal eine Unsauberkeit feststellt, die zu klären ist. Aber das hätte dann zwichen Security und Anwohnerservice binnen 15 Minuten geklärt sein müssen.

Wie auch immer: ich gebe der Presse mal einen Tipp auf dem Kommentar!

viele grüße,
rené

Bytheway: Du kannst hier gerne anonym kommentieren, kein Ding. Nachteil ist aber: auch ich kenne deine E-Mail-Adresse nicht, um dich im Zweifel zu kontaktieren, falls Presse interessiert ist. Schicke mir doch im Zweifel ne E-Mail.

Kommentar von JS

Soweit ich sehen konnte, wird es in der Presse eher so dargestellt, dass die Anwohner nur sehr wenig die Ersatzquartiere wollten.

Scheinbar will man alles bagatellisieren. Herrlich fand ich auch das Interview mit einer der Anwohnerinnen, die sich begeistert von dem Festival zeigte. Ok, auch dass gibt es.

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